§ 79
Das Logische hat der Form nach drei Seiten: α) die abstrakte oder verständige, β) die dialektische oder negativ-vernünftige, γ) die spekulative oder positiv-vernünftige.
Diese drei Seiten machen nicht drei Teile der Logik aus, sondern sind Momente jedes Logisch-Reellen, das ist jedes Begriffes oder jedes Wahren überhaupt. Sie können sämtlich unter das erste Moment, das Verständige, gesetzt und dadurch abgesondert auseinandergehalten werden, aber so werden sie nicht in ihrer Wahrheit betrachtet. – Die Angabe, die hier von den Bestimmungen des Logischen gemacht ist, sowie die Einteilung ist hier ebenfalls nur antizipiert und historisch.
§ 80
α) Das Denken als Verstand bleibt bei der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen andere stehen; ein solches beschränktes Abstraktes gilt ihm als für sich bestehend und seiend.
Zusatz. Wenn vom Denken überhaupt oder näher vom Begreifen die Rede ist, so pflegt man häufig dabei bloß die Tätigkeit des Verstandes vor Augen zu haben. Nun ist zwar allerdings das Denken zunächst verständiges Denken, allein dasselbe bleibt dabei nicht stehen, und der Begriff ist nicht bloße Verstandesbestimmung. – Die Tätigkeit des Verstandes besteht überhaupt darin, ihrem Inhalt die Form der Allgemeinheit zu erteilen, und zwar ist das durch den Verstand gesetzte Allgemeine ein abstrakt Allgemeines, welches als solches dem Besonderen gegenüber festgehalten, dadurch aber auch zugleich selbst wieder als Besonderes bestimmt wird. Indem der Verstand sich zu seinen Gegenständen trennend und abstrahierend verhält, so ist derselbe hiermit das Gegenteil von der unmittelbaren Anschauung und Empfindung, die es als solche durchweg mit Konkretem zu tun hat und dabei stehenbleibt.
Auf diesen Gegensatz des Verstandes und der Empfindung beziehen sich jene so oft wiederholten Vorwürfe, welche dem Denken überhaupt gemacht zu werden pflegen und welche darauf hinausgehen, daß das Denken hart und einseitig sei und daß dasselbe in seiner Konsequenz zu verderblichen und zerstörenden Resultaten führe. Auf solche Vorwürfe, insofern dieselben ihrem Inhalt nach berechtigt sind, ist zunächst zu erwidern, daß dadurch nicht das Denken überhaupt und näher das vernünftige, sondern nur das verständige Denken getroffen wird. Das Weitere ist dann aber, daß vor allen Dingen auch dem bloß verständigen Denken sein Recht und sein Verdienst zugestanden werden muß, welches überhaupt darin besteht, daß sowohl auf dem theoretischen als auch auf dem praktischen Gebiet es ohne Verstand zu keiner Festigkeit und Bestimmtheit kommt. Was hierbei zunächst das Erkennen anbetrifft, so beginnt dasselbe damit, die vorhandenen Gegenstände in ihren bestimmten Unterschieden aufzufassen, und es werden so z. B. bei Betrachtung der Natur Stoffe, Kräfte, Gattungen usw. unterschieden und in dieser ihrer Isolierung für sich fixiert. Das Denken verfährt hierbei als Verstand, und das Prinzip desselben ist die Identität, die einfache Beziehung auf sich. Diese Identität ist es dann auch, durch welche im Erkennen zunächst der Fortgang von der einen Bestimmung zur anderen bedingt wird. So ist namentlich in der Mathematik die Größe die Bestimmung, an welcher mit Hinweglassung aller anderen fortgegangen wird. Man vergleicht demgemäß in der Geometrie Figuren miteinander, indem man das Identische daran hervorhebt. Auch in anderen Gebieten des Erkennens, so z. B. in der Jurisprudenz, geht man zunächst an der Identität fort. Indem hier aus der einen Bestimmung auf eine andere Bestimmung geschlossen wird, so ist dies Schließen nicht anderes als ein Fortgang nach dem Prinzip der Identität. – Wie im Theoretischen, so ist auch im Praktischen der Verstand nicht zu entbehren. Zum Handeln gehört wesentlich Charakter, und ein Mensch von Charakter ist ein verständiger Mensch, der als solcher bestimmte Zwecke vor Augen hat und diese mit Festigkeit verfolgt. Wer etwas Großes will, der muß sich, wie Goethe sagt, zu beschränken wissen. Wer dagegen alles will, der will in der Tat nichts und bringt es zu nichts. Es gibt eine Menge interessante Dinge in der Welt; spanische Poesie, Chemie, Politik, Musik, d. ist alles sehr interessant, und man kann es keinem übel nehmen, der sich dafür interessiert; um aber als ein Individuum in einer bestimmten Lage etwas zustande zu bringen, muß man sich an etwas Bestimmtes halten und seine Kraft nicht nach vielen Seite hin zersplittern. Ebenso ist es bei jedem Beruf darum zu tun, daß derselbe mit Verstand verfolgt wird. So hat z. B. der Richter sich an das Gesetz zu halten, demselben gemäß sein Urteil zu fällen und sich nicht durch dieses und jenes abhalten, keine Entschuldigung gelten zu lassen, ohne rechts und links zu blicken. – Weiter ist nun überhaupt der Verstand ein wesentliches Moment der Bildung. Ein gebildeter Mensch begnügt sich nicht mit Nebulosem und Unbestimmtem, sondern faßt die Gegenstände in ihrer festen Bestimmtheit, wohingegen der Ungebildete unsicher hin und her schwankt und es oft viele Mühe kostet, sich mit einem solchen über das, wovon die Rede ist, zu verständigen und ihn dazu zu bringen. den bestimmten Punkt, um den es sich handelt, unverrückt im Auge zu behalten.
Während nun ferner, früherer Erörterung zufolge, das Logische überhaupt nicht bloß in dem Sinn einer subjektiven Tätigkeit, sondern vielmehr als das schlechthin Allgemeine und hiermit zugleich Objektive aufzufassen ist, so findet dies auch auf den Verstand, diese erste Form des Logischen, seine Anwendung. Der Verstand ist hiernach als demjenigen entsprechend zu betrachten, was man die Güte Gottes nennt, insofern darunter dies verstanden wird, daß die endlichen Dinge sind, daß sie ein Bestehen haben. So erkennt man z. B. in der Natur die Güte Gottes darin, daß die verschiedenen Klassen und Gattungen, sowohl der Tiere als auch der Pflanzen, mit allem versehen sind, dessen sie bedürfen, um sich zu erhalten und zu gedeihen. Ebenso verhält es sich dann auch mit dem Menschen, mit den Individuen und mit ganzen Völkern, welche gleichfalls das zu ihrem Bestand und zu ihrer Entwicklung Erforderliche teils als ein unmittelbar Vorhandenes (wie z. B. Klima, Beschaffenheit und Produkte des Landes usw.) vorfinden, teils als Anlage, Talent usw. besitzen. In solcher Weise aufgefaßt, zeigt sich nun überhaupt der Verstand in allen Gebieten der gegenständlichen Welt, und es gehört wesentlich zur Vollkommenheit eines Gegenstandes, daß in demselben das Prinzip des Verstandes zu seinem Recht kommt. So ist z. B. der Staat unvollkommen, wenn es in demselben noch nicht zu einer bestimmten Unterscheidung der Stände und Berufe gekommen ist und wenn die dem Begriffe nach verschiedenen politischen und obrigkeitlichen Funktionen noch nicht in derselben Weise zu besonderen Organen herausgebildet sind, wie dies z. B. in dem entwickelten animalischen Organismus mit den verschiedenen Funktionen der Empfindung, der Bewegung, der Verdauung usw. der Fall ist. – Aus der bisherigen Erörterung ist nun ferner zu entnehmen, daß auch in solchen Gebieten und Sphären der Betätigung, die nach der gewöhnlichen Vorstellung dem Verstand am fernsten zu liegen scheinen, dieser gleichwohl nicht fehlen darf und daß in dem Maße, als dies der Fall ist, solches als ein Mangel betrachtet werden muß. Dies gilt namentlich von der Kunst, von der Religion und von der Philosophie. So zeigt sich z. B. in der Kunst der Verstand darin, daß die dem Begriff nach verschiedenen Formen des Schönen auch in diesem ihrem Unterschied festgehalten und zur Darstellung gebracht werden. Dasselbe gilt dann auch von den einzelnen Kunstwerken. Es gehört demgemäß zur Schönheit und Vollendung einer dramatischen Dichtung, daß die Charaktere der verschiedenen Personen in ihrer Reinheit und Bestimmtheit durchgeführt, und ebenso, daß die verschiedenen Zwecke und Interessen, um die es sich handelt, klar und entschieden dargelegt werden. – Was hiernächst das religiöse Gebiet anbetrifft, so besteht z. B. (abgesehen von der sonstigen Verschiedenheit des Inhalts und der Auffassung) der Vorzug der griechischen vor der nordischen Mythologie wesentlich auch darin, daß in der ersteren die einzelnen Göttergestalten zur plastischen Bestimmtheit herausgebildet sind, während dieselben in der letzteren im Nebel trüber Unbestimmtheit durcheinanderfließen. – Daß endlich auch die Philosophie den Verstand nicht zu entbehren vermag, bedarf nach der bisherigen Erörterung kaum noch einer besonderen Erwähnung. Zum Philosophieren gehört vor allen Dingen, daß ein jeder Gedanke in seiner vollen Präzision aufgefaßt wird und daß man es nicht bei Vagem und Unbestimmtem bewenden läßt.
Ferner pflegt nun aber auch gesagt zu werden, der Verstand dürfe nicht zu weit gehen, und darin liegt das Richtige, daß das Verständige allerdings nicht ein Letztes, sondern vielmehr endlich und näher von der Art ist, daß dasselbe auf die Spitze getrieben in sein Entgegengesetztes umschlägt. Es ist die Weise der Jugend, sich in Abstraktionen herumzuwerfen, wohingegen der lebenserfahrene Mensch sich auf das abstrakte Entweder-Oder nicht einläßt, sondern sich an das Konkrete hält.
§ 81
β) Das dialektische Moment ist das eigene Sichaufheben solcher endlichen Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzten.
1. Das Dialektische, vom Verstande für sich abgesondert genommen, macht, insbesondere in wissenschaftlichen Begriffen aufgezeigt, den Skeptizismus aus; er enthält die bloße Negation als Resultat des Dialektischen. 2. Die Dialektik wird gewöhnlich als eine äußere Kunst betrachtet, welche durch Willkür eine Verwirrung in bestimmten Begriffen und einen bloßen Schein von Widersprüchen in ihnen hervorbringt, so daß nicht diese Bestimmungen, sondern dieser Schein ein Nichtiges und das Verständige dagegen vielmehr das Wahre sei. Oft ist die Dialektik auch weiter nichts als ein subjektives Schaukelsystem von hin- und herübergehendem Räsonnement, wo der Gehalt fehlt und die Blöße durch solchen Scharfsinn bedeckt wird, der solches Räsonnement erzeugt. – In ihrer eigentümlichen Bestimmtheit ist die Dialektik vielmehr die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt. Die Reflexion ist zunächst das Hinausgehen über die isolierte Bestimmtheit und ein Beziehen derselben, wodurch diese in Verhältnis gesetzt, übrigens in ihrem isolierten Gelten erhalten wird. Die Dialektik dagegen ist dies immanente Hinausgehen, worin die Einseitigkeit und Beschränktheit der Verstandesbestimmungen sich als das, was sie ist, nämlich als ihre Negation darstellt. Alles Endliche ist dies, sich selbst aufzuheben. Das Dialektische macht daher die bewegende Seele des wissenschaftlichen Fortgehens aus und ist das Prinzip, wodurch allein immanenter Zusammenhang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissenschaft kommt, so wie in ihm überhaupt die wahrhafte, nicht äußerliche Erhebung über das Endliche liegt.
Zusatz 1. Das Dialektische gehörig aufzufassen und zu erkennen ist von der höchsten Wichtigkeit. Es ist dasselbe überhaupt das Prinzip aller Bewegung, alles Lebens und aller Betätigung in der Wirklichkeit. Ebenso ist das Dialektische auch die Seele alles wahrhaft wissenschaftlichen Erkennens. In unserem gewöhnlichen Bewußtsein erscheint das Nicht-Stehenbleiben bei den abstrakten Verstandesbestimmungen als bloße Billigkeit, nach dem Sprichwort: „leben und leben lassen“, so daß das eine gilt und auch das andere. Das Nähere aber ist, daß das Endliche nicht bloß von außen her beschränkt wird, sondern durch seine eigene Natur sich aufhebt und durch sich selbst in sein Gegenteil übergeht. So sagt man z. B.: der Mensch ist sterblich, und betrachtet dann das Sterben als etwas, das nur in äußeren Umständen seinen Grund hat, nach welcher Betrachtungsweise es zwei besondere Eigenschaften des Menschen sind, lebendig und auch sterblich zu sein. Die wahrhafte Auffassung aber ist diese, daß das Leben als solches den Keim des Todes in sich trägt und daß überhaupt das Endliche sich in sich selbst widerspricht und dadurch sich aufhebt. – Die Dialektik ist nun ferner nicht mit der bloßen Sophistik zu verwechseln, deren Wesen gerade darin besteht, einseitige und abstrakte Bestimmungen in ihrer Isolierung für sich geltend zu machen, je nachdem solches das jedesmalige Interesse des Individuums und seiner besonderen Lage mit sich bringt. So ist es z. B. in Beziehung auf das Handeln ein wesentliches Moment, daß ich existiere und daß ich die Mittel zur Existenz habe. Wenn ich dann aber diese Seite, dieses Prinzip meines Wohles für sich heraushebe und die Folge daraus ableite, daß ich stehlen oder daß ich mein Vaterland verraten darf, so ist dies eine Sophisterei. – Ebenso ist in meinem Handeln meine subjektive Freiheit in dem Sinn, daß bei dem, was ich tue, ich mit meiner Einsicht und Überzeugung bin, ein wesentliches Prinzip. Räsoniere ich aber aus diesem Prinzip allein, so ist dies gleichfalls Sophisterei und werden damit alle Grundsätze der Sittlichkeit über den Haufen geworfen. – Die Dialektik ist von solchem Tun wesentlich verschieden, denn diese geht gerade darauf aus, die Dinge an und für sich zu betrachten wobei sich sodann die Endlichkeit der einseitigen Verstandesbestimmungen ergibt. – Übrigens ist die Dialektik in der Philosophie nichts Neues. Unter den Alten wird Platon als der Erfinder der Dialektik genannt, und zwar insofern mit Recht, als in der Platonischen Philosophie die Dialektik zuerst in freier wissenschaftlicher und damit zugleich objektiver Form vorkommt. Bei Sokrates hat das Dialektische, in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Charakter seines Philosophierens, noch eine vorherrschend subjektive Gestalt, nämlich die der Ironie. Sokrates richtete seine Dialektik einmal gegen das gewöhnliche Bewußtsein überhaupt und sodann insbesondere gegen die Sophisten. Bei seinen Unterredungen pflegte er dann den Schein anzunehmen, als wolle er sich näher über die Sache, von welcher die Rede war, unterrichten; er tat in dieser Beziehung allerhand Fragen und führte so die, mit denen er sich unterredete, auf das Entgegengesetzte von dem, was ihnen zunächst als das Richtige erschienen war. Wenn z. B. die Sophisten sich Lehrer nannten, so brachte Sokrates durch eine Reihe von Fragen den Sophisten Protagoras dahin, zugeben zu müssen, daß alles Lernen bloß Erinnerung sei. – Platon zeigt dann in seinen strengen wissenschaftlichen Dialogen durch die dialektische Behandlung überhaupt die Endlichkeit aller festen Verstandesbestimmungen. So leitet er z. B. im Parmenides vom Einen das Viele ab und zeigt demungeachtet, wie das Viele nur dies ist, sich als das Eine zu bestimmen. In solcher großen Weise hat Platon die Dialektik behandelt. – In der neueren Zeit ist es vornehmlich Kant gewesen, der die Dialektik wieder in Erinnerung gebracht und dieselbe aufs neue in ihre Würde eingesetzt hat und zwar durch die bereits (§ 48) besprochene Durchführung der sogenannten Antinomien der Vernunft, bei denen es sich keineswegs um ein bloßes Hinundhergehen an Gründen und um ein bloß subjektives Tun, sondern vielmehr darum handelt, aufzuzeigen, wie eine jede abstrakte Verstandesbestimmung, nur so genommen, wie sie sich selbst gibt, unmittelbar in ihr Entgegengesetztes umschlägt. – Wie sehr nun auch der Verstand sich gegen die Dialektik zu sträuben pflegt, so ist dieselbe doch gleichwohl keineswegs als bloß für das philosophische Bewußtsein vorhanden zu betrachten, sondern es findet sich vielmehr dasjenige, um was es sich hierbei handelt, auch schon in allem sonstigen Bewußtsein und in der allgemeinen Erfahrung. Alles, was uns umgibt, kann als ein Beispiel des Dialektischen betrachtet werden. Wir wissen, daß alles Endliche, anstatt ein Festes und Letztes zu sein, vielmehr veränderlich und vergänglich ist, und dies ist nichts anderes als die Dialektik des Endlichen, wodurch dasselbe, als an sich das Andere seiner selbst, auch über das, was es unmittelbar ist, hinausgetrieben wird und in sein Entgegengesetztes umschlägt. Wenn früher (§ 80) gesagt wurde, der Verstand sei als dasjenige zu betrachten, was in der Vorstellung von der Güte Gottes enthalten ist, so ist nunmehr von der Dialektik in demselben (objektiven) Sinn zu bemerken, daß das Prinzip derselben der Vorstellung von der Macht Gottes entspricht. Wir sagen, daß alle Dinge (d. h. alles Endliche als solches) zu Gericht gehen, und haben hiermit die Anschauung der Dialektik als der allgemeinen unwiderstehlichen Macht, vor welcher nichts, wie sicher und fest dasselbe sich auch dünken möge, zu bestehen vermag. Mit dieser Bestimmung ist dann allerdings die Tiefe des göttlichen Wesens, der Begriff Gottes noch nicht erschöpft; wohl aber bildet dieselbe ein wesentliches Moment in allem religiösen Bewußtsein. – Weiter macht sich nun auch die Dialektik in allen besonderen Gebieten und Gestaltungen der natürlichen und der geistigen Welt geltend. So z. B. in der Bewegung der Himmelskörper. Ein Planet steht jetzt an diesem Ort, ist aber an sich, dies auch an einem anderen Ort zu sein, und bringt dies sein Anderssein zur Existenz dadurch, daß er sich bewegt. Ebenso erweisen sich die physikalischen Elemente als dialektisch, und der meteorologische Prozeß ist die Erscheinung ihrer Dialektik. Dasselbe Prinzip ist es, welches die Grundlage aller übrigen Naturprozesse bildet und wodurch zugleich die Natur über sich selbst hinausgetrieben wird. Was das Vorkommen der Dialektik in der geistigen Welt und näher auf dem Gebiet des Rechtlichen und Sittlichen anbetrifft, so braucht hier nur daran erinnert zu werden, wie, allgemeiner Erfahrung zufolge, das Äußerste eines Zustandes oder eines Tuns in sein Entgegengesetztes umzuschlagen pflegt, welche Dialektik dann auch vielfältig in Sprichwörtern ihre Anerkennung findet. So heißt es z. B.: summum ius summa iniuria, womit ausgesprochen ist, daß das abstrakte Recht, auf seine Spitze getrieben, in Unrecht umschlägt. Ebenso ist es bekannt, wie im Politischen die Extreme der Anarchie und des Despotismus einander gegenseitig herbeizuführen pflegen. Das Bewußtsein der Dialektik im Gebiet des Sittlichen in seiner individuellen Gestalt finden wir in jenen allbekannten Sprichwörtern: Hochmut kommt vor dem Fall, Allzuscharf macht schartig usw. – Auch die Empfindung, die leibliche sowohl als die geistige, hat ihre Dialektik. Es ist bekannt, wie die Extreme des Schmerzes und der Freude ineinander übergehen; das von Freude erfüllte Herz erleichtert sich in Tränen, und die innigste Wehmut pflegt unter Umständen sich durch Lächeln anzukündigen.
Zusatz 2. Der Skeptizismus darf nicht bloß als eine Zweifelslehre betrachtet werden, vielmehr ist derselbe seiner Sache, d. h. der Nichtigkeit alles Endlichen, schlechthin gewiß. Wer nur zweifelt, der steht noch in der Hoffnung, daß sein Zweifel gelöst werden könne und daß das eine oder das andere Bestimmte, wozwischen er hin und her schwankt, sich als ein Festes und Wahrhaftes ergeben werde. Dahingegen ist der eigentliche Skeptizismus die vollkommene Verzweiflung an allem Festen des Verstandes, und die sich daraus ergebende Gesinnung ist die der Unerschütterlichkeit und des Insichberuhens. Dies ist der hohe, antike Skeptizismus, wie wir ihn namentlich beim Sextus Empiricus dargestellt finden und wie derselbe als Komplement zu den dogmatischen Systemen der Stoiker und Epikureer in der späteren Römerzeit seine Ausbildung erhalten hat. Mit diesem hohen antiken Skeptizismus ist nicht jener bereits früher (§ 39) erwähnte moderne, teils der kritischen Philosophie voran-, teils aus dieser hervorgegangene Skeptizismus zu verwechseln, welcher bloß darin besteht, die Wahrheit und Gewißheit des Übersinnlichen zu leugnen und dagegen das Sinnliche und in der unmittelbaren Empfindung Vorhandene als dasjenige zu bezeichnen, woran wir uns zu halten haben.
Wenn übrigens der Skeptizismus noch heutzutage häufig als ein unwiderstehlicher Feind alles positiven Wissens überhaupt und somit auch der Philosophie, insofern es bei dieser um positive Erkenntnis zu tun ist, betrachtet wird, so ist dagegen zu bemerken, daß es in der Tat bloß das endliche, abstrakt verständige Denken ist, welches den Skeptizismus zu fürchten hat und demselben nicht zu widerstehen vermag, wohingegen die Philosophie das Skeptische als ein Moment in sich enthält, nämlich als das Dialektische. Die Philosophie bleibt dann aber bei dem bloß negativen Resultat der Dialektik nicht stehen, wie dies mit dem Skeptizismus der Fall ist. Dieser verkennt sein Resultat, indem er dasselbe als bloße, d. h. als abstrakte Negation festhält. Indem die Dialektik zu ihrem Resultat das Negative hat, so ist dieses, eben als Resultat, zugleich das Positive, denn es enthält dasjenige, woraus es resultiert, als aufgehoben in sich und ist nicht ohne dasselbe. Die aber ist die Grundbestimmung der dritten Form des Logischen, nämlich des Spekulativen oder Positiv-Vernünftigen.
§ 82
γ) Das Spekulative oder Positiv-Vernünftige faßt die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und ihrem Übergehen enthalten ist.
1. Die Dialektik hat ein positives Resultat, weil sie einen bestimmten Inhalt hat oder weil ihr Resultat wahrhaft nicht das leere, abstrakte Nichts, sondern die Negation von gewissen Bestimmungen ist, welche im Resultate eben deswegen enthalten sind, weil dies nicht ein unmittelbares Nichts, sondern ein Resultat ist. 2. Dies Vernünftige ist daher, obwohl ein Gedachtes, auch Abstraktes, zugleich ein Konkretes, weil es nicht einfache, formelle Einheit, sondern Einheit unterschiedener Bestimmungen ist. Mit bloßen Abstraktionen oder formellen Gedanken hat es darum überhaupt die Philosophie ganz und gar nicht zu tun, sondern allein mit konkreten Gedanken. 3. In der spekulativen Logik ist die bloße Verstandes-Logik enthalten und kann aus jener sogleich gemacht werden; es bedarf dazu nichts, als daraus das Dialektische und Vernünftige wegzulassen; so wird sie zu dem, was die gewöhnliche Logik ist, eine Historie von mancherlei zusammengestellten Gedankenbestimmungen, die in ihrer Endlichkeit als etwas Unendliches gelten.
Zusatz. Seinem Inhalt nach ist das Vernünftige so wenig bloß Eigentum der Philosophie, daß vielmehr gesagt werden muß, dasselbe sei für alle Menschen vorhanden, auf welcher Stufe der Bildung und der geistigen Entwicklung sie sich auch befinden mögen, in welchem Sinn man mit Recht den Menschen von alters her als ein vernünftiges Wesen bezeichnet hat. Die empirisch allgemeine Weise, vom Vernünftigen zu wissen, ist zunächst die des Vorurteils und der Voraussetzung, und der Charakter des Vernünftigen ist, früherer Erörterung zufolge (§ 45), überhaupt der, ein Unbedingtes und somit seine Bestimmtheit in sich selbst Enthaltendes zu sein. In diesem Sinn weiß vor allen Dingen der Mensch vom Vernünftigen, insofern er von Gott und diesen als den schlechthin durch sich selbst Bestimmten weiß. Ebenso ist dann ferner das Wissen eines Bürgers von seinem Vaterland und dessen Gesetzen insofern ein Wissen von Vernünftigem, als ihm diese als ein Unbedingtes und zugleich als ein Allgemeines gelten, dem er sich mit seinem individuellen Willen zu unterwerfen hat, und in demselben Sinn ist selbst schon das Wissen und Wollen des Kindes vernünftig, indem dasselbe den Willen seiner Eltern weiß und diesen will.
Weiter ist nun das Spekulative überhaupt nichts anderes als das Vernünftige (und zwar das Positiv-Vernünftige), insofern dasselbe gedacht wird. Im gemeinen Leben pflegt der Ausdruck Spekulation in einem sehr vagen und zugleich untergeordneten Sinn gebraucht zu werden, so z. B., wenn von Heirats- oder Handelsspekulationen die Rede ist, worunter dann nur so viel verstanden wird, einerseits daß über das unmittelbar Vorhandene hinausgegangen werden soll und andererseits daß dasjenige, was den Inhalt solch Spekulationen bildet, zunächst nur ein Subjektives ist, jedoch nicht ein solches bleiben, sondern realisiert oder in Objektivität übersetzt werden soll.
Es gilt von diesem gemeinen Sprachgebrauch hinsichtlich der Spekulationen dasselbe, was früher von der Idee bemerkt wurde, woran sich dann noch die weitere Bemerkung schließt, daß vielfältig von solchen, die sich schon zu den Gebildeteren rechnen, von der Spekulation auch ausdrücklich in der Bedeutung eines bloß Subjektiven gesprochen wird, in der Art nämlich, daß es heißt, eine gewisse Auffassung natürlicher oder geistiger Zustände und Verhältnisse möge zwar, bloß spekulativ genommen, sehr schön und richtig sein, allein die Erfahrung stimme damit nicht überein, und in der Wirklichkeit könne dergleichen nicht zugelassen werden. Dagegen ist dann zu sagen, daß das Spekulative seiner wahren Bedeutung nach weder vorläufig noch auch definitiv ein bloß Subjektives ist, sondern vielmehr ausdrücklich dasjenige, welches jene Gegensätze, bei denen der Verstand stehenbleibt (somit auch den des Subjektiven und Objektiven), als aufgehoben in sich enthält und eben damit sich als konkret und als Totalität erweist. Ein spekulativer Inhalt kann deshalb auch nicht in einem einseitigen Satz ausgesprochen werden. Sagen wir z. B., das Absolute sei die Einheit des Subjektiven und des Objektiven, so ist dies zwar richtig, jedoch insofern einseitig, als hier nur die Einheit ausgesprochen und auf diese der Akzent gelegt wird, während doch in der Tat das Subjektive und das Objektive nicht nur identisch, sondern auch unterschieden sind.
Hinsichtlich der Bedeutung des Spekulativen ist hier noch zu erwähnen, daß man darunter dasselbe zu verstehen hat, was früher, zumal in Beziehung auf das religiöse Bewußtsein und dessen Inhalt, als das Mystische bezeichnet zu werden pflegte. Wenn heutzutage vom Mystischen die Rede ist, so gilt dies in der Regel als gleichbedeutend mit dem Geheimnisvollen und Unbegreiflichen, und dies Geheimnisvolle und Unbegreifliche wird dann, je nach Verschiedenheit der sonstigen Bildung und Sinnesweise, von den einen als das Eigentliche und Wahrhafte, von den anderen aber als das dem Aberglauben und der Täuschung Angehörige betrachtet. Hierüber ist zunächst zu bemerken, daß das Mystische allerdings ein Geheimnisvolles ist, jedoch nur für den Verstand, und zwar einfach um deswillen, weil die abstrakte Identität das Prinzip des Verstandes, das Mystische aber (als gleichbedeutend mit dem Spekulativen) die konkrete Einheit derjenigen Bestimmungen ist, welche dem Verstand nur in ihrer Trennung und Entgegensetzung für wahr gelten. Wenn dann diejenigen, welche das Mystische als das Wahrhafte anerkennen, es gleichfalls dabei bewenden lassen, daß dasselbe ein schlechthin Geheimnisvolles sei, so wird damit ihrerseits nur ausgesprochen, daß das Denken für sie gleichfalls nur die Bedeutung des abstrakten Identischsetzens hat und daß man um deswillen, um zur Wahrheit zu gelangen, auf das Denken verzichten oder, wie auch gesagt zu werden pflegt, daß man die Vernunft gefangennehmen müsse. Nun aber ist, wie wir gesehen haben, das abstrakt verständige Denken so wenig ein Festes und Letztes, daß dasselbe sich vielmehr als das beständige Aufheben seiner selbst und als das Umschlagen in sein Entgegengesetztes erweist, wohingegen das Vernünftige als solches gerade darin besteht, die Entgegengesetzten als ideelle Momente in sich zu enthalten. Alles Vernünftige ist somit zugleich als mystisch zu bezeichnen, womit jedoch nur so viel gesagt ist, daß dasselbe über den Verstand hinausgeht, und keineswegs, daß dasselbe überhaupt als dem Denken unzugänglich und unbegreiflich zu betrachten sei.