185

Die Besonderheit für sich, einerseits als sich nach allen Seiten auslassende Befriedigung ihrer Bedürfnisse, zufälliger Willkür und subjektiven Beliebens, zerstört in ihren Genüssen sich selbst und ihren substantiellen Begriff; andererseits als unendlich erregt und in durchgängiger Abhängigkeit von äußerer Zufälligkeit und Willkür sowie von der Macht der Allgemeinheit beschränkt, ist die Befriedigung des notwendigen wie des zufälligen Bedürfnisses zufällig. Die bürgerliche Gesellschaft bietet in diesen Gegensätzen und ihrer Verwicklung das Schauspiel ebenso der Ausschweifung, des Elends und des beiden gemeinschaftlichen physischen und sittlichen Verderbens dar.

Die selbständige Entwicklung der Besonderheit (vgl. § 124 Anm.) ist das Moment, welches sich in den alten Staaten als das hereinbrechende Sittenverderben und der letzte Grund des Untergangs derselben zeigt. Diese Staaten, teils im patriarchalischen und religiösen Prinzip, teils im Prinzip einer geistigeren, aber einfacheren Sittlichkeit, überhaupt auf ursprüngliche natürliche Anschauung gebaut, konnten die Entzweiung derselben und die unendliche Reflexion des Selbstbewußtseins in sich nicht aushalten und erlagen dieser Reflexion, wie sie sich hervorzutun anfing, der Gesinnung und dann der Wirklichkeit nach, weil ihrem noch einfachen Prinzip die wahrhaft unendliche Kraft mangelte, die allein in derjenigen Einheit liegt, welche den Gegensatz der Vernunft zu seiner ganzen Stärke auseinandergehen läßt und ihn überwältigt hat, in ihm somit sich erhält und ihn in sich zusammenhält. – Platon in seinem Staate stellt die substantielle Sittlichkeit in ihrer idealen Schönheit und Wahrheit dar; er vermag aber mit dem Prinzip der selbständigen Besonderheit, das in seiner Zeit in die griechische Sittlichkeit hereingebrochen war, nicht anders fertig zu werden, als daß er ihm seinen nur substantiellen Staat entgegenstellte und dasselbe bis in seine Anfänge hinein, die es im Privateigentum (§ 46 Anm.) und in der Familie hat, und dann in seiner weiteren Ausbildung als die eigene Willkür und Wahl des Standes usf. ganz ausschloß. Dieser Mangel ist es, der auch die große substantielle Wahrheit seines Staates verkennen und denselben gewöhnlich für eine Träumerei des abstrakten Gedankens, für das, was man oft gar ein Ideal zu nennen pflegt, ansehen macht. Das Prinzip der selbständigen in sich unendlichen Persönlichkeit des Einzelnen, der subjektiven Freiheit, das innerlich in der christlichen Religion und äußerlich, daher mit der abstrakten Allgemeinheit verknüpft, in der römischen Welt aufgegangen ist, kommt in jener nur substantiellen Form des wirklichen Geistes nicht zu seinem Rechte. Dies Prinzip ist geschichtlich später als die griechische Welt, und ebenso ist die philosophische Reflexion, die bis zu dieser Tiefe hinabsteigt, später als die substantielle Idee der griechischen Philosophie.

Kommentare

Eine Antwort zu „185“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Die Besonderheit für sich ist das Ausschweifende und Maßlose, und die Formen dieser Ausschweifung selbst sind maßlos. Der Mensch erweitert durch seine Vorstellungen und Reflexionen seine Begierden, die kein beschlossener Kreis wie der Instinkt des Tieres sind, und führt sie in das schlecht Unendliche. Ebenso ist aber auf der anderen Seite die Entbehrung und Not ein Maßloses, und die Verworrenheit dieses Zustandes kann zu seiner Harmonie nur durch den ihn gewältigenden Staat kommen. Wenn der Platonische Staat die Besonderheit ausschließen wollte, so ist damit nicht zu helfen, denn solche Hilfe würde dem unendlichen Rechte der Idee widersprechen, die Besonderheit frei zu lassen. In der christlichen Religion ist vornehmlich das Recht der Subjektivität aufgegangen, wie die Unendlichkeit des Fürsichseins, und hierbei muß die Ganzheit zugleich die Stärke erhalten, die Besonderheit in Harmonie mit der sittlichen Einheit zu setzen.

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