187

Die Individuen sind als Bürger dieses Staates Privatpersonen, welche ihr eigenes Interesse zu ihrem Zwecke haben. Da dieser durch das Allgemeine vermittelt ist, das ihnen somit als Mittel erscheint, so kann er von ihnen nur erreicht werden, insofern sie selbst ihr Wissen, Wollen und Tun auf allgemeine Weise bestimmen und sich zu einem Gliede der Kette dieses Zusammenhangs machen. Das Interesse der Idee hierin, das nicht im Bewußtsein dieser Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als solcher liegt, ist der Prozeß, die Einzelheit und Natürlichkeit derselben durch die Naturnotwendigkeit ebenso als durch die Willkür der Bedürfnisse zur formellen Freiheit und formellen Allgemeinheit des Wissens und Wollens zu erheben, die Subjektivität in ihrer Besonderheit zu bilden.

Es hängt mit den Vorstellungen von der Unschuld des Naturzustandes, von Sitteneinfalt ungebildeter Völker einerseits und andererseits mit dem Sinne, der die Bedürfnisse, deren Befriedigung, die Genüsse und Bequemlichkeiten des partikularen Lebens usf. als absolute Zwecke betrachtet, zusammen, wenn die Bildung dort als etwas nur Äußerliches, dem Verderben Angehöriges, hier als bloßes Mittel für jene Zwecke betrachtet wird; die eine wie die andere Ansicht zeigt die Unbekanntschaft mit der Natur des Geistes und dem Zwecke der Vernunft. Der Geist hat seine Wirklichkeit nur dadurch, daß er sich in sich selbst entzweit, in den Naturbedürfnissen und in dem Zusammenhange dieser äußeren Notwendigkeit sich diese Schranke und Endlichkeit gibt und eben damit, daß er sich in sie hineinbildet, sie überwindet und darin sein objektives Dasein gewinnt. Der Vernunftzweck ist deswegen weder jene natürliche Sitteneinfalt noch in der Entwicklung der Besonderheit die Genüsse als solche, die durch die Bildung erlangt werden, sondern daß die Natureinfalt, d. i. teils die passive Selbstlosigkeit, teils die Roheit des Wissens und Willens, d. i. die Unmittelbarkeit und Einzelheit, in die der Geist versenkt ist, weggearbeitet werde und zunächst diese seine Äußerlichkeit die Vernünftigkeit, der sie fähig ist, erhalte, nämlich die Form der Allgemeinheit, die Verständigkeit. Auf diese Weise nur ist der Geist in dieser Äußerlichkeit als solcher einheimisch und bei sich. Seine Freiheit hat so in derselben ein Dasein, und er wird in diesem seiner Bestimmung zur Freiheit an sich fremden Elemente für sich, hat es nur mit solchem zu tun, dem sein Siegel aufgedrückt und [das] von ihm produziert ist. – Eben damit kommt denn die Form der Allgemeinheit für sich im Gedanken zur Existenz – die Form, welche allein das würdige Element für die Existenz der Idee ist. Die Bildung ist daher in ihrer absoluten Bestimmung die Befreiung und die Arbeit der höheren Befreiung, nämlich der absolute Durchgangspunkt zu der nicht mehr unmittelbaren, natürlichen, sondern geistigen, ebenso zur Gestalt der Allgemeinheit erhobenen unendlich subjektiven Substantialität der Sittlichkeit. Diese Befreiung ist im Subjekt die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Benehmens, gegen die Unmittelbarkeit der Begierde sowie gegen die subjektive Eitelkeit der Empfindung und die Willkür des Beliebens. Daß sie diese harte Arbeit ist, macht einen Teil der Ungunst aus, der auf sie fällt. Durch diese Arbeit der Bildung ist es aber, daß der subjektive Wille selbst in sich die Objektivität gewinnt, in der er seinerseits allein würdig und fähig ist, die Wirklichkeit der Idee zu sein. – Ebenso macht zugleich diese Form der Allgemeinheit, zu der sich die Besonderheit verarbeitet und heraufgebildet hat, die Verständigkeit, daß die Besonderheit zum wahrhaften Fürsichsein der Einzelheit wird und, indem sie der Allgemeinheit den erfüllenden Inhalt und ihre unendliche Selbstbestimmung gibt, selbst in der Sittlichkeit als unendlich fürsichseiende, freie Subjektivität ist. Dies ist der Standpunkt, der die Bildung als immanentes Moment des Absoluten und ihren unendlichen Wert erweist.

Kommentare

Eine Antwort zu „187“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Unter gebildeten Menschen kann man zunächst solche verstehen, die alles machen können, was andere tun, und die ihre Partikularität nicht herauskehren, während bei ungebildeten Menschen gerade diese sich zeigt, indem das Benehmen sich nicht nach den allgemeinen Eigenschaften des Gegenstandes richtet. Ebenso kann im Verhältnis zu anderen Menschen der Ungebildete sie leicht kränken, indem er sich nur gehen läßt und keine Reflexionen für die Empfindungen der anderen hat. Er will andere nicht verletzen, aber sein Betragen ist mit seinem Willen nicht in Einklang. Bildung also ist Glättung der Besonderheit, daß sie sich nach der Natur der Sache benimmt. Die wahre Originalität verlangt, als die Sache hervorbringend, wahre Bildung, während die unwahre Abgeschmacktheiten annimmt, die nur Ungebildeten einfallen.

Schreibe einen Kommentar