227

Die erstere Seite, die Erkenntnis des Falles in seiner unmittelbaren Einzelheit und seine Qualifizierung, enthält für sich kein Rechtsprechen. Sie ist eine Erkenntnis, wie sie jedem gebildeten Menschen zusteht. Insofern für die Qualifikation der Handlung das subjektive Moment der Einsicht und Absicht des Handelnden (s. II. Teil) wesentlich ist und der Beweis ohnehin nicht Vernunft- oder abstrakte Verstandesgegenstände, sondern nur Einzelheiten, Umstände und Gegenstände sinnlicher Anschauung und subjektiver Gewißheit betrifft, daher keine absolut objektive Bestimmung in sich enthält, so ist das Letzte in der Entscheidung die subjektive Überzeugung und das Gewissen (animi sententia), wie in Ansehung des Beweises, der auf Aussagen und Versicherungen anderer beruht, der Eid die zwar subjektive, aber letzte Bewährung ist.

Kommentare

Eine Antwort zu „227“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Es ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß der juristische Richter allein den Tatbestand feststellen solle, da dies die Sache jeder allgemeinen Bildung ist und nicht einer bloß juristischen: die Beurteilung des Tatbestandes geht von empirischen Umständen aus, von Zeugnissen über die Handlung und dergleichen Anschauungen, dann aber wieder von Tatsachen, aus denen man auf die Handlung schließen kann und die sie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich machen. Es soll hier eine Gewißheit erlangt werden, keine Wahrheit im höheren Sinne, welche etwas durchaus Ewiges ist; diese Gewißheit ist hier die subjektive Überzeugung, das Gewissen, und die Frage ist: welche Form soll diese Gewißheit im Gericht erhalten? Die Forderung des Eingeständnisses von seiten des Verbrechers, welche sich gewöhnlich im deutschen Rechte vorfindet, hat das Wahre, daß dem Recht des subjektiven Selbstbewußtseins dadurch ein Genüge geschieht; denn das, was die Richter sprechen, muß im Bewußtsein nicht verschieden sein, und erst, wenn der Verbrecher eingestanden hat, ist kein Fremdes mehr gegen ihn in dem Urteil. Hier tritt nun aber die Schwierigkeit ein, daß der Verbrecher leugnen kann und dadurch das Interesse der Gerechtigkeit gefährdet wird. Soll nun wieder die subjektive Überzeugung des Richters gelten, so geschieht abermals eine Härte, indem der Mensch nicht mehr als freier behandelt wird. Die Vermittlung ist nun, daß gefordert wird, der Ausspruch der Schuld oder Unschuld solle aus der Seele des Verbrechers gegeben sein, – das Geschworenengericht.

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