Zur Schwierigkeit des Lesens Hegelscher Texte

  1. “Das vorstellende Denken, da seine Natur ist, an den Akzidenzen oder Prädikaten fortzulaufen, und mit Recht, weil sie nicht mehr als Prädikate und Akzidenzen sind, über sie hinauszugehen, wird, indem das, was im Satze die Form eines Prädikats hat, die Substanz selbst ist, in seinem Fortlaufen gehemmt. Es erleidet, [um] es so vorzustellen, einen Gegenstoß. Vom Subjekte anfangend, als ob dieses zum Grunde liegen bliebe, findet es, indem das Prädikat vielmehr die Substanz ist, das Subjekt zum Prädikat übergegangen und hiermit aufgehoben; und indem so das, was Prädikat zu sein scheint, zur ganzen und selbständigen Masse geworden, kann das Denken nicht frei herumirren, sondern ist durch diese Schwere aufgehalten. – Sonst ist zuerst das Subjekt als das gegenständliche fixe Selbst zugrunde gelegt; von hier aus geht die notwendige Bewegung zur Mannigfaltigkeit der Bestimmungen oder der Prädikate fort, hier tritt an die Stelle jenes Subjekts das wissende Ich selbst ein und ist das Verknüpfen der Prädikate und das sie haltende Subjekt. Indem aber jenes erste Subjekt in die Bestimmungen selbst eingeht und ihre Seele ist, findet das zweite Subjekt, nämlich das wissende, jenes, mit dem es schon fertig sein und worüber hinaus es in sich zurückgehen will, noch im Prädikate vor, und statt in dem Bewegen des Prädikats das Tuende – als Räsonieren, ob jenem dies oder jenes Prädikat beizulegen wäre – sein zu können, hat es vielmehr mit dem Selbst des Inhalts noch zu tun, soll nicht für sich, sondern mit diesem zusammen sein.” […] “Auf diesem ungewohnten Hemmen beruhen großenteils die Klagen über die Unverständlichkeit philosophischer Schriften, wenn anders im Individuum die sonstigen Bedingungen der Bildung, sie zu verstehen, vorhanden sind. Wir sehen in dem Gesagten den Grund des ganz bestimmten Vorwurfs, der ihnen oft gemacht wird, daß mehreres erst wiederholt gelesen werden müsse, ehe es verstanden werden könne, – ein Vorwurf, der etwas Ungebührliches und Letztes enthalten soll, so daß er, wenn er gegründet, weiter keine Gegenrede zulasse. – Es erhellt aus dem Obigen, welche Bewandtnis es damit hat. Der philosophische Satz, weil er Satz ist, erweckt die Meinung des gewöhnlichen Verhältnisses des Subjekts und Prädikats und des gewohnten Verhaltens des Wissens. Dies Verhalten und die Meinung desselben zerstört sein philosophischer Inhalt; die Meinung erfährt, daß es anders gemeint ist, als sie meinte, und diese Korrektion seiner Meinung nötigt das Wissen, auf den Satz zurückzukommen und ihn nun anders zu fassen.” (PhdG, Vorrede)
  2. Hegel war ein Philosoph für Philosophen, sozusagen das Backoffice. Er setzt rücksichtslos den philosophischen Forschungsstand seiner Zeit voraus. Und dieser Forschungsstand war enorm
  3. Er ist zu früh gestorben (während der Cholera-Epidemie in Berlin; vorerkrankt) und konnte viele Klärungen und Erläuterungen, die erforderlich gewesen wären, nicht mehr vornehmen.