§§ 164-166 Enz. 1830

§ 164

Der Begriff ist das schlechthin Konkrete, weil die negative Einheit mit sich als An-und-für-sich-Bestimmtsein, welches die Einzelheit ist, selbst seine Beziehung auf sich, die Allgemeinheit ausmacht. Die Momente des Begriffes können insofern nicht abgesondert werden; die Reflexionsbestimmungen sollen jede für sich, abgesondert von der entgegengesetzten, gefaßt werden und gelten; aber indem im Begriff ihre Identität gesetzt ist, kann jedes seiner Momente unmittelbar nur aus und mit den anderen gefaßt werden.

Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit sind abstrakt genommen dasselbe, was Identität, Unterschied und Grund. Aber das Allgemeine ist das mit sich Identische ausdrücklich in der Bedeutung, daß in ihm zugleich das Besondere und Einzelne enthalten sei. Ferner ist das Besondere das Unterschiedene oder die Bestimmtheit, aber in der Bedeutung, daß es allgemein in sich und als Einzelnes sei. Ebenso hat das Einzelne die Bedeutung, daß es Subjekt, Grundlage sei, welche die Gattung und Art in sich enthalte und selbst substantiell sei. Dies ist die gesetzte Ungetrenntheit der Momente in ihrem Unterschiede (§ 160), – die Klarheit des Begriffes, in welchem jeder Unterschied keine Unterbrechung, Trübung macht, sondern ebenso durchsichtig ist.
Man hört nichts gewöhnlicher sagen, als daß der Begriff etwas Abstraktes ist. Dies ist teils insofern richtig, als das Denken überhaupt und nicht das empirisch konkrete Sinnliche sein Element, teils als er noch nicht die Idee ist. Insofern ist der subjektive Begriff noch formell, jedoch gar nicht als ob er je einen anderen Inhalt haben oder erhalten sollte als sich selbst. – Als die absolute Form selbst ist er alle Bestimmtheit, aber wie sie in ihrer Wahrheit ist. Ob er also gleich abstrakt ist, so ist er das Konkrete, und zwar das schlechthin Konkrete, das Subjekt als solches. Das Absolut-Konkrete ist der Geist (s. Anm. § 159), – der Begriff, insofern er als Begriff, sich unterscheidend von seiner Objektivität, die aber des Unterscheidens unerachtet die seinige bleibt, existiert. Alles andere Konkrete, so reich es sei, ist nicht so innig identisch mit sich und darum an ihm selbst nicht so konkret, am wenigsten das, was man gemeinhin unter Konkretem versteht, eine äußerlich zusammengehaltene Mannigfaltigkeit. – Was auch Begriffe, und zwar bestimmte Begriffe genannt werden, z. B. Mensch, Haus, Tier usf., sind einfache Bestimmungen und abstrakte Vorstellungen, – Abstraktionen, die vom Begriffe nur das Moment der Allgemeinheit nehmen und die Besonderheit und Einzelheit weglassen, so nicht an ihnen entwickelt sind und damit gerade vom Begriff abstrahieren.

§ 165

Das Moment der Einzelheit setzt erst die Momente des Begriffes als Unterschiede, indem sie dessen negative Reflexion-in-sich, daher zunächst das freie Unterscheiden desselben als die erste Negation ist, womit die Bestimmtheit des Begriffes gesetzt wird, aber als Besonderheit, d. i. daß die Unterschiedenen erstlich nur die Bestimmtheit der Begriffsmomente gegeneinander haben und daß zweitens ebenso ihre Identität, daß das eine das andere ist, gesetzt ist; diese gesetzte Besonderheit des Begriffes ist das Urteil.

Die gewöhnlichen Arten von klaren, deutlichen und adäquaten Begriffen gehören nicht dem Begriffe, sondern der Psychologie insofern an, als unter klarem und deutlichem Begriffe Vorstellungen gemeint sind, unter jenem eine abstrakte, einfach bestimmte, unter diesem eine solche, an der aber noch ein Merkmal, d. i. irgendeine Bestimmtheit zum Zeichen für das subjektive Erkennen herausgehoben ist. Nichts ist so sehr selbst das Merkmal der Äußerlichkeit und des Verkommens der Logik als die beliebte Kategorie des Merkmals. Der adäquate spielt mehr auf den Begriff, ja selbst auf die Idee an, aber drückt noch nichts als das Formelle der Übereinstimmung eines Begriffs oder auch einer Vorstellung mit ihrem Objekte, einem äußerlichen Dinge, aus. – Den sogenannten subordinierten und koordinierten Begriffen liegt der begrifflose Unterschied vom Allgemeinen und Besonderen und deren Verhältnisbeziehung in einer äußerlichen Reflexion zugrunde. Ferner aber eine Aufzählung von Arten konträrer und kontradiktorischer, bejahender, verneinender Begriffe usf. ist nichts anderes als ein Auflesen nach Zufall von Bestimmtheiten des Gedankens, welche für sich der Sphäre des Seins oder Wesens angehören, wo sie bereits betrachtet worden sind, und die mit der Begriffsbestimmtheit selbst als solcher nichts zu tun haben. – Die wahrhaften Unterschiede des Begriffs, der allgemeine, besondere und einzelne, machen allein doch auch nur insofern Arten desselben aus, als sie von einer äußerlichen Reflexion auseinandergehalten werden. – Die immanente Unterscheidung und Bestimmen des Begriffes ist im Urteile vorhanden, denn das Urteilen ist das Bestimmen des Begriffs.

b. Das Urteil
§ 166

Das Urteil ist der Begriff in seiner Besonderheit, als unterscheidende Beziehung seiner Momente, die als fürsichseiende und zugleich mit sich, nicht miteinander identische gesetzt sind.

Gewöhnlich denkt man beim Urteil zuerst an die Selbständigkeit der Extreme, des Subjekts und Prädikats, daß jenes ein Ding oder eine Bestimmung für sich und ebenso das Prädikat eine allgemeine Bestimmung außer jenem Subjekt, etwa in meinem Kopfe sei, – die dann von mir mit jener zusammengebracht, und hiermit geurteilt werde. Indem jedoch die Kopula „ist“ das Prädikat vom Subjekte aussagt, wird jenes äußerliche, subjektive Subsumieren wieder aufgehoben und das Urteil als eine Bestimmung des Gegenstandes selbst genommen. – Die etymologische Bedeutung des Urteils in unserer Sprache ist tiefer und drückt die Einheit des Begriffs als das Erste und dessen Unterscheidung als die ursprüngliche Teilung aus, was das Urteil in Wahrheit ist.
Das abstrakte Urteil ist der Satz: „das Einzelne ist das Allgemeine„. Dies sind die Bestimmungen, die das Subjekt und Prädikat zunächst gegeneinander haben, indem die Momente des Begriffs in ihrer unmittelbaren Bestimmtheit oder ersten Abstraktion genommen werden. (Die Sätze: „das Besondere ist das Allgemeine„, und: „das Einzelne ist das Besondere„, gehören der weiteren Fortbestimmung des Urteils an.) Es ist für einen verwundernswürdigen Mangel an Beobachtung anzusehen, das Faktum in den Logiken nicht angegeben zu finden, daß in jedem Urteil solcher Satz ausgesprochen wird: „das Einzelne ist das Allgemeine„, oder noch bestimmter: „das Subjekt ist das Prädikat“ (z. B. „Gott ist absoluter Geist“). Freilich sind die Bestimmungen Einzelheit und Allgemeinheit, Subjekt und Prädikat auch unterschieden, aber darum bleibt nicht weniger das ganz allgemeine Faktum, daß jedes Urteil sie als identisch aussagt.
Die Kopula „ist“ kommt von der Natur des Begriffs, in seiner Entäußerung identisch mit sich zu sein; das Einzelne und das Allgemeine sind als seine Momente solche Bestimmtheiten, die nicht isoliert werden können. Die früheren Reflexionsbestimmtheiten haben in ihren Verhältnissen auch die Beziehung aufeinander, aber ihr Zusammenhang ist nur das Haben, nicht das Sein, die als solche gesetzte Identität oder die Allgemeinheit. Das Urteil ist deswegen erst die wahrhafte Besonderheit des Begriffs, denn es ist die Bestimmtheit oder Unterscheidung desselben, welche aber Allgemeinheit bleibt.

Zusatz.
Das Urteil pflegt als eine Verbindung von Begriffen, und zwar von verschiedenartigen Begriffen betrachtet zu werden. Das Richtige in dieser Auffassung ist dies, daß der Begriff allerdings die Voraussetzung des Urteils bildet und im Urteil in der Form des Unterschiedes auftritt; dahingegen ist es falsch, von verschiedenartigen Begriffen zu reden, denn der Begriff als solcher, obschon konkret, ist doch wesentlich einer, und die in ihm enthaltenen Momente sind nicht als verschiedene Arten zu betrachten, und ebenso falsch ist es, von einer Verbindung der Seiten des Urteils zu sprechen, da, wenn von einer Verbindung die Rede ist, die Verbundenen als auch ohne die Verbindung für sich vorhanden gedacht werden. Diese äußerliche Auffassung zeigt sich dann noch bestimmter, wenn von dem Urteil gesagt wird, daß dasselbe dadurch zustande komme, daß einem Subjekt ein Prädikat beigelegt werde. Das Subjekt gilt hierbei als draußen für sich bestehend und das Prädikat als in unserem Kopfe befindlich. Dieser Vorstellung widerspricht indes schon die Kopula „ist„. Wenn wir sagen: „diese Rose ist rot“, oder: „dieses Gemälde ist schön“, so ist damit ausgesprochen, daß wir es nicht sind, die es der Rose erst äußerlich antun, rot, oder dem Gemälde, schön zu sein, sondern daß dies die eigenen Bestimmungen dieser Gegenstände sind. Ein fernerer Mangel der in der formellen Logik gewöhnlichen Auffassung des Urteils besteht dann darin, daß derselben zufolge das Urteil überhaupt bloß als etwas Zufälliges erscheint und daß der Fortgang vom Begriff zum Urteil nicht nachgewiesen wird. Nun aber ist der Begriff als solcher nicht, wie der Verstand meint, prozeßlos in sich verharrend, sondern vielmehr, als unendliche Form, schlechthin tätig, gleichsam das punctum saliens aller Lebendigkeit und somit sich von sich selbst unterscheidend. Diese durch die eigene Tätigkeit des Begriffs gesetzte Diremtion desselben in den Unterschied seiner Momente ist das Urteil, dessen Bedeutung hiernach als die Besonderung des Begriffs aufzufassen ist. Dieser ist zwar an sich schon das Besondere, allein im Begriff als solchem ist das Besondere noch nicht gesetzt, sondern noch in durchsichtiger Einheit mit dem Allgemeinen. So enthält z. B., wie früher (§ 160 Zusatz) bemerkt wurde, der Keim einer Pflanze zwar bereits das Besondere der Wurzel, der Zweige, der Blätter usf., allein dies Besondere ist nur erst an sich vorhanden und wird erst gesetzt, indem der Keim sich erschließt, welches als das Urteil der Pflanze zu betrachten ist. Dies Beispiel kann dann auch dazu dienen, um daran bemerklich zu machen, wie weder der Begriff noch das Urteil bloß in unserem Kopfe befindlich sind und nicht bloß von uns gebildet werden. Der Begriff ist das den Dingen selbst Innewohnende, wodurch sie das sind, was sie sind, und einen Gegenstand begreifen heißt somit, sich seines Begriffs bewußt werden; schreiten wir dann zur Beurteilung des Gegenstandes, so ist es nicht unser subjektives Tun, wodurch dem Gegenstand dies oder jenes Prädikat beigelegt wird, sondern wir betrachten den Gegenstand in der durch seinen Begriff gesetzten Bestimmtheit.