311

Die Abordnung, als von der bürgerlichen Gesellschaft ausgehend, hat ferner den Sinn, daß die Abgeordneten mit deren speziellen Bedürfnissen, Hindernissen, besonderen Interessen bekannt seien und ihnen selbst angehören. Indem sie nach der Natur der bürgerlichen Gesellschaft von ihren verschiedenen Korporationen ausgeht (§ 308) und die einfache Weise dieses Ganges nicht durch Abstraktionen und die atomistischen Vorstellungen gestört wird, so erfüllt sie damit unmittelbar jenen Gesichtspunkt, und Wählen ist entweder überhaupt etwas Überflüssiges oder reduziert sich auf ein geringes Spiel der Meinung und der Willkür.

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Eine Antwort zu „311“

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    Karl Marx

    § 311. »Die Abordnung, als von der bürgerlichen Gesellschaft ausgehend, hat ferner den Sinn, daß die Abgeordneten mit deren speziellen Bedürfnissen, Hindernissen, besonderen Interessen bekannt seien und ihnen selbst angehören. Indem sie nach der Natur der bürgerlichen Gesellschaft von ihren verschiedenen Korporationen ausgeht (§ 30?) und die einfache Weise dieses Ganges nicht durch Abstraktionen und die atomistischen Vorstellungen gestört wird, so erfüllt sie damit unmittelbar jenen |332| Gesichtspunkt, und Wählen ist entweder überhaupt etwas Überflüssiges oder reduziert sich auf ein geringes Spiel der Meinung und der Willkür.«

    Zunächst knüpft Hegel die Abordnung in ihrer Bestimmung als »gesetzgebende Gewalt« (§ 309, 310) an die Abordnung »als von der bürgerlichen Gesellschaft ausgehend«, d.h. an ihre repräsentative Bestimmung, durch ein einfaches »ferner« an. Die ungeheuren Widersprüche, die in diesem »ferner« liegen, spricht er ebenso gedankenlos aus.

    Nach § 309 sollen die Abordnenden »nicht das besondere Interesse einer Gemeinde, Korporation gegen das allgemeine, sondern wesentlich dieses geltend machen«.

    Nach § 311 gehn sie von den Korporationen aus, repräsentieren diese besondern Interessen und Bedürfnisse und lassen sich nicht durch »Abstraktionen« stören, als wenn das »allgemeine Interesse« nicht auch eine solche Abstraktion wäre, eine Abstraktion eben von ihren Korporations- etc. Interessen.

    Nach § 310 wird verlangt, »daß sie durch wirkliche Geschäftsführung etc. sich obrigkeitlichen Sinn und den Sinn des Staats« erworben und bewährt haben. Im § 311 wird Korporations- und bürgerlicher Sinn verlangt.

    In dem Zusatz zu § 309 heißt es: »Repräsentation gründet sich auf Zutrauen.« Nach § 311 ist »Wählen«, diese Realisierung des Zutrauens, diese Betätigung, Erscheinung desselben, »entweder überhaupt etwas Überflüssiges oder reduziert sich auf ein geringes Spiel der Meinung und der Willkür«.

    Das, worauf sich die Repräsentation gründet, ihr Wesen, ist also der Repräsentation »entweder überhaupt etwas Überflüssiges« etc. Hegel stellt also in einem Atem die absoluten Widersprüche auf: Die Repräsentation gründet sich auf Zutrauen, auf das Vertrauen des Menschen zum Menschen, und sie gründet sich nicht auf das Zutrauen. Das ist vielmehr eine bloße formelle Spielerei.

    Das besondere Interesse ist nicht das Objekt der Vertretung, sondern der Mensch und sein Staatsbürgertum, das allgemeine Interesse. Andrerseits: Das besondere Interesse ist der Stoff der Vertretung, der Geist dieses Interesses ist der Geist des Repräsentanten.

    In der Anmerkung zu diesem Paragraphen, den wir nun betrachten, werden diese Widersprüche noch greller durchgeführt. Das eine Mal ist die Repräsentation die Vertretung des Menschen, das andere Mal des besonderen Interesses, des besonderen Stoffes.

    »Es bietet sich von selbst das Interesse dar, daß unter den Abgeordneten sich für jeden besonderen großen Zweig der Gesellschaft, z.B. für den Handel, für die Fabriken usf. Individuen befinden, die ihn gründlich kennen und ihm selbst angehören |333|*; – in der Vorstellung eines losen, unbestimmten Wählens ist dieser wichtige Umstand nur der Zufälligkeit preisgegeben. Jeder solcher Zweig hat aber gegen den andern gleiches Recht, repräsentiert zu werden. Wenn die Abgeordneten als Repräsentanten betrachtet werden, so hat dies einen organisch vernünftigen Sinn nur dann, daß sie nicht Repräsentanten als von Einzelnen, von einer Menge seien, sondern Repräsentanten einer der wesentlichen Sphären der Gesellschaft, Repräsentanten ihrer großen Interessen. Das Repräsentieren hat damit auch nicht mehr die Bedeutung, daß Einer an der Stelle eines Andern sei, sondern das Interesse selbst ist in seinem Repräsentanten wirklich gegenwärtig, so wie der Repräsentant für sein eigenes objektives Element da ist.

    Von dem Wählen durch die vielen Einzelnen kann noch bemerkt »werden, daß notwendig besonders in großen Staaten die Gleichgültigkeit gegen das Geben seiner Stimme, als die in der Menge eine unbedeutende Wirkung hat, eintritt, und die Stimmberechtigten, diese Berechtigung mag ihnen als etwas noch so Hohes angeschlagen und vorgestellt werden, eben zum Stimmgeben nicht erscheinen: – so daß aus solcher Institution vielmehr das Gegenteil ihrer Bestimmung erfolgt und die Wahl in die Gewalt Weniger, einer Partei, somit des besondern, zufälligen Interesses fällt, das gerade neutralisiert werden sollte.«

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