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Einleitung

Die philosophische Rechtswissenschaft hat die Idee des Rechts, den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande.

Die Philosophie hat es mit Ideen und darum nicht mit dem, was man bloße Begriffe zu heißen pflegt, zu tun, sie zeigt vielmehr deren Einseitigkeit und Unwahrheit auf, sowie daß der Begriff (nicht das, was man oft so nennen hört, aber nur eine abstrakte Verstandesbestimmung ist) allein es ist, was Wirklichkeit hat und zwar so, daß er sich diese selbst gibt. Alles, was nicht diese durch den Begriff selbst gesetzte Wirklichkeit ist, ist vorübergehendes Dasein, äußerliche Zufälligkeit, Meinung, wesenlose Erscheinung, Unwahrheit, Täuschung usf. Die Gestaltung, welche sich der Begriff in seiner Verwirklichung gibt, ist zur Erkenntnis des Begriffes selbst das andere, von der Form, nur als Begriff zu sein, unterschiedene wesentliche Moment der Idee.

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Kommentare

5 Antworten zu „1“

  1. Avatar von P. Wannenmann
    P. Wannenmann

    Das Naturrecht hat die Vernunftbestimmungen des Rechts und die Verwirklichung dieser seiner Idee zu seinem Gegenstand. Seine Quelle ist der Gedanke, der den Willen in seiner freien Selbstbestimmung erfaßt. Diese Quelle ist sein göttlicher, ewiger Ursprung.
    a) Das positive Recht ist überhaupt ein Recht, welches in einem Staat Gültigkeit hat und daher als Autorität respektiert werden muß, die durch Zwang und Furcht oder [durch] Zutrauen und Glauben behauptet wird, aber auch durch vernünftige Einsicht gehalten sein kann. Das positive Recht kann seinem allgemeinen Inhalt nach vernünftig oder, wie es gewöhnlich ist, eine Vermischung von vernünftigen und von zufälligen und willkürlichen Satzungen sein, welche teils aus Gewalt und Unterdrückung oder Ungeschicklichkeit der Gesetzgeber herkommen, teils sich auch aus einem unvollkommenen Zustand der Gesellschaft noch in einen vollkommeneren, auf höheres Bewußtsein der Freiheit gegründeten, hinüber erhalten haben, indem die Veränderungen einzeln und nach dem Bedürfnis des Augenblicks, ohne Zusammenhang des Ganzen, angeordnet worden sind.
    b) An das vernünftige Recht schließt sich aber von selbst eine positive Sphäre an, insofern es geltendes Recht wird und äußerliche Wirklichkeit erhält. Teils liegen in der besonderen Existenz eines Volks eigentümliche Bedingungen, welche auf die Rechtsbestimmungen Einfluß haben; teils aber sind die empirischen Fälle und Unterscheidungen, auf welche das vernünftige Recht angewendet werden muß, zwar in diesem enthalten, aber nicht wirklich ausgedrückt. Je ausgebildeter und verwickelter der Zustand der Gesellschaft ist, desto größer wird die (übrigens bloß verständige) Erweiterung der besonderen Rechtsbestimmungen. Ferner führt die reelle Existenz des Rechts eine Vergleichung ganz heterogener Gegenstände herbei, deren einer den Wert des anderen zu vertreten hat, z.B. bei Strafen, Dienstleistungen usf., wo sich über den absolut gleichen Wert nichts festsetzen läßt.
    c) Endlich erfordert das wirkliche Recht, weil es als wirkliches in schlechthin bestimmter Einzelnheit ist, eine letzte, ganz zur Einzelnheit bestimmte Entscheidung, welche durch die Allgemeinheit der Vernunft nicht in diesen engen Grenzen eingeschlossen ist.

  2. Avatar von C.G. Homeyer
    C.G. Homeyer

    Das Naturrecht hat den Vernunftbegriff des Rechts und die Verwirklichung desselben, die Idee des Rechts, zum Gegenstand. Die Quelle dieser Wissenschaft ist der Gedanke, insofern er den Willen in seiner freien Selbstbestimmung erfaßt. Dieselbe Quelle ist der göttliche, ewige Ursprung des Vernunftrechts, nur daß in der Wissenschaft das Denken sich als Begreifen verhält.

    [Drei Stufen der Entwicklung:]
    1. Begriff – Subjekt [Abstraktes]
    2. Verwirklichung – Objekt – Realität
    3. Einheit [beider] – Idee – Konkretes

    Der Wille ist teils der natürliche, teils der vernünftige, der sich aus der Zufälligkeit erhoben [hat], der sich denkt. Nur der letztere ist wahrhaftig und wesentlich. Der Wille, insofern er sich denkt, ist Quelle des Rechts.
    Das Naturrecht ist dem positiven [Recht] entgegengesetzt. Der Wille ist wesentlich Freiheit. Die Quelle des Rechts ist im Geist; keine äußere Autorität kann es begründen. Die bloße Gewohnheit kann nicht Quelle des Rechts sein; denn sie ist zwar [eine] Existenz des Geistes, aber nur eine äußerliche, schlechte Existenz des Geistes, die seinem Begriff nicht gemäß ist.
    Als Quelle der mosaischen Gesetze wird unmittelbar Gott angegeben. Man gibt [so] auch [die] göttliche Autorität an, als [diejenige], die dem König die Gewalt gegeben [hat]. Diese Behauptung hat man irrig so genommen, als ob der Könige Handlung eine willkürliche sein könnte und nur in ihnen begründet zu sein brauchte. Man hat hieraus den höchsten Despotismus abgeleitet und Gott als ein Jenseits, dem Geist Fremdes und Fernes betrachtet. Ein solches ist Gott nicht: Alles, was göttlich ist, ist vernünftig; und so umgekehrt. In Ansehung der wirklichen Freiheit muß der Wille das Vernünftigste sein; die Vorsteher des Staats müssen diesen Willen haben. Dies ist aber keine fremde, jenseits liegende Autorität.
    In dem Leben, in den Gesetzen fühlt der Mensch sich frei in seinem Wesen, nicht gehorchend dem Fremden, weil die Gesetze ein Höheres sind als zufälliges, fremdes Wollen. Daher ist der Staat nicht Beschränkung der Freiheit, sondern die wahre Welt der Freiheit; denn nur die Willkür wird eingeschränkt. Der göttliche Wille ist der Wille der Vernunft; diese Vernunft ist das Allgemeine des Wesens im Staat. Das Naturrecht hat keine andere Bestimmung als Realisierung der Vernunft.
    Unterschied zwischen Denken und Begreifen: Denken ist überhaupt die tätige Form der Allgemeinheit, das Abstrakte. Der Begriff aber ist konkret und umfaßt im Allgemeinen auch das Besondere, im Unendlichen auch das Endliche. Das Denken hat die Gedanken nicht unmittelbar in der Form der Notwendigkeit; die Bestimmungen der Wissenschaft werden erst notwendig durch das Begreifen. Was wir begreifen, haben wir ganz durchdrungen, ist ganz das unsrige, während das Denken noch immer etwas Fremdartiges, den besonderen Inhalt, darin läßt. Die Identität von mir als dem Begriff und dem Gegenstand ist das philosophische Erkennen: Das Recht muß also in der Wissenschaft nicht bloß gedacht, sondern begriffen werden.

  3. Avatar von Georg Wilhelm Friedrich Hegel
    Georg Wilhelm Friedrich Hegel

    [zu § 1] 30. X. 1822
    Natur der Sache. Nicht: diese und diese Begriffe und Inhalt haben wir, Recht, Freiheit, Eigentum, Staat usf., und [müssen] nun diesen Begriff auch deutlich denken; – formelle Bildung hilft nichts zur Entscheidung über die Sache. Sondern: eben Natur der Sache selbst betrachten, dies ist der Begriff der Sache, – jenes nur ein Gegebenes, Gott weiß woher Aufgefaßtes, Vorgestelltes usf.
    Nicht sogenannte bloße Begriffe; die Philosophie weiß am besten, daß die sogenannten bloßen Begriffe etwas Nichtiges 7/29 sind – sondern wesentlich deren Verwirklichung – Realisierung. Wirklichkeit ist nur die Einheit des Inneren und Äußeren – daß der Begriff nicht ein bloßes Innere sei, sondern ebenso reales, – und das Äußere, Reale nicht eine begrifflose Realität, Dasein – Existenz, sondern sei wesentlich durch den Begriff bestimmt. – Dies im allgemeinen Unterschied von Begriff und Idee, – für den unphilosophischen Sinn – vorl. historisch – das Nähere verspare ich auf den Begriff des Rechts – den Begriff dieser Idee selbst – denn Recht ist durchaus nur als Idee –

  4. Avatar von Karl Gustav Julius von Griesheim

    Im Recht liegt zugleich die Bestimmung der Verwirklichung und es ist die zweite Frage erst, was verwirklicht werden soll.

  5. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Der Begriff und seine Existenz sind zwei Seiten, geschieden und einig, wie Seele und Leib. Der Körper ist dasselbe Leben als die Seele, und dennoch können beide als auseinanderliegende genannt werden. Eine Seele ohne Leib wäre nichts Lebendiges, und ebenso umgekehrt. So ist das Dasein des Begriffs sein Körper, so wie dieser der Seele, die ihn hervorbrachte, gehorcht. Die Keime haben den Baum in sich und enthalten seine ganze Kraft, obgleich sie noch nicht er selbst sind. Der Baum entspricht ganz dem einfachen Bilde des Keimes. Entspricht der Körper nicht der Seele, so ist es eben etwas Elendes. Die Einheit des Daseins und des Begriffs, des Körpers und der Seele ist die Idee. Sie ist nicht nur Harmonie, sondern vollkommene Durchdringung. Nichts lebt, was nicht auf irgendeine Weise Idee ist. Die Idee des Rechts ist die Freiheit, und um wahrhaft aufgefaßt zu werden, muß sie in ihrem Begriff und in dessen Dasein zu erkennen sein.

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