163

Das Sittliche der Ehe besteht in dem Bewußtsein dieser Einheit als substantiellen Zweckes, hiermit in der Liebe, dem Zutrauen und der Gemeinsamkeit der ganzen individuellen Existenz, – in welcher Gesinnung und Wirklichkeit der natürliche Trieb zur Modalität eines Naturmoments, das eben in seiner Befriedigung zu erlöschen bestimmt ist, herabgesetzt wird, das geistige Band in seinem Rechte als das Substantielle, hiermit als das über die Zufälligkeit der Leidenschaften und des zeitlichen besonderen Beliebens Erhabene, an sich Unauflösliche sich heraushebt.

Daß die Ehe nicht das Verhältnis eines Vertrags über ihre wesentliche Grundlage ist, ist oben bemerkt worden (§ 75), denn sie ist gerade dies, vom Vertragsstandpunkte der in ihrer Einzelheit selbständigen Persönlichkeit auszugehen, um ihn aufzuheben. Die Identifizierung der Persönlichkeiten, wodurch die Familie eine Person ist und die Glieder derselben Akzidenzen [sind] (die Substanz ist aber wesentlich das Verhältnis zu ihr selbst von Akzidenzen; s. Enzyklop. der philos. Wissensch., § 98), ist der sittliche Geist, der für sich – abgestreift von der mannigfaltigen Äußerlichkeit, die er in seinem Dasein als in diesen Individuen und den in der Zeit und auf mancherlei Weisen bestimmten Interessen der Erscheinung hat – als eine Gestalt für die Vorstellung herausgehoben, als die Penaten usf. verehrt worden ist und überhaupt das ausmacht, worin der religiöse Charakter der Ehe und Familie, die Pietät, liegt. Es ist eine weitere Abstraktion, wenn das Göttliche, Substantielle von seinem Dasein getrennt und so auch die Empfindung und das Bewußtsein der geistigen Einheit als fälschlich sogenannte platonische Liebe fixiert worden ist; diese Trennung hängt mit der mönchischen Ansicht zusammen, durch welche das Moment der natürlichen Lebendigkeit als das schlechthin Negative bestimmt und ihm eben durch diese Trennung eine unendliche Wichtigkeit für sich gegeben wird.

Kommentare

4 Antworten zu „163“

  1. Avatar von Hegel
    Hegel

    Ehe ist Verbindung Bewußter, reflektierender.
    α) Das ganze Leben, nicht momentane Verbindung.
    β) Vorsorge – Voraussetzung von Kindern Übersicht des Umfangs der Folgen.
    γ) Platonische Liebe – gegen Empfindung. – Moment der Natürlichkeit – Höchstes diese geistige Einigkeit – Geist versiert als höchstes, in Weise der Existenz des Geistes: Wissenschaft, Staat, Kunst.

  2. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Die Ehe unterscheidet sich dadurch vom Konkubinat, daß es bei diesem letzteren hauptsächlich auf die Befriedigung des Naturtriebes ankommt, während dieser bei der Ehe zurückgedrängt ist. Deswegen wird bei der Ehe ohne Erröten von natürlichen Ereignissen gesprochen, die bei unehelichen Verhältnissen ein Schamgefühl hervorbrächten. Darum ist aber auch die Ehe an sich für unauflöslich zu achten; denn der Zweck der Ehe ist der sittliche, der so hoch steht, daß alles andere dagegen gewaltlos und ihm unterworfen erscheint. Die Ehe soll nicht durch Leidenschaft gestört werden, denn diese ist ihr untergeordnet. Aber sie ist nur an sich unauflöslich, denn wie Christus sagt: Nur um ihres Herzens Härtigkeit ist die Scheidung zugestanden.*) Weil die Ehe das Moment der Empfindung enthält, ist sie nicht absolut, sondern schwankend und hat die Möglichkeit der Auflösung in sich. Aber die Gesetzgebungen müssen diese Möglichkeit aufs höchste erschweren und das Recht der Sittlichkeit gegen das Belieben aufrechterhalten.
    *) vgl. Matth. 19, 8; Mark. 10, 5

  3. Avatar von Karl Marx
    Karl Marx

    Marx (11/1842), MEW 40, S. 390–391:

    „Es ist unzureichend, [wie in der rheinischen Gesetzgebung] die Ehe in zwei Wesen zu verteilen, in ein geistliches und in ein weltliches Wesen, so daß das eine nur der Kirche und dem Gewissen der einzelnen Individuen, das andere dem Staat und dem Rechtsbewußtsein der Staatsbürger anzuweisen sei. Man hebt dadurch nicht den Widerspruch auf, daß man ihn zu zwei verschiedenen Sphären verteilt, man schafft vielmehr einen Widerspruch und eine ungelöste Kollision zwischen diesen Lebenssphären selbst. […]
    „Erscheint an diesem Punkte der Grundmangel der rheinischen Jurisprudenz, ihre zwiespältige Weltanschauung, welche durch eine Trennung des Gewissens und des Rechtsbewußtseins auf oberflächliche Art die schwierigsten Kollisionen nicht löst, sondern entzweihaut, welche die Welt des Rechts von der Welt des Geistes, daher das Recht vom Geist, daher die Jurisprudenz von der Philosophie scheidet, so hat sich in der Opposition gegen das vorliegende Gesetz noch mehr die gänzliche Haltungslosigkeit der altpreußischen Jurisprudenz auf die unzweideutigste Weise manifestiert. Wenn es wahr ist, daß keine Gesetzgebung die Sittlichkeit verordnen, so ist es noch wahrer, daß keine Gesetzgebung sie als zu Recht gültig anerkennen kann.
    „Das preußische Landrecht basiert auf einer Verstandesabstraktion, die, in sich selbst inhaltslos, den natürlichen, rechtlichen, sittlichen Inhalt als äußerliche, in sich selbst gesetzlose Materie aufnahm und nun diese geist- und gesetzlose Materie nach einem äußern Zweck zu modeln, einzurichten und anzuordnen versuchte. Es behandelt die gegenständliche Welt nicht nach deren eingebornen Gesetzen, sondern nach willkürlichen, subjektiven Einfällen und nach einer außer der Sache selbst stehenden Absicht. Die altpreußischen Juristen haben nur wenig Einsicht in diese Natur des Landrechtes gezeigt. […] Sie haben in schlechten Sitten einen Beleg für schlechte Gesetze finden zu dürfen vermeint.
    „Wir verlangen von der Kritik vor allem, daß sie sich kritisch zu sich selbst verhalte und die Schwierigkeit ihres Gegenstandes nicht übersehe.“

  4. Avatar von Karl Marx
    Karl Marx

    Marx (12/1842), MEW 1, S. 149–151:

    [Die Gegner der Auflockerung der Ehescheidungsgesetze klagen, dass] „selbst die Vorstellung sittlicher Verhältnisse verlorengehen und jede sittliche Tatsache als ein Märchen und eine Lüge verstanden werden kann; was die unmittelbare Konsequenz solcher Gesetze ist, welche nicht die Hochachtung vor dem Menschen diktiert hat, ein Fehler, der dadurch nicht aufgehoben wird, daß man von der materiellen Verachtung zu der ideellen Verachtung übergeht und statt der bewußten Unterwerfung unter sittlich-natürliche Mächte einen bewußtlosen Gehorsam gegen eine übersittliche und übernatürliche Autorität verlangt. […]
    Der Gesetzgeber aber hat sich wie ein Naturforscher zu betrachten. Er macht die Gesetze nicht, er erfindet sie nicht, er formuliert sie nur, er spricht die innern Gesetze geistiger Verhältnisse in bewußten positiven Gesetzen aus. Wie man es nun als die maßloseste Willkür dem Gesetzgeber vorwerfen müßte, sobald er an die Stelle des Wesens der Sache seine Einfälle treten ließe, so hat doch wohl der Gesetzgeber nicht minder das Recht, es als die maßloseste Willkür zu betrachten, wenn Privatpersonen ihre Kapricen gegen das Wesen der Sache durchsetzen wollen. […] Die Weichheit gegen die Wünsche der Individuen [die der Gesetzgeber durch maßlose Auflockerung des Ehescheidungsgesetzes aufzeigen würde,] würde in eine Härte gegen das Wesen der Individuen, gegen ihre sittliche Vernunft, die sich in sittlichen Verhältnissen verkörpert, umschlagen. […]
    „Wer eine Ehe schließt, der macht, der erfindet die Ehe nicht, so wenig als ein Schwimmer die Natur und die Gesetze des Wassers und der Schwere erfindet. Die Ehe kann sich daher nicht seiner Willkür, sondern seine Willkür muß sich der Ehe fügen. Wer willkürlich die Ehe bricht, der behauptet, die Willkür, das Gesetzlose ist das Gesetz der Ehe. […] Ihr werdet doch nicht in demselben Momente die Willkür zum Gesetze machen wollen, wo ihr den Gesetzgeber der Willkür anklagt.
    „Hegel sagt: An sich, dem Begriffe nach, sei die Ehe untrennbar, aber nur an sich, d.h. nur ihrem Begriffe nach. Es ist damit nichts Eigentümliches über die Ehe gesagt. Alle sittlichen Verhältnisse sind ihrem Begriff nach unauflöslich, wie man sich leicht überzeugen kann, wenn man ihre Wahrheit voraussetzt. Ein wahrer Staat, eine wahre Ehe, eine wahre Freundschaft sind unauflöslich, aber kein Staat, keine Ehe, keine Freundschaft entsprechen durchaus ihrem Begriff, und wie die wirkliche Freundschaft sogar in der Familie, wie der wirkliche Staat in der Weltgeschichte, so ist die wirkliche Ehe im Staate auflösbar.
    „Keine sittliche Existenz entspricht oder muß wenigstens nicht ihrem Wesen entsprechen. Wie nun in der Natur von selbst die Auflösung und der Tod da erscheint, wo ein Dasein seiner Bestimmung durchaus nicht mehr entspricht, wie die Weltgeschichte entscheidet, ob ein Staat so sehr mit der Idee des Staates zerfallen ist, daß er nicht weiterzubestehen verdient, so entscheidet der Staat, unter welchen Bedingungen eine existierende Ehe aufgehört hat, eine Ehe zu sein. Die Ehescheidung ist nichts als die Erklärung: diese Ehe ist eine gestorbene Ehe, deren Existenz nur Schein und Trug ist.
    „Es versteht sich von selbst, daß weder die Willkür des Gesetzgebers noch die Willkür der Privatpersonen, sondern nur das Wesen der Sache entscheiden kann, ob eine Ehe gestorben ist oder nicht, denn eine Todeserklärung hängt bekanntermaßen vom Tatbestand und nicht von den Wünschen der beteiligten Parteien ab. […] Die Sicherheit, daß die Bedingungen, unter denen die Existenz eines sittlichen Verhältnisses seinem Wesen nicht mehr entspricht, treu, dem Stande der Wissenschaft und der allgemeinen Einsicht angemessen, ohne vorgefaßte Meinungen konstatiert werden, wird allerdings nur dann vorhanden sein, wenn das Gesetz der bewußte Ausdruck des Volkswillens, also mit ihm und durch ihn geschaffen ist.“

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