214

Außer der Anwendung auf das Besondere schließt aber das Gesetztsein des Rechts die Anwendbarkeit auf den einzelnen Fall in sich. Damit tritt es in die Sphäre des durch den Begriff unbestimmten Quantitativen (des Quantitativen für sich oder als Bestimmung des Werts bei Tausch eines Qualitativen gegen ein anderes Qualitatives). Die Begriffsbestimmtheit gibt nur eine allgemeine Grenze, innerhalb deren noch ein Hin- und Hergehen stattfindet. Dieses muß aber zum Behuf der Verwirklichung abgebrochen werden, womit eine innerhalb jener Grenze zufällige und willkürliche Entscheidung eintritt.

In dieser Zuspitzung des Allgemeinen, nicht nur zum Besonderen, sondern zur Vereinzelung, d. i. zur unmittelbaren Anwendung, ist es vornehmlich, wo das rein Positive der Gesetze liegt. Es läßt sich nicht vernünftig bestimmen noch durch die Anwendung einer aus dem Begriffe herkommenden Bestimmtheit entscheiden, ob für ein Vergehen eine Leibesstrafe von vierzig Streichen oder von vierzig weniger eins, noch ob eine Geldstrafe von fünf Talern oder aber auch von vier Talern und dreiundzwanzig usf. Groschen, noch ob eine Gefängnisstrafe von einem Jahre oder von dreihundertvierundsechszig usf. [Tagen] oder von einem Jahre und einem, zwei oder drei Tagen das Gerechte sei. Und doch ist schon ein Streich zuviel, ein Taler oder ein Groschen, eine Woche, ein Tag Gefängnis zuviel oder zuwenig eine Ungerechtigkeit. – Die Vernunft ist es selbst, welche anerkennt, daß die Zufälligkeit, der Widerspruch und Schein ihre, aber beschränkte Sphäre und Recht hat und sich nicht bemüht, dergleichen Widersprüche ins Gleiche und Gerechte zu bringen; hier ist allein noch das Interesse der Verwirklichung, das Interesse, daß überhaupt bestimmt und entschieden sei, es sei, auf welche Weise es (innerhalb einer Grenze) wolle, vorhanden. Dieses Entscheiden gehört der formellen Gewißheit seiner selbst, der abstrakten Subjektivität an, welche sich ganz nur daran halten mag, daß sie, innerhalb jener Grenze, nur abbreche und festsetze, damit festgesetzt sei, – oder auch an solche Bestimmungsgründe, wie eine runde Zahl ist, oder als die Zahl Vierzig weniger Eins enthalten mag. – Daß das Gesetz etwa nicht diese letzte Bestimmtheit, welche die Wirklichkeit erfordert, festsetzt, sondern sie dem Richter zu entscheiden überläßt und ihn nur durch ein Minimum und Maximum beschränkt, tut nichts zur Sache, denn dies Minimum und Maximum ist jedes selbst eine solche runde Zahl und hebt es nicht auf, daß von dem Richter alsdann eine solche endliche, rein positive Bestimmung gefaßt werde, sondern gesteht es demselben, wie notwendig, zu.

Kommentare

Eine Antwort zu „214“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Es ist wesentlich eine Seite an den Gesetzen und der Rechtspflege, die eine Zufälligkeit enthält und die darin liegt, daß das Gesetz eine allgemeine Bestimmung ist, die auf den einzelnen Fall angewandt werden soll. Wollte man sich gegen diese Zufälligkeit erklären, so würde man eine Abstraktion aussprechen. Das Quantitative einer Strafe kann z. B. keiner Begriffsbestimmung adäquat gemacht werden, und was auch entschieden wird, ist nach dieser Seite zu immer eine Willkür. Diese Zufälligkeit aber ist selbst notwendig; und wenn man daraus etwa gegen ein Gesetzbuch überhaupt argumentiert, daß es nicht vollkommen sei, so übersieht man eben die Seite, woran eine Vollendung nicht zu erreichen ist und die daher genommen werden muß, wie sie liegt.

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