Ist Hegels Philosophie Geistphilosophie?

Ja, meine, Hegels, Philosophie ist „Geistphilosophie“. Sie stellt den Geist (siehe Glossar) – verstanden als die sich selbst wissende, freie und universale Vernunft (siehe Glossar) – als das Prinzip und das Endziel der gesamten Wirklichkeit dar.

Genau dies ist der Anlass für die fundamentalsten Kritiken an meinem System. Der Vorwurf der „Geistphilosophie“ wird von verschiedenen Seiten erhoben und meint im Kern, meine Philosophie stelle die Welt „vom Kopf auf die Füße“.

1. Die Kritiken (Der Vorwurf der „Geistphilosophie“)

Wir müssen drei Hauptvorwürfe unterscheiden:

  • 1. Der materialistische Vorwurf (z.B. Marx): Dieser Vorwurf lautet: Meine Philosophie sei Idealismus (siehe Glossar) im negativen Sinne. Ich würde fälschlicherweise behaupten, der „Geist“ (das Denken, die Ideen, der Staat) sei das Primäre und produziere die Welt. In Wirklichkeit sei es umgekehrt: Das materielle Sein (die Ökonomie, die Produktionsverhältnisse) sei das Primäre und produziere den Geist (als bloßen Überbau, als Ideologie). „Geistphilosophie“ ist hier der Vorwurf, ich würde die realen, materiellen Machtverhältnisse (z.B. in der Bürgerlichen Gesellschaft, siehe Glossar) verschleiern und als Ausdruck der „Vernunft“ verklären.
  • 2. Der naturalistische Vorwurf (z.B. Hirnforschung): Dieser Vorwurf lautet: „Geist“ sei eine mystische Annahme, ein „Gespenst in der Maschine“. Die empirische Wissenschaft (der Verstand) finde nur Materie (das Gehirn, neuronale Prozesse, Kausalität). „Geistphilosophie“ ist hier der Vorwurf, mein System sei eine unwissenschaftliche Metaphysik, die eine Realität („Geist“) postuliert, die es empirisch nicht gibt und die der naturwissenschaftlichen Determinismus (wie in der Hirnforschungs-FAQ diskutiert) widerlegt.
  • 3. Der existenzialistische Vorwurf (z.B. Kierkegaard): Dieser Vorwurf lautet: Mein Absoluter Geist (siehe Glossar) sei ein totalitäres System. Er „schlucke“ alles Partikulare. Im großen, triumphalen Prozess der „Weltgeschichte“ (siehe Glossar) gehe das einzelne, leidende, existierende Individuum unter. „Geistphilosophie“ ist hier der Vorwurf, das „System“ würde die konkrete, subjektive Wahrheit und das Leiden des Einzelnen zugunsten einer abstrakten, objektiven „Vernunft“ verraten.

2. Die Verteidigung (Was „Geist“ wirklich bedeutet)

Alle diese Kritiken beruhen auf einem fundamentalen Irrtum: Sie setzen voraus, dass Geist und Materie (oder Geist und Realität, oder Geist und Individuum) zwei getrennte, feindliche Entitäten sind.

Mein Absoluter Idealismus (siehe Glossar) ist das genaue Gegenteil dieses Dualismus.

  • 1. Verteidigung gegen den Materialismus: Meine Philosophie leugnet nicht die Realität der Ökonomie. Im Gegenteil: Die Philosophie des Rechts ist exakt die Wissenschaft davon, wie der Geist objektiv wird. Die Bürgerliche Gesellschaft (siehe Glossar) ist meine (sehr materielle) Analyse der Ökonomie und ihrer immanenten Widersprüche (z.B. der Pöbel, siehe Glossar). Der Geist ist bei mir kein „Gedanke“ außerhalb der Welt; der Staat (siehe Glossar) ist die Wirklichkeit der Vernunft. Ich beschreibe nicht, was sein soll, sondern ich begreife die Vernunft in dem, was ist.
  • 2. Verteidigung gegen den Naturalismus: Meine Philosophie ist kein Dualismus. Der Geist ist kein Gespenst neben dem Gehirn. Die Naturphilosophie zeigt, wie die Natur die Vorstufe des Geistes ist. Der Geist entsteht aus der Natur, indem er ihre „Wahrheit“ (ihre höchste Organisationsform) wird. Das Gehirn ist nicht das „Gefängnis“ des Geistes, sondern das Organ, das sich der Geist (als System der Selbst-Determination) bildet. Der Geist „entkommt“ der Kausalität nicht; er ist ihre höhere Form.
  • 3. Verteidigung gegen den Existenzialismus: Meine Philosophie vernichtet das Individuum nicht; sie vollendet es. Die Kritiker verwechseln das abstrakte Individuum (die bloße Willkür, siehe Glossar) mit dem konkreten Individuum. Die Sittlichkeit (siehe Glossar) ist kein Moloch, der den Einzelnen frisst. Sie ist der einzige Ort, an dem die subjektive Freiheit (siehe Glossar) des Individuums (sein Gewissen, seine Berufswahl, seine Familie) objektive Realität und Anerkennung (siehe Glossar) findet. Der Geist ist nicht der Feind des Einzelnen; er ist die Substanz (das „Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist“), in der der Einzelne erst „heimisch“ und wahrhaft frei ist.

Fazit

„Geistphilosophie“ ist nicht die Leugnung der Materie, der Natur oder des Individuums. Sie ist die Wissenschaft, die begreift, wie die Vernunft (der Geist) die logische Struktur (der Begriff, siehe Glossar) ist, die sich in der Materie, durch die Natur und als freies Individuum verwirklicht.