§§ 112-114 Enz. 1817

§. 112.
Der Begriff ist das schlechthin Concrete weil die negative Einheit mit sich,
die Einzelnheit, seine Beziehung auf sich, die Allgemeinheit ausmacht. Die Momente des Begriffes können insofern nicht abgesondert werden; die Reflexionsbestimmungen sollen [jede] für sich abgesondert von der entgegengesetzten gefaßt werden und gelten; aber indem im Begriff ihre Identität gesetzt ist, kann jedes seiner Momente unmittelbar nur aus und mit den ändern gefaßt werden.

Man hört nichts gewöhnlicher sagen, als daß der Begriff etwas Abstractes ist. Dieß ist insofern ganz richtig, als er nicht die Idee ist. Insofern ist
der subjective Begriff noch formell, jedoch gar nicht als ob er je einen ändern Inhalt haben oder erhalten sollte als sich selbst. – Als die absolute Form selbst ist er alle Bestimmtheit, aber wie sie in ihrer Wahrheit ist. Ob er also gleich abstract ist, so ist er das Concrete, und zwar das schlechthin Concrete, das Subject als solches; insofern er als Begriff, unterschieden von seiner Objectivität existirt, ist er der Geist. Alles andere Concrete ist nicht so concret, am wenigsten das, was man gemeinhin unter Concretem versteht, eine äußerlich zusammengehaltene Mannigfaltigkeit. – Was man gewöhnlich Begriffe und zwar bestimmte Begriffe nennt z. B. Mensch, Haus, Thier, u.s.f. sind nichts weniger als Begriffe, sondern einfache Bestimmungen und abstracte Vorstellungen, – Abstractionen, die vom Begriffe nur das Moment der Allgemeinheit nehmen, und die Besonderheit und Einzelnheit weglassen, ebendarum gerade vom Begriffe abstrahiren.


§. 113.
Das Moment der Einzelnheit setzt erst die Momente des Begriffes als Unterschiede, indem sie dessen negative Reflexion-in-sich, daher zunächst das freye Unterscheiden desselben, als die erste Negation, ist, womit die Bestimmtheit
des Begriffes gesetzt wird, aber als Besonderheit, d. i. daß die Unterschiednen
erstlich nur die Bestimmtheit der Begriffsmomente gegeneinander haben, und
ebenso ihre Identität, daß das eine das andere ist, gesetzt ist; diese gesetzte Besonderheit des Begriffes ist das Urtheil.

Das Allgemeine, Besondere und Einzelne als abgesonderte Begriffe festhalten ist Sache der Abstraction , oder des an die Reflexionsbestimmung der Identität sich haltenden Verstandes. Uebrigens wenn Arten des Begriffes als Begriffe, bestimmte Begriffe, insofern ein anderswo hergehohlter Inhalt nicht die Bestimmtheit ausmachen soll, anzugeben wären, so wären jene Momente allein die wahrhaften Arten. – Die gewöhnlichen Arten von klaren , deutlichen und adäquaten Begriffen, gehören nicht dem Begriffe, sondern der Psychologie insofern an, als unter klarem und deutlichem Begriffe, bloße Vorstellungen gemeint sind, unter jenem eine abstracte, einfach bestimmte, unter diesem eine ebensolche, an der aber noch ein Merkmahl, nemlich ein Zeichen für das subjective Erkennen herausgehoben ist. Der adäquate spielt mehr auf den Begriff, ja selbst auf die Idee an, aber drückt noch nichts als das formelle der Uebereinstimmung eines Begriffs oder auch einer Vorstellung mit ihrem Objecte, – einem äußerlichen Dinge aus. – Dem Unterschiede von subordinirten und coordinirten [Begriffen] liegen der begrifflose Unterschied vom Allgemeinen und Besondern, und deren Verhältniß-Beziehung in einer äußerlichen Reflexion zu Grunde. Ferner aber eine Aufzählung von Arten conträrer und contradictorischer, bejahender, verneinender Begriffe u.s.f. ist nichts andereres als ein Auflesen nach Zufall, von Bestimmtheiten des Gedankens, welche nur an sich oder nur dadurch Begriffe sind, daß sie als solche behandelt werden, aber sonst ein Inhalt oder Bestimmungen sind, die mit der Begriffsbestimmtheit selbst nichts zu thun haben. —Die wahrhaften Unterschiede des Begriffs, der allgemeine, besondere und einzelne, machen nur insofern Arten desselben aus, als sie von einer äusserlichen Reflexion auseinandergehalten werden. Der Begriff ist vielmehr nur das Allgemeine, welches sich bestimmt und dadurch besonderes ist, diese seine Besonderheit als Bestimmtheit aber ebenso unmittelbar aufhebt, darin in sich zurückgekehrt, und dadurch Einzelnes, und Allgemeines in Einer Identität ist. – Die immanente Unterscheidung und Reflexion des Begriffes selbst ist im Urtheile gesetzt.

b) D a s U r t h e i l .
§. 114.
Das Urtheil ist der Begriff in seiner Besonderheit, als unterscheidende Beziehung seiner Momente, die zugleich als fürsichseyende und mit sich identische
gesetzt sind, somit als Einzelnes und Allgemeines gegeneinander treten.

1) Gewöhnlich denkt man beym Urtheil zuerst an die Selbstständigkeit der Extreme, des Subjects und Prädicats, daß jenes ein Ding oder eine
Bestimmung für sich, und ebenso das Prädicat eine allgemeine Bestimmung, außer jenem Subject, etwa in meinem Kopfe sey, – die dann von mir [mit jener] zusammengebracht und hiemit geurtheilt werde. Indem jedoch die Copula, ist, das Prädicat vom Subjecte aussagt, so wird jenes äußerliche, subjective Subsumiren wieder aufgehoben, und das Urtheil als eine Bestimmung des Gegenstandes selbst genommen. – Die etymologische Bedeutung des Urtheils in unsrer Sprache ist tiefer und drückt die Einheit des Begriffs als das Erste, und dessen Unterscheidung als die ursprüngliche Theilung aus, was das Urtheil in Wahrheit ist. 2) Das abstracte Urtheil drückt zunächst der Satz aus: das Einzelne ist das Allgemeine, denn dieß sind die wesentlichen Bestimmungen, die das Subject und Prädicat gegeneinander haben. – Dieser Satz ist ein Widerspruch, und eben dieß macht die Nothwendigkeit aus, daß das Urtheil sich weiter fortbestimmt, zur Identität seines Subjects und Prädicats. Es erhellt auch daraus unmittelbar, daß solche abstracte Urtheile keine Wahrheit haben; richtig können sie wohl durch ihren Inhalt seyn, d. h. eine Wahrheit in der Sphäre der Wahrnehmung, des endlichen Denkens überhaupt, haben, aber Wahrheit an und für sich kann ihnen nicht zukommen; denn das Subject und das Prädicat, das abstracte Einzelne und Allgemeine, (welches nun für den Begriff, und welches für die Realität genommen werde, ist gleichgültig) stimmen nicht überein; eins soll vielmehr seyn, was das andere nicht ist. Es hängt deswegen nicht von dem Inhalte ab, ob z. B. das Urtheil: diese Rose ist roth, Wahrheit habe oder nicht; in solchem sinnlichen Inhalt ist sie nicht zu suchen, und die Form eines solchen Urtheils vermag als Form sie nicht zu fassen. – Die philosophische Wahrheit läßt sich eben deswegen nicht in einem einzelnen Urtheile ausdrücken; der Geist, Leben, der Begriff überhaupt, ist nur Bewegung in sich, die gerade in dem Urtheil getödtet ist. Es ist darum allein schon um der Form des Urtheils willen, daß solcher Inhalt nicht die Wahrheit hat. – 3) Die Copula: ist, kommt noch von der Natur des Begriffs, in seiner Entäußrung identisch mit sich zu seyn; das Einzelne und das Allgemeine sind als Momente des Begriffs solche Bestimmtheiten, die nicht isolirt werden können; – die frühem Reflexionsbestimmtheiten haben in den Verhältnissen auch die Beziehung auf einander gesetzt, aber ihr Zusammenhang ist nur das Haben, nicht das Seyn, die als solche gesetzte Identität oder die Allgemeinheit. Das Urtheil ist ebendeswegen die wahrhafte Besonderheit des Begriffs, denn diese ist die Bestimmtheit oder Unterscheidung desselben, welche aber Allgemeinheit bleibt.

Vgl. §§ 164 – 166 Enz. 1830