Das Selbstbewusstsein

γ. Der Verstand
§ 422 Enz. 1830

Die nächste Wahrheit des Wahrnehmens ist, daß der Gegenstand vielmehr Erscheinung und seine Reflexion-in-sich ein dagegen für sich seiendes Inneres und Allgemeines ist. Das Bewußtsein dieses Gegenstandes ist der Verstand. – Jenes Innere ist einerseits die aufgehobene Mannigfaltigkeit des Sinnlichen und auf diese Weise die abstrakte Identität, andererseits enthält es jedoch deswegen die Mannigfaltigkeit auch, aber als inneren einfachen Unterschied, welcher in dem Wechsel der Erscheinungen mit sich identisch bleibt. Dieser einfache Unterschied ist das Reich der Gesetze der Erscheinung, ihr ruhiges allgemeines Abbild.

Zusatz. Der im vorigen Paragraphen bezeichnete Widerspruch erhält seine erste Auflösung dadurch, daß die gegeneinander und gegen die innere Einheit jedes einzelnen Dinges selbständigen mannigfaltigen Bestimmungen des Sinnlichen zur Erscheinung eines für sich seienden Inneren herabgesetzt werden und der Gegenstand somit aus dem Widerspruch seiner Reflexion-in-sich und seiner Reflexion-in-Anderes zum wesentlichen Verhältnis seiner zu sich selber fortentwickelt wird. Indem sich aber das Bewußtsein von der Beobachtung der unmittelbaren Einzelheit und von der Vermischung des Einzelnen und des Allgemeinen zur Auffassung des Innern des Gegenstandes erhebt, den Gegenstand also auf eine dem Ich gleiche Weise bestimmt, so wird dieses zum verständigen Bewußtsein. Erst an jenem unsinnlichen Innern glaubt der Verstand das Wahrhafte zu haben. Zunächst ist dies Innere jedoch ein abstrakt Identisches, in sich Ununterschiedenes, ein solches Innere haben wir in der Kategorie der Kraft und der Ursache vor uns. Das wahrhafte Innere dagegen muß als konkret, als in sich selber unterschieden bezeichnet werden. So aufgefaßt ist dasselbe dasjenige, was wir Gesetz nennen. Denn das Wesen des Gesetzes, möge dieses sich nun auf die äußere Natur oder auf die sittliche Weltordnung beziehen, besteht in einer untrennbaren Einheit, in einem notwendigen inneren Zusammenhange unterschiedener Bestimmungen. So ist durch das Gesetz mit dem Verbrechen notwendigerweise Strafe verbunden; dem Verbrecher kann diese zwar als etwas ihm Fremdes erscheinen, im Begriff des Verbrechens liegt aber wesentlich dessen Gegenteil, die Strafe. Ebenso muß, was die äußere Natur betrifft, zum Beispiel das Gesetz der Bewegung der Planeten (nach welchem bekanntlich die Quadrate der Umlaufszeiten sich wie die Kuben der Entfernungen verhalten) als eine innere notwendige Einheit unterschiedener Bestimmungen gefaßt werden. Diese Einheit wird allerdings erst von dem spekulativen Denken der Vernunft begriffen, aber schon von dem verständigen Bewußtsein in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen entdeckt. Die Gesetze sind die Bestimmungen des der Welt selber innewohnenden Verstandes; in ihnen findet daher das verständige Bewußtsein seine eigene Natur wieder und wird somit sich selber gegenständlich.

§ 423

Das Gesetz, zunächst das Verhältnis allgemeiner, bleibender Bestimmungen, hat, insofern sein Unterschied der innere ist, seine Notwendigkeit an ihm selbst; die eine der Bestimmungen, als nicht äußerlich von der anderen unterschieden, liegt unmittelbar selbst in der anderen. Der innere Unterschied ist aber auf diese Weise, was er in Wahrheit ist, der Unterschied an ihm selbst oder der Unterschied, der keiner ist. – In dieser Formbestimmung überhaupt ist an sich das Bewußtsein, welches als solches die Selbständigkeit des Subjekts und Objekts gegeneinander enthält, verschwunden; Ich hat als urteilend einen Gegenstand, der nicht von ihm unterschieden ist, – sich selbst;- Selbstbewußtsein.

Zusatz. Was im obenstehenden Paragraphen von dem das Wesen des Gesetzes ausmachenden inneren Unterschiede gesagt worden, daß nämlich dieser Unterschied ein Unterschied sei, der keiner ist, das gilt ebensosehr von dem Unterschiede, welcher in dem sich selber gegenständlichen Ich existiert. Wie das Gesetz ein nicht bloß gegen etwas anderes, sondern in sich selber Unterschiedenes, ein in seinem Unterschiede mit sich Identisches ist, so auch das sich selbst zum Gegenstand habende, von sich selber wissende Ich. Indem daher das Bewußtsein, als Verstand, von den Gesetzen weiß, so verhält dasselbe sich zu einem Gegenstande, in welchem das Ich das Gegenbild seines eigenen Selbstes wiederfindet und somit auf dem Sprunge steht, sich zum Selbstbewußtsein als solchem zu entwickeln. Da aber, wie schon im Zusatz zu § 422 bemerkt wurde, das bloß verständige Bewußtsein noch nicht dahin gelangt, die im Gesetz vorhandene Einheit der unterschiedenen Bestimmungen zu begreifen, d. h. aus der einen dieser Bestimmungen deren entgegengesetzte dialektisch zu entwickeln, so bleibt diese Einheit jenem Bewußtsein noch etwas Totes, folglich mit der Tätigkeit des Ich nicht Übereinstimmendes. Im Lebendigen dagegen schaut das Bewußtsein den Prozeß selber des Setzens und des Aufhebens der unterschiedenen Bestimmungen an, nimmt wahr, daß der Unterschied kein Unterschied, d. h. kein absolut fester Unterschied ist. Denn das Leben ist dasjenige Innere, das nicht ein abstrakt Inneres bleibt, sondern ganz in seine Äußerung eingeht; es ist ein durch die Negation des Unmittelbaren, des Äußerlichen, Vermitteltes, das diese seine Vermittlung selber zur Unmittelbarkeit aufhebt, – eine sinnliche, äußerliche und zugleich schlechthin innerliche Existenz, ein Materielles, in welchem das Außereinander der Teile aufgehoben, das Einzelne zu etwas Ideellem, zum Moment, zum Gliede des Ganzen herabgesetzt erscheint; kurz, das Leben muß als Selbstzweck gefaßt werden, als ein Zweck, der in sich selber sein Mittel hat, als eine Totalität, in welcher jedes Unterschiedene zugleich Zweck und Mittel ist. Am Bewußtsein dieser dialektischen, dieser lebendigen Einheit des Unterschiedenen entzündet sich daher das Selbstbewußtsein, das Bewußtsein von dem sich selber gegenständlichen, also in sich selbst unterschiedenen einfachen Ideellen, das Wissen von der Wahrheit des Natürlichen, vom Ich. 10/212

b. Das Selbstbewußtsein
§ 424

Die Wahrheit des Bewußtseins ist das Selbstbewußtsein und dieses der Grund von jenem, so daß in der Existenz alles Bewußtsein eines anderen Gegenstandes Selbstbewußtsein ist; ich weiß von dem Gegenstande als dem meinigen (er ist meine Vorstellung), ich weiß daher darin von mir. – Der Ausdruck vom Selbstbewußtsein ist Ich = Ich; – abstrakte Freiheit, reine Idealität. – So ist es ohne Realität, denn es selbst, das Gegenstand seiner ist, ist nicht ein solcher, da kein Unterschied desselben und seiner vorhanden ist.

Zusatz. In dem Ausdruck Ich = Ich ist das Prinzip der absoluten Vernunft und Freiheit ausgesprochen. Die Freiheit und die Vernunft besteht darin, daß ich mich zu der Form des Ich = Ich erhebe, daß ich alles als das Meinige, als Ich erkenne, daß ich jedes Objekt als ein Glied in dem Systeme desjenigen fasse, was ich selbst bin, – kurz darin, daß ich in einem und demselben Bewußtsein Ich und die Welt habe, in der Welt mich selber wiederfinde und umgekehrt in meinem Bewußtsein das habe, was ist, was Objektivität hat. Diese das Prinzip des Geistes ausmachende Einheit des Ich und des Objekts ist jedoch nur erst auf abstrakte Weise im unmittelbaren Selbstbewußtsein vorhanden und wird nur von uns, den Betrachtenden, noch nicht vom Selbstbewußtsein selber erkannt. Das unmittelbare Selbstbewußtsein hat noch nicht das Ich = Ich, sondern nur das Ich zum Gegenstande, ist deshalb nur für uns, nicht für sich selber frei, – weiß noch nicht von seiner Freiheit und hat nur die Grundlage derselben in sich, aber noch nicht die wahrhaft wirkliche Freiheit.

§ 425

Das abstrakte Selbstbewußtsein ist die erste Negation des Bewußtseins, daher auch behaftet mit einem äußerlichen Objekt, formell mit der Negation seiner; es ist somit zugleich die vorhergehende Stufe, Bewußtsein, und ist der Widerspruch seiner als Selbstbewußtseins und seiner als Bewußtseins. Indem letzteres und die Negation überhaupt im Ich = Ich an sich schon aufgehoben ist, so ist es als diese Gewißheit seiner selbst gegen das Objekt der Trieb, das zu 10/213 setzen, was es an sich ist, – d. i. dem abstrakten Wissen von sich Inhalt und Objektivität zu geben und umgekehrt sich von seiner Sinnlichkeit zu befreien, die gegebene Objektivität aufzuheben und mit sich identisch zu setzen; beides ist ein und dasselbe; – die Identifizierung seines Bewußtseins und Selbstbewußtseins.

Zusatz. Der Mangel des abstrakten Selbstbewußtseins liegt darin, daß dasselbe und das Bewußtsein noch Zweierlei gegeneinander sind, daß beide sich noch nicht gegenseitig ausgeglichen haben. Im Bewußtsein sehen wir den ungeheuren Unterschied des Ich, dieses ganz Einfachen, auf der einen Seite und der unendlichen Mannigfaltigkeit der Welt auf der anderen Seite. Dieser hier noch nicht zur wahrhaften Vermittlung kommende Gegensatz des Ich und der Welt macht die Endlichkeit des Bewußtseins aus. Das Selbstbewußtsein dagegen hat seine Endlichkeit in seiner noch ganz abstrakten Identität mit sich selber. Im Ich = Ich des unmittelbaren Selbstbewußtseins ist nur ein sein sollender, noch kein gesetzter, noch kein wirklicher Unterschied vorhanden.
Dieser Zwiespalt zwischen dem Selbstbewußtsein und dem Bewußtsein bildet einen inneren Widerspruch des Selbstbewußtseins mit sich selbst, weil das letztere zugleich die ihm zunächst vorangegangene Stufe, Bewußtsein, folglich das Gegenteil seiner selber ist. Da nämlich das abstrakte Selbstbewußtsein nur die erste, somit noch bedingte Negation der Unmittelbarkeit des Bewußtseins und nicht schon die absolute Negativität, d. h. die Negation jener Negation, die unendliche Affirmation ist, so hat es selber noch die Form eines Seienden, eines Unmittelbaren, eines trotz oder vielmehr gerade wegen seiner unterschiedslosen Innerlichkeit noch von der Äußerlichkeit Erfüllten; es enthält daher die Negation nicht bloß in sich, sondern auch außer sich, als ein äußerliches Objekt, als ein Nicht-Ich, und ist eben dadurch Bewußtsein.
Der hier geschilderte Widerspruch muß gelöst werden, und dies geschieht auf die Weise, daß das Selbstbewußtsein, welches sich als Bewußtsein, als Ich, zum Gegenstande hat, die einfache Idealität des Ich zum realen Unterschiede fortentwickelt, somit seine einseitige Subjektivität aufhebend sich Objektivität gibt, – ein Prozeß, der identisch ist mit dem umgekehrten, durch welchen zugleich das Objekt vom Ich subjektiv gesetzt, in die Innerlichkeit des Selbstes versenkt und so die im Bewußtsein vorhandene Abhängigkeit des Ich von einer äußerlichen Realität vernichtet wird. So gelangt das Selbstbewußtsein dahin, nicht neben sich das Bewußtsein zu haben, nicht äußerlich mit diesem verbunden zu sein, sondern 10/214 dasselbe wahrhaft zu durchdringen und als ein aufgelöstes in sich selber zu enthalten.
Um dies Ziel zu erreichen, hat das Selbstbewußtsein drei Entwicklungsstufen zu durchlaufen.
α) Die erste dieser Stufen stellt uns das unmittelbare, einfach mit sich identische und zugleich, im Widerspruch hiermit, auf ein äußerliches Objekt bezogene, einzelne Selbstbewußtsein dar. So bestimmt ist das Selbstbewußtsein die Gewißheit seiner als des Seienden, gegen welches der Gegenstand die Bestimmung eines nur scheinbar Selbständigen, in der Tat aber Nichtigen hat; – das begehrende Selbstbewußtsein.
β) Auf der zweiten Stufe bekommt das objektive Ich die Bestimmung eines anderen Ich und entsteht somit das Verhältnis eines Selbstbewußtseins zu einem anderen Selbstbewußtsein, zwischen diesen beiden aber der Prozeß des Anerkennens. Hier ist das Selbstbewußtsein nicht mehr bloß einzelnes Selbstbewußtsein, sondern in ihm beginnt schon eine Vereinigung von Einzelheit und Allgemeinheit.
γ) Indem dann ferner das Anderssein der einander gegenüberstehenden Selbste sich aufhebt und diese in ihrer Selbständigkeit doch miteinander identisch werden, tritt die dritte jener Stufen hervor, – das allgemeine Selbstbewußtsein.

α. Die Begierde
§ 426

Das Selbstbewußtsein in seiner Unmittelbarkeit ist Einzelnes und Begierde,- der Widerspruch seiner Abstraktion, welche objektiv sein soll, oder seiner Unmittelbarkeit, welche die Gestalt eines äußeren Objekts hat und subjektiv sein soll. Für die aus dem Aufheben des Bewußtseins hervorgegangene Gewißheit seiner selbst ist das Objekt und für die Beziehung des Selbstbewußtseins auf das Objekt ist seine abstrakte Idealität ebenso als ein Nichtiges bestimmt.

Zusatz. Wie schon im Zusatz zum vorhergehenden Paragraphen bemerkt wurde, ist die Begierde diejenige Form, in welcher das Selbstbewußtsein auf der ersten Stufe seiner Entwicklung erscheint. Die Begierde hat hier, im zweiten Hauptteil der Lehre vom subjektiven Geiste, noch keine weitere Bestimmung als die des Triebes, insofern derselbe, ohne durch das Denken bestimmt zu sein, auf ein äußerliches Objekt gerichtet ist, in welchem er sich zu befriedigen sucht. Daß aber der so bestimmte Trieb im Selbstbewußtsein 10/215 existiert, davon liegt die Notwendigkeit darin, daß das Selbstbewußtsein (wie wir gleichfalls schon im Zusatz zum vorhergehenden Paragraphen bemerklich gemacht haben) zugleich seine ihm zunächst vorangegangene Stufe, nämlich Bewußtsein ist und von diesem inneren Widerspruche weiß. Wo ein mit sich Identisches einen Widerspruch in sich trägt und von dem Gefühl seiner an sich seienden Identität mit sich selber ebenso wie von dem entgegengesetzten Gefühl seines inneren Widerspruchs erfüllt ist, da tritt notwendig der Trieb hervor, diesen Widerspruch aufzuheben. Das Nichtlebendige hat keinen Trieb, weil es den Widerspruch nicht zu ertragen vermag, sondern zugrunde geht, wenn das Andere seiner selbst in es eindringt. Das Beseelte hingegen und der Geist haben notwendig Trieb, da weder die Seele noch der Geist sein kann, ohne den Widerspruch in sich zu haben und ihn entweder zu fühlen oder von ihm zu wissen. In dem unmittelbaren, daher natürlichen, einzelnen, ausschließenden Selbstbewußtsein hat aber, wie bereits oben angedeutet, der Widerspruch die Gestalt, daß das Selbstbewußtsein, dessen Begriff darin besteht, sich zu sich selber zu verhalten, Ich = Ich zu sein, im Gegenteil zugleich noch zu einem unmittelbaren, nicht ideell gesetzten Anderen, zu einem äußerlichen Objekt, zu einem Nicht-Ich sich verhält und sich selber äußerlich ist, da es, obgleich an sich Totalität, Einheit des Subjektiven und des Objektiven, dennoch zunächst als Einseitiges, als ein nur Subjektives existiert, das erst durch die Befriedigung der Begierde dahin kommt, an und für sich Totalität zu sein. – Trotz jenes inneren Widerspruchs bleibt jedoch das Selbstbewußtsein sich seiner absolut gewiß, weil dasselbe weiß, daß das unmittelbare, äußerliche Objekt keine wahrhafte Realität hat, vielmehr ein Nichtiges gegen das Subjekt, ein bloß scheinbar Selbständiges, in der Tat aber ein solches ist, das nicht verdient und nicht vermag, für sich zu bestehen, sondern durch die reale Macht des Subjekts untergehen muß.

§ 427

Das Selbstbewußtsein weiß sich daher an sich im Gegenstande, der in dieser Beziehung dem Triebe gemäß ist. In der Negation der beiden einseitigen Momente, als der eigenen Tätigkeit des Ich, wird für dasselbe diese Identität. Der Gegenstand kann dieser Tätigkeit keinen Widerstand leisten, als an sich und für das Selbstbewußtsein das Selbstlose; die Dialektik, welche seine Natur ist, sich aufzuheben, existiert hier als jene Tätigkeit des Ich. Das gegebene Objekt wird 10/216 hierin ebenso subjektiv gesetzt, als die Subjektivität sich ihrer Einseitigkeit entäußert und sich objektiv wird.

Zusatz. Das selbstbewußte Subjekt weiß sich als an sich mit dem äußerlichen Gegenstande identisch, – weiß, daß dieser die Möglichkeit der Befriedigung der Begierde enthält, daß der Gegenstand also der Begierde gemäß ist und daß eben deswegen diese durch ihn erregt wird. Die Beziehung auf das Objekt ist dem Subjekt daher notwendig. Das letztere schaut in dem ersteren seinen eigenen Mangel, seine eigene Einseitigkeit an, sieht im Objekt etwas zu seinem eigenen Wesen Gehöriges und dennoch ihm Fehlendes. Diesen Widerspruch ist das Selbstbewußtsein aufzuheben imstande, da dasselbe kein Sein, sondern absolute Tätigkeit ist, und es hebt ihn auf, indem es sich des selbständig zu sein gleichsam nur vorgebenden Gegenstandes bemächtigt, durch Verzehrung desselben sich befriedigt und, da es Selbstzweck ist, in diesem Prozeß sich erhält. Das Objekt muß dabei zugrunde gehen; denn beide, das Subjekt und das Objekt, sind hier Unmittelbare, und diese können nicht anders in Einem sein als so, daß die Unmittelbarkeit, und zwar zunächst die des selbstlosen Objekts, negiert wird. Durch die Befriedigung der Begierde wird die an sich seiende Identität des Subjekts und des Objekts gesetzt, die Einseitigkeit der Subjektivität und die scheinbare Selbständigkeit des Objekts aufgehoben. Indem aber der Gegenstand von dem begehrenden Selbstbewußtsein vernichtet wird, kann er einer durchaus fremden Gewalt zu unterliegen scheinen. Dies ist jedoch nur ein Schein. Denn das unmittelbare Objekt muß sich seiner eigenen Natur, seinem Begriffe nach, aufheben, da es in seiner Einzelheit der Allgemeinheit seines Begriffes nicht entspricht. Das Selbstbewußtsein ist der erscheinende Begriff des Objektes selber. In der Vernichtung des Gegenstandes durch das Selbstbewußtsein geht dieser daher durch die Macht seines eigenen, ihm nur innerlichen und eben deshalb nur von außen an ihn zu kommen scheinenden Begriffes unter. So wird das Objekt subjektiv gesetzt. Aber durch diese Aufhebung des Objektes hebt, wie schon bemerkt, das Subjekt auch seinen eigenen Mangel, sein Zerfallen in ein unterschiedsloses Ich = Ich und in ein auf ein äußerliches Objekt bezogenes Ich auf und gibt ebensosehr seiner Subjektivität Objektivität, wie es sein Objekt subjektiv macht.

§ 428

Das Produkt dieses Prozesses ist, daß Ich sich mit sich selbst zusammenschließt und hierdurch für sich befriedigt, Wirkliches ist. Nach der äußerlichen Seite bleibt es in dieser Rückkehr 10/217 zunächst als Einzelnes bestimmt und hat sich als solches erhalten, weil es sich auf das selbstlose Objekt nur negativ bezieht, dieses insofern nur aufgezehrt wird. Die Begierde ist so in ihrer Befriedigung überhaupt zerstörend wie ihrem Inhalte nach selbstsüchtig, und da die Befriedigung nur im Einzelnen geschehen, dieses aber vorübergehend ist, so erzeugt sich in der Befriedigung wieder die Begierde.

Zusatz. Das Verhältnis der Begierde zum Gegenstande ist noch durchaus das des selbstsüchtigen Zerstörens, nicht das des Bildens. Insofern das Selbstbewußtsein als bildende Tätigkeit sich auf den Gegenstand bezieht, bekommt dieser nur die in ihm ein Bestehen gewinnende Form des Subjektiven, wird aber seinem Stoffe nach erhalten. Durch die Befriedigung des in der Begierde befangenen Selbstbewußtseins hingegen wird, da dieses das Andere als ein Unabhängiges noch nicht zu ertragen die Kraft besitzt, die Selbständigkeit des Objektes zerstört, so daß die Form des Subjektiven in demselben zu keinem Bestehen gelangt.
Wie der Gegenstand der Begierde und diese selber, so ist aber notwendigerweise auch die Befriedigung der Begierde etwas Einzelnes, Vorübergehendes, der immer von neuem erwachenden Begierde Weichendes, eine mit der Allgemeinheit des Subjektes beständig in Widerspruch bleibende und gleichwohl durch den gefühlten Mangel der unmittelbaren Subjektivität immer wieder angeregte Objektivierung, die niemals ihr Ziel absolut erreicht, sondern nur den Progreß ins Unendliche herbeiführt.

§ 429

Aber das Selbstgefühl, das ihm [dem Ich] in der Befriedigung wird, bleibt nach der inneren Seite oder an sich nicht im abstrakten Fürsichsein oder in seiner Einzelheit, sondern als die Negation der Unmittelbarkeit und der Einzelheit enthält das Resultat die Bestimmung der Allgemeinheit und der Identität des Selbstbewußtseins mit seinem Gegenstande. Das Urteil oder die Diremtion dieses Selbstbewußtseins ist das Bewußtsein eines freien Objekts, in welchem Ich das Wissen seiner als Ich hat, das aber auch noch außer ihm ist.

Zusatz. Nach der äußerlichen Seite bleibt, wie im Zusatze zum vorhergehenden Paragraphen bemerkt wurde, das unmittelbare Selbstbewußtsein in dem ins Unendliche sich fortsetzenden langweiligen 10/218 Wechsel der Begierde und der Befriedigung derselben, in der aus ihrer Objektivierung immer wieder in sich zurückfallenden Subjektivität befangen. Nach der inneren Seite dagegen, oder dem Begriffe nach, hat das Selbstbewußtsein, durch Aufhebung seiner Subjektivität und des äußerlichen Gegenstandes, seine eigene Unmittelbarkeit, den Standpunkt der Begierde negiert, sich mit der Bestimmung des Anderssein gegen sich selber gesetzt, das Andere mit dem Ich erfüllt, aus etwas Selbstlosem zu einem freien, zu einem selbstischen Objekt, zu einem anderen Ich gemacht, – somit sich als ein unterschiedenes Ich sich selber gegenübergestellt, dadurch aber sich über die Selbstsucht der bloß zerstörenden Begierde erhoben.

β. Das anerkennende Selbstbewußtsein
§ 430

Es ist ein Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein zunächst unmittelbar als ein Anderes für ein Anderes. Ich schaue in ihm als Ich mich selbst an, aber auch darin ein unmittelbar daseiendes, als Ich absolut gegen mich selbständiges anderes Objekt. Das Aufheben der Einzelheit des Selbstbewußtseins war das erste Aufheben; es ist damit nur als besonderes bestimmt. – Dieser Widerspruch gibt den Trieb, sich als freies Selbst zu zeigen und für den Anderen als solches da zu sein, – den Prozeß des Anerkennens.

Zusatz. Die in der Überschrift des obigen Paragraphen bezeichnete zweite Entwicklungsstufe des Selbstbewußtseins hat mit dem die erste Entwicklungsstufe desselben bildenden, in der Begier befangenen Selbstbewußtsein zunächst auch noch die Bestimmung der Unmittelbarkeit gemein. In dieser Bestimmung liegt der ungeheure Widerspruch, daß – da Ich das ganz Allgemeine, absolut Durchgängige, durch keine Grenze Unterbrochene, das allen Menschen gemeinsame Wesen ist – die beiden sich hier aufeinander beziehenden Selbste eine Identität, sozusagen ein Licht ausmachen und dennoch zugleich zweie sind, die, in vollkommener Starrheit und Sprödigkeit gegeneinander, Jedes als ein in sich Reflektiertes, von dem Anderen absolut Unterschiedenes und Undurchbrechbares bestehen.

§ 431

Er ist ein Kampf; denn ich kann mich im Anderen nicht als mich selbst wissen, insofern das Andere ein unmittelbares 10/219 anderes Dasein für mich ist; ich bin daher auf die Aufhebung dieser seiner Unmittelbarkeit gerichtet. Ebensosehr kann ich nicht als Unmittelbares anerkannt werden, sondern nur insofern ich an mir selbst die Unmittelbarkeit aufhebe und dadurch meiner Freiheit Dasein gebe. Aber diese Unmittelbarkeit ist zugleich die Leiblichkeit des Selbstbewußtseins, in welcher es als in seinem Zeichen und Werkzeug sein eigenes Selbstgefühl sowie sein Sein für andere und seine es mit ihnen vermittelnde Beziehung hat.

Zusatz. Die nähere Gestalt des im Zusatz zum vorhergehenden Paragraphen angegebenen Widerspruchs ist die, daß die beiden sich zueinander verhaltenden selbstbewußten Subjekte, weil sie unmittelbares Dasein haben, natürliche, leibliche sind, also in der Weise eines fremder Gewalt unterworfenen Dinges existieren und als ein solches aneinander kommen, zugleich aber schlechthin freie sind und nicht als ein nur unmittelbar Daseiendes, nicht als ein bloß Natürliches voneinander behandelt werden dürfen. Um diesen Widerspruch zu überwinden, dazu ist nötig, daß die beiden einander gegenüberstehenden Selbste in ihrem Dasein, in ihrem Sein-für-Anderes, sich als das setzen und sich als das anerkennen, was sie an sich oder ihrem Begriffe nach sind, – nämlich nicht bloß natürliche, sondern freie Wesen. Nur so kommt die wahre Freiheit zustande; denn da diese in der Identität meiner mit dem anderen besteht, so bin ich wahrhaft frei nur dann, wenn auch der andere frei ist und von mir als frei anerkannt wird. Diese Freiheit des einen im anderen vereinigt die Menschen auf innerliche Weise, wogegen das Bedürfnis und die Not dieselben nur äußerlich zusammenbringt. Die Menschen müssen sich daher ineinander wiederfinden wollen. Dies kann aber nicht geschehen, solange dieselben in ihrer Unmittelbarkeit, in ihrer Natürlichkeit befangen sind; denn diese ist eben dasjenige, was sie voneinander ausschließt und sie verhindert, als freie füreinander zu sein. Die Freiheit fordert daher, daß das selbstbewußte Subjekt weder seine eigene Natürlichkeit bestehen lasse noch die Natürlichkeit anderer dulde, sondern vielmehr, gleichgültig gegen das Dasein, in einzelnen unmittelbaren Händeln das eigene und das fremde Leben für die Erringung der Freiheit auf das Spiel setze. Nur durch Kampf kann also die Freiheit erworben werden, die Versicherung, frei zu sein, genügt dazu nicht, nur dadurch, daß der Mensch sich selber, wie andere, in die Gefahr des Todes bringt, beweist er auf diesem Standpunkt seine Fähigkeit zur Freiheit. 10/220

§ 432

Der Kampf des Anerkennens geht also auf Leben und Tod; jedes der beiden Selbstbewußtsein[e] bringt das Leben des anderen in Gefahr und begibt sich selbst darein, aber nur als in Gefahr, denn ebenso ist jedes auf die Erhaltung seines Lebens als des Daseins seiner Freiheit gerichtet. Der Tod des einen, der den Widerspruch nach einer Seite auflöst, durch die abstrakte, daher rohe Negation der Unmittelbarkeit, ist so nach der wesentlichen Seite, dem Dasein des Anerkennens, welches darin zugleich aufgehoben wird, ein neuer Widerspruch, und der höhere als der erste.

Zusatz. Der absolute Beweis der Freiheit im Kampfe um die Anerkennung ist der Tod. Schon indem die Kämpfenden sich in die Gefahr des Todes begeben, setzen sie ihr beiderseitiges natürliches Sein als ein Negatives, beweisen sie, daß sie dasselbe als ein Nichtiges ansehen. Durch den Tod aber wird die Natürlichkeit tatsächlich negiert und dadurch zugleich deren Widerspruch mit dem Geistigen, mit dem Ich, aufgelöst. Diese Auflösung ist jedoch nur ganz abstrakt, nur von negativer, nicht von positiver Art. Denn wenn von den beiden um ihre gegenseitige Anerkennung miteinander Kämpfenden auch nur der eine untergeht, so kommt keine Anerkennung zustande, so existiert der Übriggebliebene ebensowenig wie der Tote als ein Anerkannter. Folglich entsteht durch den Tod der neue und größere Widerspruch, daß diejenigen, welche durch den Kampf ihre innere Freiheit bewiesen haben, dennoch zu keinem anerkannten Dasein ihrer Freiheit gelangt sind.
Um etwaigen Mißverständnissen rücksichtlich des soeben geschilderten Standpunktes vorzubeugen, haben wir hier noch die Bemerkung zu machen, daß der Kampf um die Anerkennung in der angegebenen bis zum Äußersten getriebenen Form bloß im Naturzustande, wo die Menschen nur als Einzelne sind, stattfinden kann, dagegen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staate fernbleibt, weil daselbst dasjenige, was das Resultat jenes Kampfes ausmacht, nämlich das Anerkanntsein, bereits vorhanden ist. Denn obgleich der Staat auch durch Gewalt entstehen kann, so beruht er doch nicht auf ihr; die Gewalt hat in seiner Hervorbringung nur ein an und für sich Berechtigtes, die Gesetze, die Verfassung, zur Existenz gebracht. Im Staate sind der Geist des Volkes, die Sitte, das Gesetz das Herrschende. Da wird der Mensch als vernünftiges Wesen, als frei, als Person anerkannt und behandelt, und der Einzelne seinerseits macht sich dieser Anerkennung dadurch würdig, 10/221 daß er, mit Überwindung der Natürlichkeit seines Selbstbewußtseins, einem Allgemeinen, dem an und für sich seienden Willen, dem Gesetze gehorcht, also gegen andere sich auf eine allgemeingültige Weise benimmt, sie als das anerkennt, wofür er selber gelten will, – als frei, als Person. Im Staate erhält der Bürger seine Ehre durch das Amt, das er bekleidet, durch das von ihm betriebene Gewerbe und durch seine sonstige arbeitende Tätigkeit. Seine Ehre hat dadurch einen substantiellen, allgemeinen, objektiven, nicht mehr von der leeren Subjektivität abhängigen Inhalt, dergleichen im Naturzustande noch fehlt, wo die Individuen, wie sie auch sein und was sie auch tun mögen, sich Anerkennung erzwingen wollen.
Aus dem eben Gesagten erhellt aber, daß mit jenem ein notwendiges Moment in der Entwicklung des menschlichen Geistes ausmachenden Kampfe um Anerkennung der Zweikampf durchaus nicht verwechselt werden darf. Der letztere fällt nicht wie der erstere in den Naturzustand der Menschen, sondern in eine schon mehr oder weniger ausgebildete Form der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates. Seine eigentliche weltgeschichtliche Stelle hat der Zweikampf im Feudalsystem, welches ein rechtlicher Zustand sein sollte, es aber nur in sehr geringem Grade war. Da wollte der Ritter, was er auch begangen haben mochte, dafür gelten, sich nichts vergeben zu haben, vollkommen fleckenlos zu sein. Dies sollte der Zweikampf beweisen. Obgleich das Faustrecht in gewisse Formen gebracht war, so hatte dasselbe doch die Selbstsucht zur absoluten Grundlage; durch seine Ausübung wurde daher nicht ein Beweis vernünftiger Freiheit und wahrhaft staatsbürgerlicher Ehre, sondern vielmehr ein Beweis von Roheit und häufig von der Unverschämtheit eines, trotz seiner Schlechtigkeit, auf äußerliche Ehre Anspruch machenden Sinnes gegeben. Bei den antiken Völkern kommt der Zweikampf nicht vor, denn ihnen war der Formalismus der leeren Subjektivität, das Geltenwollen des Subjekts in seiner unmittelbaren Einzelheit, durchaus fremd; sie hatten ihre Ehre nur in ihrer gediegenen Einheit mit dem sittlichen Verhältnis, welches der Staat ist. In unseren modernen Staaten aber ist der Zweikampf kaum für etwas anderes zu erklären als für ein gemachtes Sichzurückversetzen in die Roheit des Mittelalters. Allenfalls konnte bei dem ehemaligen Militär der Zweikampf einen leidlich vernünftigen Sinn haben, nämlich den, daß das Individuum beweisen wollte, es habe noch einen höheren Zweck, als sich um des Groschens willen totschlagen zu lassen.

§ 433

Indem das Leben so wesentlich als die Freiheit ist, so endigt 10/222 sich der Kampf zunächst als einseitige Negation mit der Ungleichheit, daß das eine der Kämpfenden das Leben vorzieht, sich als einzelnes Selbstbewußtsein erhält, sein Anerkanntsein jedoch aufgibt, das andere aber an seiner Beziehung auf sich selbst [fest]hält und vom ersten als dem Unterworfenen anerkannt wird: – das Verhältnis der Herrschaft und Knechtschaft.

Der Kampf des Anerkennens und die Unterwerfung unter einen Herrn ist die Erscheinung, aus welcher das Zusammenleben der Menschen, als ein Beginnen der Staaten, hervorgegangen ist. Die Gewalt, welche in dieser Erscheinung Grund ist, ist darum nicht Grund des Rechts, obgleich das notwendige und berechtigte Moment im Übergange des Zustandes des in die Begierde und Einzelheit versenkten Selbstbewußtseins in den Zustand des allgemeinen Selbstbewußtseins. Es ist der äußerliche oder erscheinende Anfang der Staaten, nicht ihr substantielles Prinzip.

Zusatz. Das Verhältnis der Herrschaft und Knechtschaft enthält nur ein relatives Aufheben des Widerspruchs zwischen der in sich reflektierten Besonderheit und der gegenseitigen Identität der unterschiedenen selbstbewußten Subjekte. Denn in diesem Verhältnis wird die Unmittelbarkeit des besonderen Selbstbewußtseins zunächst nur auf der Seite des Knechtes aufgehoben, dagegen auf der Seite des Herrn erhalten. Während die Natürlichkeit des Lebens auf diesen beiden Seiten bestehen bleibt, gibt sich der Eigenwille des Knechtes an den Willen des Herrn auf, bekommt zu seinem Inhalte den Zweck des Gebieters, der seinesteils in sein Selbstbewußtsein nicht den Willen des Knechtes, sondern bloß die Sorge für die Erhaltung der natürlichen Lebendigkeit desselben aufnimmt, dergestalt, daß in diesem Verhältnis die gesetzte Identität des Selbstbewußtseins der aufeinander bezogenen Subjekte nur auf einseitige Weise zustandekommt.
Was das Geschichtliche des in Rede stehenden Verhältnisses betrifft, so kann hier bemerkt werden, daß die antiken Völker, die Griechen und Römer, sich noch nicht zum Begriff der absoluten Freiheit erhoben hatten, da sie nicht erkannten, daß der Mensch als solcher, als dieses allgemeine Ich, als vernünftiges Selbstbewußtsein, zur Freiheit berechtigt ist. Bei ihnen wurde vielmehr 10/223 der Mensch nur dann für frei gehalten, wenn er als ein Freier geboren war. Die Freiheit hatte also bei ihnen noch die Bestimmung der Natürlichkeit. Deshalb gab es in ihren Freistaaten Sklaverei und entstanden bei den Römern blutige Kriege, in denen die Sklaven sich frei zu machen, zur Anerkennung ihrer ewigen Menschenrechte zu gelangen suchten.

§ 434

Dies Verhältnis ist einerseits, da das Mittel der Herrschaft, der Knecht, in seinem Leben gleichfalls erhalten werden muß, Gemeinsamkeit des Bedürfnisses und der Sorge für dessen Befriedigung. An die Stelle der rohen Zerstörung des unmittelbaren Objekts tritt die Erwerbung, Erhaltung und Formierung desselben als des Vermittelnden, worin die beiden Extreme der Selbständigkeit und Unselbständigkeit sich zusammenschließen; – die Form der Allgemeinheit in Befriedigung des Bedürfnisses ist ein dauerndes Mittel und eine die Zukunft berücksichtigende und sichernde Vorsorge.

§ 435

Zweitens nach dem Unterschiede hat der Herr in dem Knechte und dessen Dienste die Anschauung des Geltens seines einzelnen Fürsichseins; und zwar vermittels der Aufhebung des unmittelbaren Fürsichseins, welche aber in einen anderen fällt. – Dieser, der Knecht, aber arbeitet sich im Dienste des Herrn seinen Einzel- und Eigenwillen ab, hebt die innere Unmittelbarkeit der Begierde auf und macht in dieser Entäußerung und der Furcht des Herrn den Anfang der Weisheit, – den Übergang zum allgemeinen Selbstbewußtsein.

Zusatz. Indem der Knecht für den Herrn, folglich nicht im ausschließlichen Interesse seiner eigenen Einzelheit arbeitet, so erhält seine Begierde die Breite, nicht nur die Begierde eines Diesen zu sein, sondern zugleich die eines anderen in sich zu enthalten. Demnach erhebt sich der Knecht über die selbstische Einzelheit seines natürlichen Willens und steht insofern, seinem Werte nach, höher als der in seiner Selbstsucht befangene, im Knechte nur seinen unmittelbaren Willen anschauende, von einem unfreien Bewußtsein 10/224 auf formelle Weise anerkannte Herr. Jene Unterwerfung der Selbstsucht des Knechtes bildet den Beginn der wahrhaften Freiheit des Menschen. Das Erzittern der Einzelheit des Willens, das Gefühl der Nichtigkeit der Selbstsucht, die Gewohnheit des Gehorsams ist ein notwendiges Moment in der Bildung jedes Menschen. Ohne diese den Eigenwillen brechende Zucht erfahren zu haben, wird niemand frei, vernünftig und zum Befehlen fähig. Um frei zu werden, um die Fähigkeit zur Selbstregierung zu erlangen, haben daher alle Völker erst durch die strenge Zucht der Unterwürfigkeit unter einen Herrn hindurchgehen müssen. So war es zum Beispiel notwendig, daß, nachdem Solon den Atheniensern demokratische, freie Gesetze gegeben hatte, Peisistratos sich eine Gewalt verschaffte, durch welche er die Athenienser zwang, jenen Gesetzen zu gehorchen. Erst als dieser Gehorsam Wurzel gefaßt hatte, wurde die Herrschaft der Peisistratiden überflüssig. So mußte auch Rom die strenge Regierung der Könige durchleben, bevor durch Brechung der natürlichen Selbstsucht jene bewunderungswürdige römische Tugend der zu allen Opfern bereiten Vaterlandsliebe entstehen konnte. – Die Knechtschaft und die Tyrannei sind also in der Geschichte der Völker eine notwendige Stufe und somit etwas beziehungsweise Berechtigtes. Denen, die Knechte bleiben, geschieht kein absolutes Unrecht; denn wer für die Erringung der Freiheit das Leben zu wagen den Mut nicht besitzt, der verdient, Sklave zu sein; und wenn dagegen ein Volk frei sein zu wollen sich nicht bloß einbildet, sondern wirklich den energischen Willen der Freiheit hat, wird keine menschliche Gewalt dasselbe in der Knechtschaft des bloß leidenden Regiertwerdens zurückzuhalten vermögen.
Jener knechtische Gehorsam bildet, wie gesagt, nur den Anfang der Freiheit, weil dasjenige, welchem sich dabei die natürliche Einzelheit des Selbstbewußtseins unterwirft nicht der an und für sich seiende, wahrhaft allgemeine, vernünftige Wille, sondern der einzelne, zufällige Wille eines anderen Subjektes ist. So tritt hier bloß das eine Moment der Freiheit, die Negativität der selbstsüchtigen Einzelheit, hervor; wogegen die positive Seite der Freiheit erst dann Wirklichkeit erhält, wenn einerseits das knechtische Selbstbewußtsein, ebensowohl von der Einzelheit des Herrn wie von seiner eigenen Einzelheit sich losmachend, das an und für sich Vernünftige in dessen von der Besonderheit der Subjekte unabhängigen Allgemeinheit erfaßt – und wenn andererseits das Selbstbewußtsein des Herrn durch die zwischen ihm und dem Knechte stattfindende Gemeinsamkeit des Bedürfnisses und der Sorge für die Befriedigung desselben sowie durch die Anschauung der ihm im Knechte gegenständlichen Aufhebung des unmittelbaren 10/225 einzelnen Willens dahin gebracht wird, diese Aufhebung auch in bezug auf ihn selber als das Wahrhafte zu erkennen und demnach seinen eigenen selbstischen Willen dem Gesetze des an und für sich seienden Willens zu unterwerfen.

γ. Das allgemeine Selbstbewußtsein
§ 436

Das allgemeine Selbstbewußtsein ist das affirmative Wissen seiner selbst im anderen Selbst, deren jedes als freie Einzelheit absolute Selbständigkeit hat, aber, vermöge der Negation seiner Unmittelbarkeit oder Begierde, sich nicht vom anderen unterscheidet, allgemeines [Selbstbewußtsein] und objektiv ist und die reelle Allgemeinheit als Gegenseitigkeit so hat, als es im freien anderen sich anerkannt weiß und dies weiß, insofern es das andere anerkennt und es frei weiß.

Dies allgemeine Wiedererscheinen des Selbstbewußtseins, der Begriff, der sich in seiner Objektivität als mit sich identische Subjektivität und darum allgemein weiß, ist die Form des Bewußtseins der Substanz jeder wesentlichen Geistigkeit, der Familie, des Vaterlandes, des Staats, sowie aller Tugenden, der Liebe, Freundschaft, Tapferkeit, der Ehre, des Ruhms. Aber dies Erscheinen des Substantiellen kann auch vom Substantiellen getrennt und für sich in gehaltleerer Ehre, eitlem Ruhm usf. festgehalten werden.

Zusatz. Das durch den Begriff des Geistes herbeigeführte Resultat des Kampfes um Anerkennung ist das die dritte Stufe in dieser Sphäre bildende allgemeine Selbstbewußtsein, d. h. dasjenige freie Selbstbewußtsein, für welches das ihm gegenständliche andere Selbstbewußtsein nicht mehr, wie auf der zweiten Stufe, ein unfreies, sondern ein gleichfalls selbständiges ist. Auf diesem Standpunkte haben sich also die aufeinander bezogenen selbstbewußten Subjekte durch Aufhebung ihrer ungleichen besonderen Einzelheit zu dem Bewußtsein ihrer reellen Allgemeinheit, ihrer allen zukommenden Freiheit und damit zur Anschauung ihrer bestimmten Identität miteinander erhoben. Der dem Knecht gegenüberstehende Herr war noch nicht wahrhaft frei, denn er schaute im anderen 10/226 noch nicht durchaus sich selber an. Erst durch das Freiwerden des Knechtes wird folglich auch der Herr vollkommen frei. In dem Zustande dieser allgemeinen Freiheit bin ich, indem ich in mich reflektiert bin, unmittelbar in den anderen reflektiert, und umgekehrt beziehe ich mich, indem ich mich auf den anderen beziehe, unmittelbar auf mich selber. Wir haben daher hier die gewaltige Diremtion des Geistes in verschiedene Selbste, die an und für sich und füreinander vollkommen frei, selbständig, absolut spröde, widerstandleistend – und doch zugleich miteinander identisch, somit nicht selbständig, nicht undurchdringlich, sondern gleichsam zusammengeflossen sind. Dies Verhältnis ist durchaus spekulativer Art; und wenn man meint, das Spekulative sei etwas Fernes und Unfaßbares, so braucht man nur den Inhalt jenes Verhältnisses zu betrachten, um sich von der Grundlosigkeit jener Meinung zu überzeugen. Das Spekulative oder Vernünftige und Wahre besteht in der Einheit des Begriffs oder des Subjektiven und der Objektivität. Diese Einheit ist auf dem fraglichen Standpunkt offenbar vorhanden. Sie bildet die Substanz der Sittlichkeit, namentlich der Familie, der geschlechtlichen Liebe (da hat jene Einheit die Form der Besonderheit), der Vaterlandsliebe, dieses Wollens der allgemeinen Zwecke und Interessen des Staats, der Liebe zu Gott, auch der Tapferkeit, wenn diese ein Daransetzen des Lebens an eine allgemeine Sache ist, und endlich auch der Ehre, falls dieselbe nicht die gleichgültige Einzelheit des Individuums, sondern etwas Substantielles, wahrhaft Allgemeines zu ihrem Inhalte hat.

§ 437

Diese Einheit des Bewußtseins und des Selbstbewußtseins enthält zunächst die Einzelnen als ineinander scheinende. Aber ihr Unterschied ist in dieser Identität die ganz unbestimmte Verschiedenheit oder vielmehr ein Unterschied, der keiner ist. Ihre Wahrheit ist daher die an und für sich seiende Allgemeinheit und Objektivität des Selbstbewußtseins, – die Vernunft.

Die Vernunft als die Idee (§ 213) erscheint hier in der Bestimmung, daß der Gegensatz des Begriffs und der Realität überhaupt, deren Einheit sie ist, hier die nähere Form des für sich existierenden Begriffs, des Bewußtseins und des demselben gegenüber äußerlich vorhandenen Objektes gehabt hat. 10/227

Zusatz. Was wir im vorigen Paragraphen das allgemeine Selbstbewußtsein genannt haben, das ist in seiner Wahrheit der Begriff der Vernunft, – der Begriff, insofern er nicht als bloß logische Idee, sondern als die zum Selbstbewußtsein entwickelte Idee existiert. Denn wie wir aus der Logik wissen, besteht die Idee in der Einheit des Subjektiven oder des Begriffs und der Objektivität. Als solche Einheit hat sich uns aber das allgemeine Selbstbewußtsein gezeigt, da wir gesehen haben, daß dasselbe, in seinem absoluten Unterschiede von seinem Anderen, doch zugleich absolut identisch mit demselben ist. Diese Identität der Subjektivität und der Objektivität macht die jetzt vom Selbstbewußtsein erreichte Allgemeinheit aus, welche über jene beiden Seiten oder Besonderheiten übergreift und in welche diese sich auflösen. Indem aber das Selbstbewußtsein zu dieser Allgemeinheit gelangt, hört es auf, Selbstbewußtsein im eigentlichen oder engeren Sinne des Wortes zu sein, weil zum Selbstbewußtsein als solchem gerade das Festhalten an der Besonderheit des Selbstes gehört. Durch das Aufgeben dieser Besonderheit wird das Selbstbewußtsein zur Vernunft. Der Name “Vernunft” hat an dieser Stelle nur den Sinn der zunächst noch abstrakten oder formellen Einheit des Selbstbewußtseins mit seinem Objekt. Diese Einheit begründet dasjenige, was man, im bestimmten Unterschiede von dem Wahrhaften, das bloß Richtige nennen muß. Richtig ist meine Vorstellung durch ihre bloße Übereinstimmung mit dem Gegenstande, auch wenn dieser seinem Begriffe äußerst wenig entspricht und somit fast gar keine Wahrheit hat. Erst wenn mir der wahrhafte Inhalt gegenständlich wird, erhält meine Intelligenz in konkretem Sinne die Bedeutung der Vernunft. In dieser Bedeutung wird die Vernunft am Schlusse der Entwicklung des theoretischen Geistes (§ 467) zu betrachten sein, wo wir, von einem weiter als bis jetzt entwickelten Gegensatze des Subjektiven und Objektiven herkommend, die Vernunft als die inhaltsvolle Einheit dieses Gegensatzes erkennen werden.

c. Die Vernunft
§ 438

Die an und für sich seiende Wahrheit, welche die Vernunft ist, ist die einfache Identität der Subjektivität des Begriffs und seiner Objektivität und Allgemeinheit. Die Allgemeinheit der Vernunft hat daher ebensosehr die Bedeutung des im Bewußtsein als solchem nur gegebenen, aber nun selbst allgemeinen, das Ich durchdringenden und befassenden Objekts, 10/228 als des reinen Ich, der über das Objekt übergreifenden und es in sich befassenden reinen Form.

§ 439

Das Selbstbewußtsein, so die Gewißheit, daß seine Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind, ist die Vernunft, welche als diese Identität nicht nur die absolute Substanz, sondern die Wahrheit als Wissen ist. Denn sie hat hier zur eigentümlichen Bestimmtheit, zur immanenten Form den für sich selbst existierenden reinen Begriff, Ich, die Gewißheit seiner selbst als unendliche Allgemeinheit. – Diese wissende Wahrheit ist der Geist.