Die Wissenschaft der Logik – Erstes Kapitel: Sein
A. Sein
Sein, reines Sein, – ohne alle weitere Bestimmung. In seiner unbestimmten Unmittelbarkeit ist es nur sich selbst gleich und auch nicht ungleich gegen Anderes, hat keine Verschiedenheit innerhalb seiner noch nach außen. Durch irgendeine Bestimmung oder Inhalt, der in ihm unterschieden oder wodurch es als unterschieden von einem Anderen gesetzt würde, würde es nicht in seiner Reinheit festgehalten. Es ist die reine Unbestimmtheit und Leere. – Es ist nichts in ihm anzuschauen, wenn von Anschauen hier gesprochen werden kann; oder es ist nur dies reine, leere Anschauen selbst. Es ist ebensowenig etwas in ihm zu denken, oder es ist ebenso nur dies leere Denken. Das Sein, das unbestimmte Unmittelbare ist in der Tat Nichts und nicht mehr noch weniger als Nichts.
B. Nichts
Nichts, das reine Nichts; es ist einfache Gleichheit mit sich selbst, vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit; Ununterschiedenheit in ihm selbst. – Insofern Anschauen oder Denken hier erwähnt werden kann, so gilt es als ein Unterschied, ob etwas oder nichts angeschaut oder gedacht wird. Nichts Anschauen oder Denken hat also eine Bedeutung; beide werden unterschieden, so ist (existiert) Nichts in unserem Anschauen oder Denken; oder vielmehr ist es das leere Anschauen und Denken selbst und dasselbe leere Anschauen oder Denken als das reine Sein. – Nichts ist somit dieselbe Bestimmung oder vielmehr Bestimmungslosigkeit und damit überhaupt dasselbe, was das reine Sein ist.
C. Werden
a. Einheit des Seins und Nichts
Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. Was die Wahrheit ist, ist weder das Sein noch das Nichts, sondern daß das Sein in Nichts und das Nichts in Sein – nicht übergeht, sondern übergegangen ist. Aber ebensosehr ist die Wahrheit nicht ihre Ununterschiedenheit, sondern daß sie nicht dasselbe, daß sie absolut unterschieden, aber ebenso ungetrennt und untrennbar sind und unmittelbar jedes in seinem Gegenteil verschwindet. Ihre Wahrheit ist also diese Bewegung des unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen: das Werden; eine Bewegung, worin beide unterschieden sind, aber durch einen Unterschied, der sich ebenso unmittelbar aufgelöst hat.
Anmerkung 1
Nichts pflegt dem Etwas entgegengesetzt zu werden; Etwas aber ist schon ein bestimmtes Seiendes, das sich von anderem Etwas unterscheidet; so ist also auch das dem Etwas entgegengesetzte Nichts, das Nichts von irgend Etwas, ein bestimmtes Nichts. Hier aber ist das Nichts in seiner unbestimmten Einfachheit zu nehmen. – Wollte man es für richtiger halten, daß statt des Nichts dem Sein das Nichtsein entgegengesetzt würde, so wäre in Rücksicht auf das Resultat nichts dawider zu haben, denn im Nichtsein ist die Beziehung auf das Sein enthalten; es ist beides, Sein und die Negation desselben, in einem ausgesprochen, das Nichts, wie es im Werden ist. Aber es ist zunächst nicht um die Form der Entgegensetzung, d. i. zugleich der Beziehung zu tun, sondern um die abstrakte, unmittelbare Negation, das Nichts rein für sich, die beziehungslose Verneinung, – was man, wenn man will, auch durch das bloße Nicht ausdrücken könnte.
Den einfachen Gedanken des reinen Seins haben die Eleaten zuerst, vorzüglich Parmenides als das Absolute und als einzige Wahrheit, und, in den übergebliebenen Fragmenten von ihm, mit der reinen Begeisterung des Denkens, das zum ersten Male sich in seiner absoluten Abstraktion erfaßt, ausgesprochen: nur das Sein ist, und das Nichts ist gar nicht. – In orientalischen Systemen, wesentlich im Buddhismus, ist bekanntlich das Nichts, das Leere, das absolute Prinzip. – Der tiefsinnige Heraklit hob gegen jene einfache und einseitige Abstraktion den höheren totalen Begriff des Werdens hervor und sagte: das Sein ist sowenig als das Nichts, oder auch: Alles fließt, das heißt: Alles ist Werden. – Die populären, besonders orientalischen Sprüche, daß alles, was ist, den Keim seines Vergehens in seiner Geburt selbst habe, der Tod umgekehrt der Eingang in neues Leben sei, drücken im Grunde dieselbe Einigung des Seins und Nichts aus. Aber diese Ausdrücke haben ein Substrat, an dem der Übergang geschieht; Sein und Nichts werden in der Zeit auseinandergehalten, als in ihr abwechselnd vorgestellt, nicht aber in ihrer Abstraktion gedacht, und daher auch nicht so, daß sie an und für sich dasselbe sind.
„Ex nihilo nihil fit“ ist einer der Sätze, denen in der Metaphysik große Bedeutung zugeschrieben wurde. Es ist darin entweder nur die gehaltlose Tautologie zu sehen: Nichts ist Nichts; oder wenn das Werden wirkliche Bedeutung darin haben sollte, so ist vielmehr, indem nur Nichts aus Nichts wird, in der Tat kein Werden darin vorhanden, denn Nichts bleibt darin Nichts. Das Werden enthält, daß Nichts nicht Nichts bleibe, sondern in sein Anderes, in das Sein übergehe. – Wenn die spätere, vornehmlich christliche Metaphysik den Satz, aus Nichts werde Nichts, verwarf, so behauptete sie einen Übergang von Nichts in Sein; so synthetisch oder bloß vorstellend sie auch diesen Satz nahm, so ist doch auch in der unvollkommensten Vereinigung ein Punkt enthalten, worin Sein und Nichts zusammentreffen und ihre Unterschiedenheit verschwindet. – Seine eigentliche Wichtigkeit hat der Satz „Aus Nichts wird Nichts, Nichts ist eben Nichts“ durch seinen Gegensatz gegen das Werden überhaupt und damit auch gegen die Erschaffung der Welt aus Nichts. Diejenigen, welche den Satz „Nichts ist eben Nichts“, sogar sich dafür ereifernd, behaupten, sind bewußtlos darüber, daß sie damit dem abstrakten Pantheismus der Eleaten, der Sache nach auch dem spinozistischen, beipflichten. Die philosophische Ansicht, welcher „Sein ist nur Sein, Nichts ist nur Nichts“ als Prinzip gilt, verdient den Namen Identitätssystem; diese abstrakte Identität ist das Wesen des Pantheismus.
Wenn das Resultat, daß Sein und Nichts dasselbe ist, für sich auffällt oder paradox scheint, so ist hierauf nicht weiter zu achten; es wäre sich vielmehr über jene Verwunderung zu verwundern, die sich so neu in der Philosophie zeigt und vergißt, daß in dieser Wissenschaft ganz andere Bestimmungen vorkommen als im gewöhnlichen Bewußtsein und im sogenannten gemeinen Menschenverstande, der nicht gerade der gesunde, sondern auch der zu Abstraktionen und zu dem Glauben oder vielmehr Aberglauben an Abstraktionen heraufgebildete Verstand ist. Es wäre nicht schwer, diese Einheit von Sein und Nichts in jedem Beispiele, in jedem Wirklichen oder Gedanken aufzuzeigen. Es muß dasselbe, was oben von der Unmittelbarkeit und Vermittlung (welche letztere eine Beziehung aufeinander, damit Negation enthält), vom Sein und Nichts gesagt werden, daß es nirgend im Himmel und auf Erden etwas gebe, was nicht beides, Sein und Nichts, in sich enthielte. Freilich, da hierbei von einem irgend Etwas und Wirklichem die Rede wird, so sind darin jene Bestimmungen nicht mehr in der vollkommenen Unwahrheit, in der sie als Sein und Nichts sind, vorhanden, sondern in einer weiteren Bestimmung, und werden z. B. als Positives und Negatives aufgefaßt, jenes das gesetzte, reflektierte Sein, dieses das gesetzte, reflektierte Nichts; aber Positives und Negatives enthalten jenes das Sein, dieses das Nichts als ihre abstrakte Grundlage. – So in Gott selbst enthält die Qualität, Tätigkeit, Schöpfung, Macht usf. wesentlich die Bestimmung des Negativen, – sie sind ein Hervorbringen eines Anderen. Aber eine empirische Erläuterung von jener Behauptung durch Beispiele wäre hier ganz und gar überflüssig. Da nunmehr diese Einheit von Sein und Nichts als erste Wahrheit ein für allemal zugrunde liegt und das Element von allem Folgenden ausmacht, so sind außer dem Werden selbst alle ferneren logischen Bestimmungen: Dasein, Qualität, überhaupt alle Begriffe der Philosophie, Beispiele dieser Einheit. – Aber der sich so nennende gemeine oder gesunde Menschenverstand mag auf den Versuch hingewiesen werden, insofern er die Ungetrenntheit des Seins und Nichts verwirft, sich ein Beispiel ausfindig zu machen, worin eins vom anderen (Etwas von Grenze, Schranke, oder das Unendliche, Gott, wie soeben erwähnt, von Tätigkeit) getrennt zu finden sei. Nur die leeren Gedankendinge, Sein und Nichts selbst sind diese Getrennten, und sie sind es, die der Wahrheit, der Ungetrenntheit beider, die allenthalben vor uns ist, von jenem Verstande vorgezogen werden.
Man kann nicht die Absicht haben wollen, den Verwirrungen, in welche sich das gewöhnliche Bewußtsein bei einem solchen logischen Satze versetzt, nach allen Seiten hin begegnen zu wollen, denn sie sind unerschöpflich. Es können nur einige erwähnt werden. Ein Grund solcher Verwirrungen ist unter anderen, daß das Bewußtsein zu solchem abstrakten logischen Satze Vorstellungen von einem konkreten Etwas mitbringt und vergißt, daß von einem solchen nicht die Rede ist, sondern nur von den reinen Abstraktionen des Seins und Nichts, und daß diese allein festzuhalten sind.
Sein und Nichtsein ist dasselbe; also ist es dasselbe, ob ich bin oder nicht bin, ob dieses Haus ist oder nicht ist, ob diese hundert Taler in meinem Vermögenszustand sind oder nicht. – Dieser Schluß oder Anwendung jenes Satzes verändert dessen Sinn vollkommen. Der Satz enthält die reinen Abstraktionen des Seins und Nichts; die Anwendung aber macht ein bestimmtes Sein und bestimmtes Nichts daraus. Allein vom bestimmten Sein ist, wie gesagt, hier nicht die Rede. Ein bestimmtes, ein endliches Sein ist ein solches, das sich auf anderes bezieht; es ist ein Inhalt, der im Verhältnisse der Notwendigkeit mit anderem Inhalte, mit der ganzen Welt steht. In Rücksicht des wechselbestimmenden Zusammenhangs des Ganzen konnte die Metaphysik die – im Grunde tautologische – Behauptung machen, daß, wenn ein Stäubchen zerstört würde, das ganze Universum zusammenstürzte. In den Instanzen, die gegen den in Rede stehenden Satz gemacht werden, erscheint etwas als nicht gleichgültig, ob es sei oder nicht sei, nicht um des Seins oder Nichtseins willen, sondern seines Inhalts willen, der es mit anderem zusammenhängt. Wenn ein bestimmter Inhalt, irgendein bestimmtes Dasein vorausgesetzt wird, so ist dies Dasein, weil es bestimmtes ist, in mannigfaltiger Beziehung auf anderen Inhalt; es ist für dasselbe nicht gleichgültig, ob ein gewisser anderer Inhalt, mit dem es in Beziehung steht, ist oder nicht ist; denn nur durch solche Beziehung ist es wesentlich das, was es ist. Dasselbe ist der Fall in dem Vorstellen (indem wir das Nichtsein in dem bestimmteren Sinn des Vorstellens gegen die Wirklichkeit nehmen), in dessen Zusammenhange das Sein oder die Abwesenheit eines Inhalts, der als bestimmt mit anderem in Beziehung vorgestellt wird, nicht gleichgültig ist.
Diese Betrachtung enthält dasselbe, was ein Hauptmoment in der Kantischen Kritik des ontologischen Beweises vor Dasein Gottes ausmacht, auf welche jedoch hier nur in betreff des in ihr vorkommenden Unterschieds von Sein und Nichts überhaupt und von bestimmtem Sein oder Nichtsein Rücksicht genommen wird. – Bekanntlich wurde in jener sogenannten Beweise der Begriff eines Wesens vorausgesetzt, dem alle Realitäten zukommen, somit auch die Existenz, die gleichfalls als eine der Realitäten angenommen wurde. Die Kantische Kritik hielt sich vornehmlich daran, daß die Existenz oder das Sein (was hier für gleichbedeutend gilt) keine Eigenschaft oder kein reales Prädikat sei, d. h. nicht ein Begriff von etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne1) – Kant will damit sagen, daß Sein keine Inhaltsbestimmung sei. Also enthalte, fährt er fort, das Mögliche nicht mehr als das Wirkliche; hundert wirkliche Taler enthalten nicht das mindeste mehr als hundert mögliche; – nämlich jene haben keine andere Inhaltsbestimmung als diese. Für diesen als isoliert betrachteten Inhalt ist es in der Tat gleichgültig, zu sein oder nicht zu sein; es liegt in ihm kein Unterschied des Seins oder Nichtseins, dieser Unterschied berührt ihn überhaupt gar nicht; die hundert Taler werden nicht weniger, wenn sie nicht sind und nicht mehr, wenn sie sind. Ein Unterschied muß erst anderswoher kommen. – „Aber“, erinnert Kant, „in meinem Vermögenszustande ist mehr bei hundert wirklichen Talern als bei dem bloßen Begriff derselben (d. i. ihrer Möglichkeit). Denn der Gegenstand ist bei der Wirklichkeit nicht bloß in meinem Begriff analytisch enthalten, sondern kommt zu meinem Begriffe (der eine Bestimmung meines Zustandes ist) synthetisch hinzu, ohne daß durch dieses Sein außer meinem Begriffe diese gedachten hundert Taler selbst im mindesten vermehrt werden.“
Es werden hier zweierlei Zustände, um bei den Kantischen Ausdrücken, die nicht ohne verworrene Schwerfälligkeit sind, zu bleiben, vorausgesetzt: der eine, welchen Kant den Begriff nennt, darunter die Vorstellung zu verstehen ist, und ein anderer, der Vermögenszustand. Für den einen wie für den anderen, das Vermögen wie das Vorstellen, sind hundert Taler eine Inhaltsbestimmung, oder sie kommen zu einem solchen, wie Kant sich ausdrückt, synthetisch hinzu; ich als Besitzer von hundert Talern oder als Nichtbesitzer derselben, oder auch ich als mir hundert Taler vorstellend oder sie nicht vorstellend, ist allerdings ein verschiedener Inhalt. Allgemeiner gefaßt: Die Abstraktionen von Sein und Nichts hören beide auf, Abstraktionen zu sein, indem sie einen bestimmten Inhalt erhalten; Sein ist dann Realität, das bestimmte Sein von 100 Talern, das Nichts Negation, das bestimmte Nichtsein von denselben. Diese Inhaltsbestimmung selbst, die hundert Taler, auch abstrakt für sich gefaßt, ist in dem einen unverändert dasselbe, was in dem anderen. Indem aber ferner das Sein als Vermögenszustand genommen wird, treten die hundert Taler in Beziehung zu einem Zustand, und für diesen ist solche Bestimmtheit, die sie sind, nicht gleichgültig; ihr Sein oder Nichtsein ist nur Veränderung; sie sind in die Sphäre des Daseins versetzt. Wenn daher gegen die Einheit des Seins und Nichts urgiert wird, es sei doch nicht gleichgültig, ob dies und jenes (die 100 Taler) sei oder nicht sei, so ist es eine Täuschung, daß wir den Unterschied bloß aufs Sein und Nichtsein hinausschieben, ob ich die hundert Taler habe oder nicht habe, – eine Täuschung, die, wie gezeigt, auf der einseitigen Abstraktion beruht, welche das bestimmte Dasein, das in solchen Beispielen vorhanden ist, wegläßt und bloß das Sein und Nichtsein festhält, wie sie umgekehrt das abstrakte Sein und Nichts, das aufgefaßt werden soll, in ein bestimmtes Sein und Nichts, in ein Dasein, verwandelt. Erst das Dasein enthält den realen Unterschied von Sein und Nichts, nämlich ein Etwas und ein Anderes. – Dieser reale Unterschied schwebt der Vorstellung vor, statt des abstrakten Seins und reinen Nichts und ihrem nur gemeinten Unterschiede.
Wie Kant sich ausdrückt, so kommt ‚durch die Existenz etwas in den Kontext der gesamten Erfahrung‘, ‚wir bekommen dadurch einen Gegenstand der Wahrnehmung mehr, aber unser Begriff von dem Gegenstande wird dadurch nicht vermehrt‘. – Dies heißt, wie aus dem Erläuterten hervorgeht, so viel: durch die Existenz, wesentlich darum, weil Etwas bestimmte Existenz ist, ist es in dem Zusammenhang mit Anderem und unter anderem auch mit einem Wahrnehmenden. – Der Begriff der hundert Taler, sagt Kant, werde nicht durch das Wahrnehmen vermehrt. Der Begriff heißt hier die vorhin bemerkten isoliert vorgestellten hundert Taler. In dieser isolierten Weise sind sie zwar ein empirischer Inhalt, aber abgeschnitten, ohne Zusammenhang und Bestimmtheit gegen Anderes; die Form der Identität mit sich benimmt ihnen die Beziehung auf Anderes und macht sie gleichgültig, ob sie wahrgenommen seien oder nicht. Aber dieser sogenannte Begriff der hundert Taler ist ein falscher Begriff; die Form der einfachen Beziehung auf sich gehört solchem begrenzten, endlichen Inhalt nicht selbst; es ist eine ihm vom subjektiven Verstande angetane und geliehene Form; hundert Taler sind nicht ein sich auf sich Beziehendes, sondern ein Veränderliches und Vergängliches.
Das Denken oder Vorstellen, dem nur ein bestimmtes Sein, das Dasein, vorschwebt, ist zu dem erwähnten Anfange der Wissenschaft zurückzuweisen, welchen Parmenides gemacht hat, der sein Vorstellen und damit auch das Vorstellen der Folgezeit zu dem reinen Gedanken, dem Sein als solchem, geläutert und erhoben und damit das Element der Wissenschaft erschaffen hat. – Was das Erste in der Wissenschaft ist, hat sich müssen geschichtlich als das Erste zeigen. Und das eleatische Eine oder Sein haben wir für das Erste des Wissens vom Gedanken anzusehen; das Wasser und dergleichen materielle Prinzipien sollen wohl das Allgemeine sein, aber sind als Materien nicht reine Gedanken; die Zahlen sind weder der erste einfache noch der bei sich bleibende, sondern der sich selbst ganz äußerliche Gedanke.
Die Zurückweisung vom besonderen endlichen Sein zum Sein als solchem in seiner ganz abstrakten Allgemeinheit ist wie als die allererste theoretische, so auch sogar praktische Forderung anzusehen. Wenn nämlich ein Aufhebens von den hundert Talern gemacht wird, daß es in meinem Vermögenszustand einen Unterschied mache, ob ich sie habe oder nicht, noch mehr, ob Ich sei oder nicht, ob Anderes sei oder nicht, so kann – ohne zu erwähnen, daß es Vermögenszustände geben wird, für die solcher Besitz von hundert Talern gleichgültig sein wird – daran erinnert werden, daß der Mensch sich zu dieser abstrakten Allgemeinheit in seiner Gesinnung erheben soll, in welcher es ihm in der Tat gleichgültig sei, ob die hundert Taler, sie mögen ein quantitatives Verhältnis zu seinem Vermögenszustand haben, welches sie wollen, seien oder ob sie nicht seien, ebensosehr als es ihm gleichgültig sei, ob er sei oder nicht, d. i. im endlichen Leben sei oder nicht (denn ein Zustand, bestimmtes Sein ist gemeint) usf. – selbst si fractus illabatur orbis, impavidum ferient ruinae, hat ein Römer gesagt2) , und der Christ soll sich noch mehr in dieser Gleichgültigkeit befinden.
Es ist noch die unmittelbare Verbindung anzumerken, in welcher die Erhebung über die hundert Taler und die endlichen Dinge überhaupt mit dem ontologischen Beweise und der angeführten Kantischen Kritik desselben steht. Diese Kritik hat sich durch ihr populäres Beispiel allgemein plausibel gemacht; wer weiß nicht, daß hundert wirkliche Taler verschieden sind von hundert bloß möglichen Talern? daß sie einen Unterschied in meinem Vermögenszustand ausmachen? Weil sich so an den hundert Talern diese Verschiedenheit hervortut, so ist der Begriff, d. h. die Inhaltsbestimmtheit als leere Möglichkeit, und das Sein verschieden voneinander; also ist auch Gottes Begriff von seinem Sein verschieden, und sowenig ich aus der Möglichkeit der hundert Taler ihre Wirklichkeit herausbringen kann, ebenso wenig kann ich aus dem Begriffe Gottes seine Existenz „herausklauben“; aus diesem Herausklauben aber der Existenz Gottes aus seinem Begriffe soll der ontologische Beweis bestehen. Wenn es nun allerdings seine Richtigkeit hat, da [der] Begriff vom Sein verschieden ist, so ist noch mehr Gott verschieden von den hundert Talern und den anders endlichen Dingen. Es ist die Definition der endlichen Dinge, daß in ihnen Begriff und Sein verschieden, Begriff und Realität, Seele und Leib trennbar, sie damit vergänglich und sterblich sind; die abstrakte Definition Gottes ist dagegen eben dies, daß sein Begriff und sein Sein ungetrennt und untrennbar sind. Die wahrhafte Kritik der Kategorien und der Vernunft ist gerade diese, das Erkennen über diesen Unterschied zu verständigen und dasselbe abzuhalten, die Bestimmungen und Verhältnisse des Endlichen auf Gott anzuwenden.
Anmerkung 2
Es ist weiter ein anderer Grund anzuführen, welcher zu dem Widerwillen gegen den Satz über Sein und Nichts behilflich ist; dieser Grund ist, daß der Ausdruck des Resultats, das sich aus der Betrachtung des Seins und des Nichts ergibt, durch den Satz „Sein und Nichts ist eins und dasselbe“ unvollkommen ist. Der Akzent wird vorzugsweise auf das Eins-und-dasselbe-sein gelegt, wie im Urteile überhaupt, als in welchem das Prädikat erst es aussagt, was das Subjekt ist. Der Sinn scheint daher zu sein, daß der Unterschied geleugnet werde, der doch zugleich im Satze unmittelbar vorkommt; denn er spricht die beiden Bestimmungen, Sein und Nichts, aus und enthält sie als unterschiedene. – Es kann zugleich nicht gemeint sein, daß von ihnen abstrahiert und nur die Einheit festgehalten werden soll. Dieser Sinn gäbe sich selbst für einseitig, da das, wovon abstrahiert werden soll, gleichwohl im Satze vorhanden ist und genannt wird. – Insofern nun der Satz „Sein und Nichts ist dasselbe“ die Identität dieser Bestimmungen ausspricht, aber in der Tat ebenso sie beide als unterschieden enthält, widerspricht er sich in sich selbst und löst sich auf. Halten wir dies näher fest, so ist also hier ein Satz gesetzt, der, näher betrachtet, die Bewegung hat, durch sich selbst zu verschwinden. Damit aber geschieht an ihm selbst das, was seinen eigentlichen Inhalt ausmachen soll, nämlich das Werden.
Der Satz enthält somit das Resultat, er ist dieses an sich selbst. Der Umstand aber, auf den hier aufmerksam zu machen ist, ist der Mangel, daß das Resultat nicht selbst im Satze ausgedrückt ist; es ist eine äußere Reflexion, welche es in ihm erkennt. – Es muß hierüber sogleich im Anfange diese allgemeine Bemerkung gemacht werden, daß der Satz, in Form eines Urteils, nicht geschickt ist, spekulative Wahrheiten auszudrücken; die Bekanntschaft mit diesem Umstande wäre geeignet, viele Mißverständnisse spekulativer Wahrheiten zu beseitigen. Das Urteil ist eine identische Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat; es wird dabei davon abstrahiert, daß das Subjekt noch mehrere Bestimmtheiten hat als die des Prädikats, sowie davon, daß das Prädikat weiter ist als das Subjekt. Ist nun aber der Inhalt spekulativ, so ist auch das Nichtidentische des Subjekts und Prädikats wesentliches Moment, aber dies ist im Urteile nicht ausgedrückt. Das paradoxe und bizarre Licht, in dem vieles der neueren Philosophie den mit dem spekulativen Denken nicht Vertrauten erscheint, fällt vielfältig in die Form des einfachen Urteils, wenn sie für den Ausdruck spekulativer Resultate gebraucht wird.
Der Mangel wird zum Behuf, die spekulative Wahrheit auszudrücken, zunächst so ergänzt, daß der entgegengesetzte Satz hinzugefügt wird, der Satz „Sein und Nichts ist nicht dasselbe„, der oben gleichfalls ausgesprochen ist. Allein so entsteht der weitere Mangel, daß diese Sätze unverbunden sind, somit den Inhalt nur in der Antinomie darstellen, während doch ihr Inhalt sich auf ein und dasselbe bezieht und die Bestimmungen, die in den zwei Sätzen ausgedrückt sind, schlechthin vereinigt sein sollen, – eine Vereinigung, welche dann nur als eine Unruhe zugleich Unverträglicher, als eine Bewegung ausgesprochen werden kann. Das gewöhnlichste Unrecht, welches spekulativem Gehalte angetan wird, ist, ihn einseitig zu machen, d. i. den einen der Sätze nur, in die er aufgelöst werden kann, herauszuheben. Es kann dann nicht geleugnet werden, daß dieser Satz behauptet wird; so richtig die Angabe ist, so falsch ist sie, denn wenn einmal ein Satz aus dem Spekulativen genommen ist, so müßte wenigstens ebensosehr der andere gleichfalls beachtet und angegeben werden. – Es ist hierbei noch das sozusagen unglückliche Wort „Einheit“ besonders zu erwähnen; die Einheit bezeichnet noch mehr als die Identität eine subjektive Reflexion; sie wird vornehmlich als die Beziehung genommen, welche aus der Vergleichung, der äußerlichen Reflexion entspringt. Insofern diese in zwei verschiedenen Gegenständen dasselbe findet, ist eine Einheit so vorhanden, daß dabei die vollkommene Gleichgültigkeit der Gegenstände selbst, die verglichen werden, gegen diese Einheit vorausgesetzt wird, so daß dies Vergleichen und die Einheit die Gegenstände selbst nichts angeht und ein ihnen äußerliches Tun und Bestimmen ist. Die Einheit drückt daher die ganz abstrakte Dieselbigkeit aus und lautet um so härter und auffallender, je mehr die, von denen sie ausgesprochen wird, sich schlechthin unterschieden zeigen. Für Einheit würde daher insofern besser nur Ungetrenntheit und Untrennbarkeit gesagt; aber damit ist das Affirmative der Beziehung des Ganzen nicht ausgedrückt.
So ist das ganze, wahre Resultat, das sich hier ergeben hat, das Werden, welches nicht bloß die einseitige oder abstrakte Einheit des Seins und Nichts ist. Sondern es besteht in dieser Bewegung, daß das reine Sein unmittelbar und einfach ist, daß es darum ebensosehr das reine Nichts ist, daß der Unterschied derselben ist, aber ebensosehr sich aufhebt und nicht ist. Das Resultat behauptet also den Unterschied des Seins und des Nichts ebensosehr, aber als einen nur gemeinten.
Man meint, das Sein sei vielmehr das schlechthin Andere, als das Nichts ist, und es ist nichts klarer als ihr absoluter Unterschied, und es scheint nichts leichter, als ihn angeben zu können. Es ist aber ebenso leicht, sich zu überzeugen, daß dies unmöglich, daß er unsagbar ist. Die, welche auf dem Unterschiede von Sein und Nichts beharren wollen, mögen sich auffordern, anzugeben, worin er besteht. Hätte Sein und Nichts irgendeine Bestimmtheit, wodurch sie sich unterschieden, so wären sie, wie erinnert worden, bestimmtes Sein und bestimmtes Nichts, nicht das reine Sein und das reine Nichts, wie sie es hier noch sind. Ihr Unterschied ist daher völlig leer, jedes der beiden ist auf gleiche Weise das Unbestimmte; er besteht daher nicht an ihnen selbst, sondern nur in einem Dritten, im Meinen. Aber das Meinen ist eine Form des Subjektiven, das nicht in diese Reihe der Darstellung gehört. Das Dritte aber, worin Sein und Nichts ihr Bestehen haben, muß auch hier vorkommen; und es ist auch hier vorgekommen; es ist das Werden. In ihm sind sie als Unterschiedene; Werden ist nur, insofern sie unterschieden sind. Dies Dritte ist ein Anderes als sie; – sie bestehen nur in einem Anderen, dies heißt gleichfalls, sie bestehen nicht für sich. Das Werden ist das Bestehen des Seins sosehr als des Nichtseins; oder ihr Bestehen ist nur ihr Sein in Einem; gerade dies ihr Bestehen ist es, was ihren Unterschied ebensosehr aufhebt.
Die Aufforderung, den Unterschied von Sein und Nichts anzugeben, schließt auch die in sich, zu sagen, was denn Sein und was Nichts ist. Die sich dagegen sträuben, das eine wie das andere nur als ein Übergehen ineinander zu erkennen, und vom Sein und vom Nichts dies oder das behaupten, mögen angeben, von was sie sprechen, d. i. eine Definition vom Sein und Nichts aufstellen und aufzeigen, daß sie richtig ist. Ohne dieser ersten Forderung der alten Wissenschaft genügt zu haben, deren logische Regeln sie sonst gelten lassen und anwenden, sind alle jene Behauptungen über das Sein und Nichts nur Versicherungen, wissenschaftliche Ungültigkeiten. Wenn man sonst gesagt hat, die Existenz, insofern man diese zunächst für gleichbedeutend mit Sein hält, sei die Ergänzung zur Möglichkeit, so ist damit eine andere Bestimmung, die Möglichkeit, vorausgesetzt, das Sein nicht in seiner Unmittelbarkeit, sogar als nicht selbständig, als bedingt ausgesprochen. Für das Sein, welches vermittelt ist, werden wir den Ausdruck Existenz aufbehalten. Aber man stellt sich wohl das Sein vor – etwa unter dem Bilde des reinen Lichts, als die Klarheit ungetrübten Sehens, da; Nichts aber als die reine Nacht – und knüpft ihren Unterschied an diese wohlbekannte sinnliche Verschiedenheit. In der Tat aber, wenn man auch dies Sehen sich genauer vorstellt, so kann man leicht gewahr werden, daß man in der absoluten Klarheit soviel und sowenig sieht als in der absoluten Finsternis, daß das eine Sehen so gut als das andere, reines Sehen, Sehen von Nichts ist. Reines Licht und reine Finsternis sind zwei Leeren, welche dasselbe sind. Erst in dem bestimmten Lichte – und das Licht wird durch die Finsternis bestimmt -, also im getrübten Lichte, ebenso erst in der bestimmten Finsternis – und die Finsternis wir durch das Licht bestimmt -, in der erhellten Finsternis kann etwas unterschieden werden, weil erst das getrübte Licht und die erhellte Finsternis den Unterschied an ihnen selbst habe und damit bestimmtes Sein, Dasein sind.
Anmerkung 3
Die Einheit, deren Momente, Sein und Nichts, als untrennbare sind, ist von ihnen selbst zugleich verschieden, so ein Drittes gegen sie, welches in seiner eigentümlichsten Form das Werden ist. Übergehen ist dasselbe als Werden, nur daß in jenem die beiden, von deren einem zum anderen übergegangen wird, mehr als außereinander ruhend und das Übergehen als zwischen ihnen geschehend vorgestellt wird. Wo und wie nun vom Sein oder Nichts die Rede wird, muß dieses Dritte vorhanden sein; denn jene bestehen nicht für sich, sondern sind nur im Werden, in diesem Dritten. Aber dieses Dritte hat vielfache empirische Gestalten, welche von der Abstraktion beiseite gestellt oder vernachlässigt werden, um jene ihre Produkte, das Sein und das Nichts, jedes für sich festzuhalten und sie gegen das Übergehen geschützt zu zeigen. Gegen solches einfache Verhalten der Abstraktion ist ebenso einfach nur an die empirische Existenz zu erinnern, in der jene Abstraktion selbst nur Etwas ist, ein Dasein hat. Oder es sind sonst Reflexionsformen, durch welche die Trennung der Untrennbaren fixiert werden soll. An solcher Bestimmung ist an und für sich das Gegenteil ihrer selbst vorhanden, und ohne auf die Natur der Sache zurückzugehen und an diese zu appellieren, ist jene Reflexionsbestimmung an ihr selbst dadurch zu konfundieren, daß sie genommen wird, wie sie sich gibt, und ihr Anderes an ihr selbst aufgezeigt wird. Es würde eine vergebliche Mühe sein, alle Wendungen und Einfälle der Reflexion und ihres Räsonnements gleichsam einfangen zu wollen, um ihr die Auswege und Absprünge, womit sie sich ihren Widerspruch gegen sich selbst verdeckt, zu benehmen und unmöglich zu machen. Darum enthalte ich mich auch, gegen vielfache sich so nennende Einwürfe und Widerlegungen, welche dagegen, daß weder Sein noch Nichts etwas Wahrhaftes, sondern nur das Werden ihre Wahrheit ist, aufgebracht worden sind, Rücksicht zu nehmen; die Gedankenbildung, die dazu gehört, die Nichtigkeit jener Widerlegungen einzusehen oder vielmehr solche Einfälle sich selbst zu vertreiben, wird nur durch die kritische Erkenntnis der Verstandesformen bewirkt; aber die, welche am ergiebigsten an dergleichen Einwürfen sind, fallen sogleich über die ersten Sätze mit ihren Reflexionen her, ohne durch das weitere Studium der Logik sich zum Bewußtsein über die Natur dieser kruden Reflexionen zu verhelfen oder verholfen zu haben.
Es sollen einige der Erscheinungen betrachtet werden, die sich daran ergeben, wenn das Sein und das Nichts voneinander isoliert und eins außer dem Bereiche des anderen gesetzt wird, so daß hiermit das Übergehen negiert ist.
Parmenides hielt das Sein fest und war am konsequentesten, indem er zugleich vom Nichts sagte, daß es gar nicht ist; nur das Sein ist. Das Sein so ganz für sich ist das Unbestimmte, hat also keine Beziehung auf Anderes; es scheint daher, daß von diesem Anfang aus nicht weiter fortgegangen werden könne, nämlich aus ihm selbst, und ein Fortgang nur dadurch geschehen könne, daß von Außen etwas Fremdes daran geknüpft würde. Der Fortgang, daß das Sein dasselbe ist als das Nichts, erscheint somit als ein zweiter, absoluter Anfang, – ein Übergehen, das für sich ist und äußerlich zu dem Sein hinzutrete. Sein wäre überhaupt nicht der absolute Anfang, wenn es eine Bestimmtheit hätte; alsdann hinge es von einem Anderen ab und wäre nicht unmittelbar, nicht der Anfang. Ist es aber unbestimmt und damit wahrer Anfang, so hat es auch nichts, wodurch es sich zu einem Anderen überleitet, es ist zugleich das Ende. Es kann ebensowenig etwas aus demselben hervorbrechen, als etwas in dasselbe einbrechen kann; bei Parmenides wie bei Spinoza soll von dem Sein oder der absoluten Substanz nicht fortgegangen werden zu dem Negativen, Endlichen. Wird nun dennoch fortgegangen, was, wie bemerkt, von dem beziehungs-, hiermit fortgangslosen Sein aus nur auf äußerliche Weise geschehen kann, so ist dieser Fortgang ein zweiter, neuer Anfang. So ist Fichtes absolutester, unbedingter Grundsatz: A = A Setzen; der zweite ist Entgegensetzen; dieser soll zum Teil bedingt, zum Teil unbedingt (somit der Widerspruch in sich) sein. Es ist dies ein Fortgehen der äußeren Reflexion, welches ebensowohl das, womit es als einem Absoluten anfängt, wieder verneint – das Entgegensetzen ist die Negation der ersten Identität -, als es sein zweites Unbedingtes sogleich ausdrücklich zugleich zu einem Bedingten macht. Wenn aber überhaupt eine Berechtigung wäre fortzugehen, d. i. den ersten Anfang aufzuheben, so müßte es in diesem Ersten selbst liegen, daß ein Anderes sich darauf beziehen könnte; es müßte also ein Bestimmtes sein. Allein für ein solches gibt sich das Sein oder auch die absolute Substanz nicht aus; im Gegenteil. Es ist das Unmittelbare, das noch schlechthin Unbestimmte.
Die beredtesten, vielleicht vergessenen Schilderungen über die Unmöglichkeit, von einem Abstrakten zu einem Ferneren und zu einer Vereinigung beider zu kommen, macht Jacobi im Interesse seiner Polemik gegen die Kantische Synthesis des Selbstbewußtseins a priori in seiner Abhandlung Über das Unternehmen des Kritizismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen (Werke, III. Bd. [Leipzig 1816]). Er stellt (S. 113) die Aufgabe so, daß in einem Reinen, sei es des Bewußtseins, des Raums oder der Zeit, das Entstehen oder Hervorbringen einer Synthesis aufgezeigt werde. „Der Raum sei Eines, die Zeit sei Eines, das Bewußtsein sei Eines … Sagt nur an, wie sich euch eines von diesen drei Einen in ihm selbst rein vermannigfaltigt, … jedes ist nur Eines und kein Anderes; eine Einerleiheit, eine Der-Die-Das-Selbigkeit! ohne Derheit, Dieheit, Dasheit; denn diese schlummern mit den Der, Die, Das noch im unendlichen = 0 des Unbestimmten, woraus alles und jedes Bestimmte auch erst hervorgehen soll! Was bringt … in jene drei Unendlichkeiten … Endlichkeit; was befruchtet Raum und Zeit a priori mit Zahl und Maß und verwandelt sie in ein reines Mannigfaltiges; was bringt die reine Spontaneität (Ich) zur Oszillation … ? Wie kommt sein reiner Vokal zum Mitlauter, oder vielmehr wie setzt sein lautloses ununterbrochenes Blasen, sich selbst unterbrechend, ab, um wenigstens eine Art von Selbstlaut, einen Akzent zu gewinnen?“ – Man sieht, Jakobi hat sehr bestimmt das Unwesen der Abstraktion, es sei nun sogenannter absoluter, d. i. nur abstrakter Raum oder ebensolche Zeit oder ebensolches reines Bewußtsein, Ich, erkannt; er beharrt darin zu dem Behuf, die Unmöglichkeit eines Fortganges zu Anderem, der Bedingung einer Synthesis, und zur Synthesis selbst zu behaupten. Die Synthesis, welche das Interesse ausmacht, muß nicht als eine Verknüpfung von äußerlich schon vorhandenen Bestimmungen genommen werden, – teils ist es selbst um die Erzeugung eines Zweiten zu einem Ersten, eines Bestimmten zum unbestimmten Anfänglichen zu tun, teils aber um die immanente Synthesis, Synthesis a priori, – an und für sich seiende Einheit der Unterschiedenen. Werden ist diese immanente Synthesis des Seins und Nichts; aber weil der Synthesis der Sinn von einem äußerlichen Zusammenbringen äußerlich gegeneinander Vorhandener am nächsten liegt, ist mit Recht der Name Synthesis, synthetische Einheit außer Gebrauch gesetzt worden. – Jacobi fragt, wie kommt der reine Vokal des Ich zum Mitlauter, was bringt Bestimmtheit in die Unbestimmtheit? Das Was? wäre leicht beantwortet, und von Kant ist diese Frage auf seine Weise beantwortet worden; aber die Frage nach dem Wie? heißt: auf welche Art und Weise, nach welchem Verhältnis und dergleichen, und verlangt so die Angabe einer besonderen Kategorie; aber von Art und Weise, Verstandeskategorien kann hierbei nicht die Rede sein. Die Frage nach dem Wie? gehört selbst zu den üblen Manieren der Reflexion, welche nach der Begreiflichkeit fragt, aber dabei ihre festen Kategorien voraussetzt und damit zum voraus gegen die Beantwortung dessen, nach was sie fragt, sich gewaffnet weiß. Den höheren Sinn einer Frage nach der Notwendigkeit der Synthese hat sie bei Jacobi auch nicht, denn er bleibt, wie gesagt, fest in den Abstraktionen beharren, für die Behauptung der Unmöglichkeit der Synthese. Insbesondere anschaulich beschreibt er (S. 147) die Prozedur, zur Abstraktion des Raumes zu gelangen. „Ich muß … für solange rein zu vergessen suchen, daß ich je irgend etwas sah, hörte, rührte und berührte, mich selbst ausdrücklich nicht ausgenommen. Rein, rein, rein vergessen muß ich alle Bewegung und mir gerade dies Vergessen, weil es das Schwerste ist, am angelegentlichsten sein lassen. Alles überhaupt muß ich, so wie ich es weggedacht habe, auch ganz und vollkommen weggeschafft sein lassen und gar nichts übrigbehalten als die mit Gewalt stehengebliebene Anschauung allein des unendlichen unveränderlichen Raums. Ich darf mich daher auch nicht selbst als etwas von ihm Unterschiedenes und gleichwohl mit ihm Verbundenes wieder in ihn hineindenken; ich darf mich nicht von ihm bloß umgeben und durchdringen lassen, sondern ich muß ganz übergehen in ihn, eins mit ihm werden, mich in ihn verwandeln; ich muß von mir selbst nichts übriglassen als diese meine Anschauung selbst, um sie als eine wahrhaft selbständige, unabhängige, einig und alleinige Vorstellung zu betrachten.“
Bei dieser ganz abstrakten Reinheit der Kontinuität, d. i. Unbestimmtheit und Leerheit des Vorstellens ist es gleichgültig, diese Abstraktion Raum zu nennen oder reines Anschauen, reines Denken; – es ist Alles dasselbe, was der Inder – wenn er äußerlich bewegungslos und ebenso in Empfindung, Vorstellung Phantasie, Begierde usf. regungslos jahrelang nur auf die Spitze seiner Nase sieht, nur Om, Om, Om innerlich in sich oder gar nichts spricht – Brahma nennt. Dieses dumpfe, leere Bewußtsein ist, als Bewußtsein aufgefaßt, das Sein.
In diesem Leeren, sagt nun Jacobi weiter, widerfahre ihm das Gegenteil von dem, was Kantischer Versicherung gemäß ihm widerfahren sollte; er finde sich nicht als ein Vieles und Mannigfaltiges, vielmehr als Eines ohne alle Vielheit und Mannigfaltigkeit; ja, „ich bin die Unmöglichkeit selbst, bin die Vernichtung alles Mannigfaltigen und Vielen, … kann aus meinem reinen, schlechterdings einfachen, unveränderlichen Wesen auch nicht das mindeste von jenem wiederherstellen oder in mich hineingespenstern … So offenbart sich (in dieser Reinheit) … alles Außer- und Nebeneinandersein, alle auf diesem Außer- und Nebeneinandersein allein beruhende Mannigfaltigkeit und Vielheit als ein rein Unmögliches.“
Diese Unmöglichkeit heißt nichts anderes als die Tautologie: ich halte an der abstrakten Einheit fest und schließe alle Vielheit und Mannigfaltigkeit aus, halte mich im Unterschiedslosen und Unbestimmten und sehe weg von allem Unterschiedenen und Bestimmten. Die Kantische Synthesis a priori des Selbstbewußtseins, d. i. die Tätigkeit dieser Einheit, sich zu dirimieren und in dieser Diremtion sich selbst zu erhalten, verdünnt sich Jacobi zu derselben Abstraktion. Jene „Synthesis an sich„, das „ursprüngliche Urteilen„, macht er [S. 125] einseitig zu der „Kopula an sich, – ein Ist, Ist, Ist, ohne Anfang und Ende und ohne Was, Wer und Welche. Dieses ins Unendliche fortgehende Wiederholen der Wiederholung ist die alleinige Geschäftigkeit, Funktion und Produktion der allerreinsten Synthesis; sie selbst ist das bloße, reine, absolute Wiederholen selbst“. Oder in der Tat, da kein Absatz, d. i. keine Negation, Unterscheiden darin ist, so sie nicht ein Wiederholen, sondern nur das ununterschiedene einfache Sein. – Aber ist dies denn noch Synthesis, wenn Jacobi gerade das wegläßt, wodurch die Einheit synthetische Einheit ist?
Zunächst, wenn Jacobi sich so in dem absoluten, d. h. abstrakten Raum, Zeit, auch Bewußtsein festsetzt, ist zu sagen, daß er sich auf diese Weise in etwas empirisch Falsches versetzt und festhält; es gibt, d. h. empirisch vorhanden ist kein Raum und Zeit, die ein unbegrenztes Räumliches und Zeitliches wären, nicht in ihrer Kontinuität von mannigfaltig begrenztem Dasein und Veränderung erfüllt wären, so daß diese Grenzen und Veränderungen ungetrennt und untrennbar der Räumlichkeit und Zeitlichkeit angehören; ebenso ist das Bewußtsein mit bestimmtem Empfinden, Vorstellen, Begehren usf. erfüllt; es existiert nicht getrennt von irgendeinem besonderen Inhalt. – Das empirische Übergehen versteht sich ohnehin von selbst; das Bewußtsein selbst oder das reine Sein zum Gegenstand und Inhalt machen; aber es bleibt nicht dabei, sondern geht nicht nur, sondern drängt sich aus solcher Leerheit hinaus zu einem besseren, d. i. auf irgendeine Weise konkreteren Inhalt, und so schlecht ein Inhalt sonst sei, so ist er insofern besser und wahrer; eben ein solcher Inhalt ist ein synthetischer überhaupt; synthetisch in allgemeinerem Sinne genommen. So bekommt Parmenides mit dem Scheine und der Meinung, dem Gegenteil des Seins und der Wahrheit, zu tun; so Spinoza mit den Attributen, den Modis, der Ausdehnung, Bewegung, dem Verstande, Willen usf. Die Synthesis enthält und zeigt die Unwahrheit jener Abstraktionen; in ihr sind sie in Einheit mit ihrem Anderen, also nicht als für sich bestehende, nicht als absolute, sondern schlechthin als relative.
Das Aufzeigen der empirischen Nichtigkeit des leeren Raums usf. aber ist es nicht, um das es zu tun ist. Das Bewußtsein kann sich abstrahierend allerdings auch mit jenem Unbestimmten erfüllen, und die festgehaltenen Abstraktionen sind die Gedanken von reinem Raum, Zeit, reinem Bewußtsein, reinem Sein. Der Gedanke des reinem Raums usf., d. i. der reine Raum usf. an ihm selbst soll als nichtig aufgezeigt werden, d. i. daß es als solcher schon sein Gegenteil, daß an ihm selbst schon sein Gegenteil in ihn eingedrungen, er schon für sich das Herausgegangensein aus sich selbst, Bestimmtheit sei.
Dies ergibt sich aber unmittelbar an ihnen. Sie sind, was Jacobi reichlich beschreibt, Resultate der Abstraktion, sind ausdrücklich als Unbestimmte bestimmt, was – um zu seiner einfachsten Form zurückzugehen – das Sein ist. Eben diese Unbestimmtheit ist aber das, was die Bestimmtheit desselben ausmacht; denn die Unbestimmtheit ist der Bestimmtheit entgegengesetzt; sie ist somit als Entgegengesetztes selbst das Bestimmte oder Negative, und zwar das reine, ganz abstrakt Negative. Diese Unbestimmtheit oder abstrakte Negation, welche so das Sein an ihm selbst hat, ist es, was die äußere wie die innere Reflexion ausspricht, indem sie es dem Nichts gleichsetzt, es für ein leeres Gedankending, für Nichts erklärt. – Oder, kann man sich ausdrücken, weil das Sein das Bestimmungslose ist, ist es nicht die (affirmative) Bestimmtheit, die es ist, nicht Sein, sondern Nichts.
In der reinen Reflexion des Anfangs, wie er in dieser Logik mit dem Sein als solchem gemacht wird, ist der Übergang noch verborgen; weil das Sein nur als unmittelbar gesetzt ist, bricht das Nichts an ihm nur unmittelbar hervor. Aber alle folgenden Bestimmungen, wie gleich das Dasein, sind konkreter; es ist an diesem das schon gesetzt, was den Widerspruch jener Abstraktionen und daher ihr Übergehen enthält und hervorbringt. Beim Sein als jenem Einfachen, Unmittelbaren wird die Erinnerung, daß es Resultat der vollkommenen Abstraktion, also schon von daher abstrakte Negativität, Nichts ist, hinter der Wissenschaft zurückgelassen, welche innerhalb ihrer selbst, ausdrücklich vom Wesen aus, jene einseitige Unmittelbarkeit als eine vermittelte darstellen wird, wo das Sein als Existenz und das Vermittelnde dieses Seins, der Grund, gesetzt ist.
Mit jener Erinnerung läßt sich der Übergang vom Sein in Nichts als etwas selbst Leichtes und Triviales so vorstellen oder auch, wie man es nennt, erklären und begreiflich machen, daß freilich das Sein, welches zum Anfang der Wissenschaft gemacht worden, Nichts sei, denn man könne von allem abstrahieren, und wenn von allem abstrahiert worden, so bleibe Nichts übrig. Aber, kann man fortfahren, somit sei der Anfang nicht ein Affirmatives, nicht Sein, sondern eben Nichts, und Nichts sei dann auch das Ende, wenigstens sosehr als das unmittelbare Sein, und selbst noch vielmehr. Das Kürzeste ist, solches Räsonieren gewähren zu lassen und zuzusehen, wie denn die Resultate beschaffen sind, auf welche es pocht. Daß hiernach das Nichts das Resultat jenes Räsonnements wäre und nun der Anfang mit Nichts (wie in chinesischer Philosophie) gemacht werden sollte, so wäre darum nicht die Hand umzukehren, denn ehe man sie umkehrte, hätte sich ebensosehr dies Nichts in Sein verkehrt (s. oben: B. Nichts). Aber ferner, wenn jene Abstraktion von allem, welches Alles denn doch Seiendes ist, vorausgesetzt wäre, so ist sie genauer zu nehmen; das Resultat der Abstraktion von allem Seienden ist zunächst abstraktes Sein, Sein überhaupt; wie im kosmologischen Beweise vom Dasein Gottes aus dem zufälligen Sein der Welt, über welches sich darin erhoben wird, noch das Sein mit hinaufgebracht, das Sein zum unendlichen Sein bestimmt wird. Es kann aber allerdings auch von diesem reinen Sein abstrahiert, das Sein noch zu dem Allen, wovon bereits abstrahiert worden, geschlagen werden; dann bleibt Nichts. Man kann nun, wenn man das Denken des Nichts, d. i. sein Umschlagen in Sein vergessen will oder nichts davon wüßte im Stile jenes Könnens fortfahren; es kann nämlich (gottlob!) auch vom Nichts abstrahiert werden (wie denn auch die Schöpfung der Welt eine Abstraktion vom Nichts ist), und dann bleibt nicht Nichts, denn eben von diesem wird abstrahiert, sondern man ist so wieder im Sein angekommen. – Dies Können gibt ein äußerliches Spiel des Abstrahierens, wobei das Abstrahieren selbst nur das einseitige Tun des Negativen ist. Zunächst liegt in diesem Können selbst, daß ihm das Sein so gleichgültig ist als das Nichts und daß, sosehr jedes von beiden verschwindet, ebensosehr jedes auch entsteht; aber ebenso gleichgültig ist es, ob vom Tun des Nichts oder dem Nichts ausgegangen wird; das Tun des Nichts, d. i. das bloße Abstrahieren ist nicht mehr noch weniger etwas Wahrhaftes als das bloße Nichts.
Die Dialektik, nach welcher Platon das Eine im Parmenides behandelt, ist gleichfalls mehr für eine Dialektik der äußeren Reflexion zu achten. Das Sein und das Eine sind beides eleatische Formen, die dasselbe sind. Aber sie sind auch zu unterscheiden; so nimmt sie Platon in jenem Dialoge. Nachdem er von dem Einen die mancherlei Bestimmungen von Ganzem und Teilen, in sich selbst, in einem Anderen [zu] sein usf., von Figur, Zeit usf. entfernt, so ist das Resultat, daß dem Einen das Sein nicht zukomme, denn anders komme einem Etwas das Sein nicht zu als nach einer jener Weisen (Steph. 141 e). Hierauf behandelt Platon den Satz: „das Eine ist„; und es ist bei ihm nachzusehen, wie von diesem Satze aus der Übergang zu dem Nichtsein des Einen bewerkstelligt wird; es geschieht durch die Vergleichung der beiden Bestimmungen des vorausgesetzten Satzes: „das Eine ist„; er enthält das Eine und das Sein, und „das Eine ist“ enthält mehr, als wenn man nur sagt: „das Eine“. Darin, daß sie verschieden sind, wird das Moment der Negation, das der Satz enthält, aufgezeigt. Es erhellt, daß dieser Weg eine Voraussetzung hat und eine äußere Reflexion ist.
Wie hier das Eine mit dem Sein in Verbindung gesetzt ist, so wird das Sein, welches abstrakt für sich festgehalten werden soll, am einfachsten, ohne sich in das Denken einzulassen, in einer Verbindung aufgezeigt, die das Gegenteil dessen enthält, was behauptet werden soll. Das Sein, wie es unmittelbar ist, genommen gehört einem Subjekte an, ist ein ausgesprochenes, hat ein empirisches Dasein überhaupt und steht damit im Boden der Schranke und des Negativen. In welchen Ausdrücken oder Wendungen der Verstand sich fasse, wenn er sich gegen die Einheit des Seins und Nichts sträubt und sich auf das, was unmittelbar vorhanden sei, beruft, wird er eben in dieser Erfahrung selbst nichts als bestimmtes Sein, Sein mit einer Schranke oder Negation, – jene Einheit finden, die er verwirft. Die Behauptung des unmittelbaren Seins reduziert sich so auf eine empirische Existenz, deren Aufzeigen sie nicht verwerfen kann, weil es die Unmittelbarkeit außerhalb des Denkens ist, an die sie sich halten will.
Dasselbe ist der Fall mit dem Nichts, nur auf entgegengesetzte Weise, und diese Reflexion ist bekannt und oft genug über dasselbe gemacht worden. Das Nichts zeigt sich in seiner Unmittelbarkeit genommen als seiend; denn seiner Natur nach ist es dasselbe als das Sein. Das Nichts wird gedacht, vorgestellt, es wird von ihm gesprochen, es ist also; das Nichts hat an dem Denken, Vorstellen, Sprechen usf. sein Sein. Dies Sein ist aber ferner auch von ihm unterschieden; es wird daher gesagt, daß das Nichts zwar im Denken, Vorstellen ist, aber daß darum nicht es ist, nicht ihm als solchem das Sein zukomme, daß nur Denken oder Vorstellen dieses Sein ist. Bei diesem Unterscheiden ist ebensosehr nicht zu leugnen, daß das Nichts in Beziehung auf ein Sein steht; aber in der Beziehung, ob sie gleich auch den Unterschied enthält, ist eine Einheit mit dem Sein vorhanden. Auf welche Weise das Nichts ausgesprochen oder aufgezeigt werde, zeigt es sich in Verbindung oder, wenn man will, Berührung mit einem Sein, ungetrennt von einem Sein, eben in einem Dasein.
Indem aber so das Nichts in einem Dasein aufgezeigt wird, pflegt noch dieser Unterschied desselben vom Sein vorzuschweben, daß das Dasein des Nichts durchaus nichts ihm selbst Zukommendes sei, daß es nicht das Sein für sich selbst an ihm habe, es nicht das Sein als solches sei; das Nichts sei nur Abwesenheit des Seins, die Finsternis so nur Abwesenheit des Lichts, die Kälte nur Abwesenheit der Wärme usf. Finsternis habe nur Bedeutung in Beziehung auf das Auge, in äußerer Vergleichung mit dem Positiven, dem Lichte, ebenso Kälte sei nur etwas in unserer Empfindung; Licht, Wärme wie Sein hingegen seien für sich das Objektive, Reale, Wirksame, von schlechthin anderer Qualität und Würde als jene Negativen, als Nichts. Man kann es häufig als eine sehr wichtige Reflexion und bedeutende Erkenntnis aufgeführt finden, daß Finsternis nur Abwesenheit des Lichts, Kälte nur Abwesenheit der Wärme sei. Über diese scharfsinnige Reflexion kann in diesem Felde von empirischen Gegenständen empirisch bemerkt werden, daß die Finsternis sich im Lichte allerdings wirksam zeigt, indem sie dasselbe zur Farbe bestimmt und ihm selbst dadurch erste Sichtbarkeit erteilt, indem, wie früher gesagt, im reinen Lichte ebensowenig gesehen wird als in der reinen Finsternis. Die Sichtbarkeit ist aber Wirksamkeit im Auge, an der jenes Negative ebensoviel Anteil hat als das für das Reale, Positive geltende Licht; ebenso gibt sich die Kälte dem Wasser, unserer Empfindung usf. genugsam zu erkennen, und wenn wir ihr sogenannte objektive Realität absprechen, so ist damit durchaus nichts gegen sie gewonnen. Aber ferner wäre zu rügen, daß hier gleichfalls wie oben von einem Negativen von bestimmtem Inhalte gesprochen wird, nicht beim Nichts selbst stehengeblieben wird, dem das Sein an leerer Abstraktion nicht nachsteht noch etwas voraus hat. – Allein Kälte, Finsternis und dergleichen bestimmte Negationen sind sogleich für sich zu nehmen, und es ist zu sehen, was damit in Rücksicht ihrer allgemeinen Bestimmung, nach der sie hierher gebracht werden, gesetzt ist. Sie sollen nicht das Nichts überhaupt, sondern das Nichts vom Licht, Wärme usf., von etwas Bestimmtem, einem Inhalte sein; so sind sie bestimmte, inhaltige Nichts, wenn man so sagen kann. Aber eine Bestimmtheit ist, wie noch weiterhin vorkommt, selbst eine Negation; so sind sie negative Nichts; aber ein negatives Nichts ist etwas Affirmatives. Das Umschlagen des Nichts durch seine Bestimmtheit (die vorhin als ein Dasein im Subjekte, oder in sonst was es sei, erschien) in ein Affirmatives erscheint dem Bewußtsein, das in der Verstandesabstraktion feststeht, als das Paradoxeste; so einfach die Einsicht ist, oder auch wegen ihrer Einfachheit selbst erscheint die Einsicht, daß die Negation der Negation Positives ist, als etwas Triviales, auf welches der stolze Verstand daher nicht zu achten brauche, obgleich die Sache ihre Richtigkeit habe, – und sie hat nicht nur diese Richtigkeit, sondern um der Allgemeinheit solcher Bestimmungen willen ihre unendliche Ausdehnung und allgemeine Anwendung, so daß wohl darauf zu achten wäre.
Noch kann über die Bestimmung des Übergangs von Sein und Nichts ineinander bemerkt werden, daß derselbe ebenso ohne weitere Reflexionsbestimmung aufzufassen ist. Er ist unmittelbar und ganz abstrakt, um der Abstraktion der übergehenden Momente willen, d. i. indem an diesen Momenten noch nicht die Bestimmtheit des anderen gesetzt ist, vermittels dessen sie übergingen; das Nichts ist am Sein noch nicht gesetzt, obzwar Sein wesentlich Nichts ist und umgekehrt. Es ist daher unzulässig, weiters bestimmte Vermittlungen hier anzuwenden und Sein und Nichts in irgendeinem Verhältnisse zu fassen, – jenes Übergehen ist noch kein Verhältnis. Es ist also unstatthaft zu sagen: „Das Nichts ist der Grund vom Sein“ oder „Sein ist der Grund von Nichts“, „das Nichts [ist] Ursache vom Sein“ usf.; oder „es kann nur unter der Bedingung in das Nichts übergegangen werden, daß etwas ist, oder in das Sein nur unter der Bedingung des Nichtseins.“ Die Art der Beziehung kann nicht weiter bestimmt sein, ohne daß zugleich die bezogenen Seiten weiter bestimmt würden. Der Zusammenhang von Grund und Folge usf. hat nicht mehr das bloße Sein und Nichts zu den Seiten, die er verbindet, sondern ausdrücklich Sein, das Grund ist, und etwas, das zwar nur ein Gesetztes, nicht Selbständiges sei, das aber nicht das abstrakte Nichts ist.
Anmerkung 4
Es geht aus dem Bisherigen hervor, welche Bewandtnis es mit der Dialektik gegen den Anfang der Welt, auch deren Untergang hat, wodurch die Ewigkeit der Materie erwiesen werden sollte, d. i. mit der Dialektik gegen das Werden, Entstehen oder Vergehen überhaupt. – Die Kantische Antinomie über die Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt in Raum und Zeit wird unten bei dem Begriffe der quantitativen Unendlichkeit näher betrachtet werden. – Jene einfache gewöhnliche Dialektik beruht auf dem Festhalten des Gegensatzes von Sein und Nichts. Es wird auf folgende Art bewiesen, daß kein Anfang der Welt oder von Etwas möglich sei:
Es kann nichts anfangen, weder insofern etwas ist, noch insofern es nicht ist; denn insofern es ist, fängt es nicht erst an; insofern es aber nicht ist, fängt es auch nicht an. – Wenn die Welt oder Etwas angefangen haben sollte, so hätte sie im Nichts angefangen, aber im Nichts oder das Nichts ist nicht Anfang; denn Anfang schließt ein Sein in sich, aber das Nichts enthält kein Sein. Nichts ist nur Nichts. In einem Grunde, Ursache usw., wenn das Nichts so bestimmt wird, ist eine Affirmation, Sein enthalten. – Aus demselben Grunde kann auch Etwas nicht aufhören. Denn so müßte das Sein das Nichts enthalten; Sein aber ist nur Sein, nicht das Gegenteil seiner selbst.
Es erhellt, daß hierin gegen das Werden, oder Anfangen und Aufhören, diese Einheit des Seins und Nichts, nichts vorgebracht wird, als sie assertorisch zu leugnen und dem Sein und Nichts, jedem getrennt von dem anderen, Wahrheit zuzuschreiben. – Diese Dialektik ist jedoch wenigstens konsequenter als das reflektierende Vorstellen. Ihm gilt es für vollkommene Wahrheit, daß Sein und Nichts nur getrennt seien; auf der andern Seite aber läßt es ein Anfangen und Aufhören als ebenso wahrhafte Bestimmungen gelten; in diesen aber nimmt es die Ungetrenntheit des Seins und Nichts faktisch an.
Bei der Voraussetzung der absoluten Geschiedenheit des Seins vom Nichts ist – was man so oft hört – der Anfang oder das Werden allerdings etwas Unbegreifliches; denn man macht eine Voraussetzung, welche den Anfang oder das Werden aufhebt, das man doch wieder zugibt, und dieser Widerspruch, den man selbst setzt und dessen Auflösung [man] unmöglich macht, heißt das Unbegreifliche.
Das Angeführte ist auch dieselbe Dialektik, die der Verstand gegen den Begriff braucht, den die höhere Analysis von den unendlich-kleinen Größen gibt. Von diesem Begriffe wird weiter unten ausführlicher gehandelt. – Diese Größen sind als solche bestimmt worden, die in ihrem Verschwinden sind, nicht vor ihrem Verschwinden, denn alsdann sind sie endliche Größen, – nicht nach ihrem Verschwinden, denn alsdann sie sie nichts. Gegen diesen reinen Begriff ist eingewendet und immer wiederholt worden, daß solche Größen entweder Etwas seien oder Nichts; daß es keinen Mittelzustand (Zustand ist hier ein unpassender, barbarischer Ausdruck) zwischen Sein und Nichtsein gebe. – Es ist hierbei gleichfalls die absolute Trennung des Seins und Nichts angenommen. Dagegen ist aber gezeigt worden, daß Sein und Nichts in der Tat dasselbe sind oder, um in jener Sprache zu sprechen, daß es gar nichts gibt, das nicht ein Mittelzustand zwischen Sein und Nichts ist. Die Mathematik hat ihre glänzenden Erfolge der Annahme jener Bestimmung, welcher der Verstand widerspricht, zu danken.
Das angeführte Räsonnement, das die falsche Voraussetzung der absoluten Getrenntheit des Seins und Nichtseins macht und bei derselben stehenbleibt, ist nicht Dialektik, sondern Sophisterei zu nennen. Denn Sophisterei ist ein Räsonnement aus einer grundlosen Voraussetzung, die man ohne Kritik und unbesonnen gelten läßt; Dialektik aber nennen wir die höhere vernünftige Bewegung, in welche solche schlechthin getrennt Scheinende durch sich selbst, durch das, was sie sind, ineinander übergehen, die Voraussetzung [ihrer Getrenntheit] sich aufhebt. Es ist die dialektische immanente Natur des Seins und Nichts selbst, daß sie ihre Einheit, das Werden, als ihre Wahrheit zeigen.
b. Momente des Werdens
Das Werden, Entstehen und Vergehen, ist die Ungetrenntheit des Seins und Nichts; nicht die Einheit, welche vom Sein und Nichts abstrahiert, sondern als Einheit des Seins und Nichts ist es diese bestimmte Einheit oder [die,] in welcher sowohl Sein als Nichts ist. Aber indem Sein und Nichts jedes ungetrennt von seinem Anderen ist, ist es nicht. Sie sind also in dieser Einheit, aber als Verschwindende, nur als Aufgehobene. Sie sinken von ihrer zunächst vorgestellten Selbständigkeit zu Momenten herab, noch unterschiedenen, aber zugleich aufgehobenen.
Nach dieser ihrer Unterschiedenheit sie aufgefaßt, ist jedes in derselben als Einheit mit dem anderen. Das Werden enthält also Sein und Nichts als zwei solche Einheiten, deren jede selbst Einheit des Seins und Nichts ist; die eine das Sein als unmittelbar und als Beziehung auf das Nichts; die andere das Nichts als unmittelbar und als Beziehung auf das Sein: die Bestimmungen sind in ungleichem Werte in diesen Einheiten.
Das Werden ist auf diese Weise in gedoppelter Bestimmung; in der einen ist das Nichts als unmittelbar, d. h. sie ist anfangend vom Nichts, das sich auf das Sein bezieht, d. h. in dasselbe übergeht, in der anderen ist das Sein als unmittelbar, d. i. sie ist anfangend vom Sein, das in das Nichts übergeht, – Entstehen und Vergehen.
Beide sind dasselbe, Werden, und auch als diese so unterschiedenen Richtungen durchdringen und paralysieren sie sich gegenseitig. Die eine ist Vergehen; Sein geht in Nichts über, aber Nichts ist ebensosehr das Gegenteil seiner selbst, Übergehen in Sein, Entstehen. Dies Entstehen ist die andere Richtung; Nichts geht in Sein über, aber Sein hebt ebensosehr sich selbst auf und ist vielmehr das Übergehen in Nichts, ist Vergehen. – Sie heben sich nicht gegenseitig, nicht das eine äußerlich das andere auf, sondern jedes hebt sich an sich selbst auf und ist an ihm selbst das Gegenteil seiner.
c. Aufheben des Werdens
Das Gleichgewicht, worein sich Entstehen und Vergehen setzen, ist zunächst das Werden selbst. Aber dieses geht ebenso in ruhige Einheit zusammen. Sein und Nichts sind in ihm nur als Verschwindende; aber das Werden als solches ist nur durch die Unterschiedenheit derselben. Ihr Verschwinden ist daher das Verschwinden des Werdens oder Verschwinden des Verschwindens selbst. Das Werden ist eine haltungslose Unruhe, die in ein ruhiges Resultat zusammensinkt.
Dies könnte auch so ausgedrückt werden: Das Werden ist das Verschwinden von Sein in Nichts und von Nichts in Sein und das Verschwinden von Sein und Nichts überhaupt; aber es beruht zugleich auf dem Unterschiede derselben. Es widerspricht sich also in sich selbst, weil es solches in sich vereint, das sich entgegengesetzt ist; eine solche Vereinigung aber zerstört sich.
Dies Resultat ist das Verschwundensein, aber nicht als Nichts; so wäre es nur ein Rückfall in die eine der schon aufgehobenen Bestimmungen, nicht Resultat des Nichts und des Seins. Es ist die zur ruhigen Einfachheit gewordene Einheit des Seins und Nichts. Die ruhige Einfachheit aber ist Sein, jedoch ebenso nicht mehr für sich, sondern als Bestimmung des Ganzen.
Das Werden so [als] Übergehen in die Einheit des Seins und Nichts, welche als seiend ist oder die Gestalt der einseitigen unmittelbaren Einheit dieser Momente hat, ist das Dasein.
Anmerkung
Aufheben und das Aufgehobene (das Ideelle) ist einer der wichtigsten Begriffe der Philosophie, eine Grundbestimmung, die schlechthin allenthalben wiederkehrt, deren Sinn bestimmt aufzufassen und besonders vom Nichts zu unterscheiden ist. – Was sich aufhebt, wird dadurch nicht zu Nichts. Nichts ist das Unmittelbare; ein Aufgehobenes dagegen ist ein Vermitteltes, es ist das Nichtseiende, aber als Resultat, das von einem Sein ausgegangen ist; es hat daher die Bestimmtheit, aus der es herkommt, noch an sich.
Aufheben hat in der Sprache den gedoppelten Sinn, daß es soviel als aufbewahren, erhalten bedeutet und zugleich soviel als aufhören lassen, ein Ende machen. Das Aufbewahren selbst schließt schon das Negative in sich, daß etwas seiner Unmittelbarkeit und damit einem den äußerlichen Einwirkungen offenen Dasein entnommen wird, um es zu erhalten. – So ist das Aufgehobene ein zugleich Aufbewahrtes, das nur seine Unmittelbarkeit verloren hat, aber darum nicht vernichtet ist. – Die angegebenen zwei Bestimmungen des Aufhebens können lexikalisch als zwei Bedeutungen dieses Wortes aufgeführt werden. Auffallend müßte es aber dabei sein, daß eine Sprache dazu gekommen ist, ein und dasselbe Wort für zwei entgegengesetzte Bestimmungen zu gebrauchen. Für das spekulative Denken ist es erfreulich, in der Sprache Wörter zu finden, welche eine spekulative Bedeutung an ihnen selbst haben; die deutsche Sprache hat mehrere dergleichen. Der Doppelsinn des lateinischen tollere (der durch den Ciceronianischen Witz „tollendum esse Octavium“ berühmt geworden) geht nicht so weit, die affirmative Bestimmung geht nur bis zum Emporheben. Etwas ist nur insofern aufgehoben, als es in die Einheit mit seinem Entgegengesetzten getreten ist; in dieser näheren Bestimmung als ein Reflektiertes kann es passend Moment genannt werden. Gewicht und Entfernung von einem Punkt heißen beim Hebel dessen mechanische Momente, um der Dieselbigkeit ihrer Wirkung willen bei aller sonstigen Verschiedenheit eines Reellen, wie das ein Gewicht ist, und eines Ideellen, der bloßen räumlichen Bestimmung, der Linie; s. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 3. Ausgabe [1830], § 261 Anm. – Noch öfter wird die Bemerkung sich aufdrängen, daß die philosophische Kunstsprache für reflektierte Bestimmungen lateinische Ausdrücke gebraucht, entweder weil die Muttersprache keine Ausdrücke dafür hat oder, wenn sie deren hat wie hier, weil ihr Ausdruck mehr an das Unmittelbare, die fremde Sprache aber mehr an das Reflektierte erinnert.
Der nähere Sinn und Ausdruck, den Sein und Nichts, indem sie nunmehr Momente sind, erhalten, hat sich bei der Betrachtung des Daseins als der Einheit, in der sie aufbewahrt sind, zu ergeben. Sein ist Sein und Nichts ist Nichts nur in ihrer Unterschiedenheit voneinander; in ihrer Wahrheit aber, in ihrer Einheit sind sie als diese Bestimmungen verschwunden und sind nun etwas anderes. Sein und Nichts sind dasselbe; darum weil sie dasselbe sind, sind sie nicht mehr Sein und Nichts und haben eine verschiedene Bestimmung; im Werden waren sie Entstehen und Vergehen; im Dasein als einer anders bestimmten Einheit sind sie wieder anders bestimmte Momente. Diese Einheit bleibt nun ihre Grundlage, aus der sie nicht mehr zur abstrakten Bedeutung von Sein und Nichts heraustreten.