2. Die Souveränität, zunächst nur der allgemeine Gedanke dieser Idealität, existiert nur als die ihrer selbst gewisse Subjektivität und als die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung liegt. Es ist dies das Individuelle des Staats als solches, der selbst nur darin einer ist. Die Subjektivität aber ist in ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person, und in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung. Dies absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern ein Individuum, der Monarch.
Die immanente Entwicklung einer Wissenschaft, die Ableitung ihres ganzen Inhalts aus dem einfachen Begriffe (sonst verdient eine Wissenschaft wenigstens nicht den Namen einer philosophischen Wissenschaft) zeigt das Eigentümliche, daß der eine und derselbe Begriff, hier der Wille, der anfangs, weil es der Anfang ist, abstrakt ist, sich erhält, aber seine Bestimmungen, und zwar ebenso nur durch sich selbst, verdichtet und auf diese Weise einen konkreten Inhalt gewinnt. So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte abstrakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen von Subjektivität fortgebildet hat und hier im absoluten Rechte, dem Staate, der vollkommen konkreten Objektivität des Willens, die Persönlichkeit des Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst – dieses Letzte, was alle Besonderheiten in dem einfachen Selbst aufhebt, das Abwägen der Gründe und Gegengründe, zwischen denen sich immer herüber und hinüber schwanken läßt, abbricht und sie durch das „Ich will“ beschließt und alle Handlung und Wirklichkeit anfängt. – Die Persönlichkeit und die Subjektivität überhaupt hat aber ferner, als unendliches sich auf sich Beziehendes, schlechthin nur Wahrheit, und zwar seine nächste unmittelbare Wahrheit als Person, für sich seiendes Subjekt, und das für sich Seiende ist ebenso schlechthin Eines. Die Persönlichkeit des Staates ist nur als eine Person, der Monarch, wirklich. – Persönlichkeit drückt den Begriff als solchen aus, die Person enthält zugleich die Wirklichkeit desselben, und der Begriff ist nur mit dieser Bestimmung Idee, Wahrheit. – Eine sogenannte moralische Person, Gesellschaft, Gemeinde, Familie, so konkret sie in sich ist, hat die Persönlichkeit nur als Moment, abstrakt in ihr; sie ist darin nicht zur Wahrheit ihrer Existenz gekommen; der Staat aber ist eben diese Totalität, in welcher die Momente des Begriffs zur Wirklichkeit nach ihrer eigentümlichen Wahrheit gelangen. – Alle diese Bestimmungen sind schon für sich und in ihren Gestaltungen im ganzen Verlauf dieser Abhandlung erörtert, aber hier darum wiederholt worden, weil man sie zwar in ihren besonderen Gestaltungen leicht zugibt, aber da sie gerade nicht wieder erkennt und auffaßt, wo sie in ihrer wahrhaften Stellung, nicht vereinzelt, sondern nach ihrer Wahrheit, als Momente der Idee vorkommen. – Der Begriff des Monarchen ist deswegen der schwerste Begriff für das Räsonnement, d. h. für die reflektierende Verstandesbetrachtung, weil es in den vereinzelten Bestimmungen stehenbleibt und darum dann auch nur Gründe, endliche Gesichtspunkte und das Ableiten aus Gründen kennt. So stellt es dann die Würde des Monarchen als etwas nicht nur der Form, sondern ihrer Bestimmung nach Abgeleitetes dar; vielmehr ist sein Begriff, nicht ein Abgeleitetes, sondern das schlechthin aus sich Anfangende zu sein. Am nächsten trifft daher hiermit die Vorstellung zu, das Recht des Monarchen als auf göttliche Autorität gegründet zu betrachten, denn darin ist das Unbedingte desselben enthalten. Aber es ist bekannt, welche Mißverständnisse sich hieran geknüpft haben, und die Aufgabe der philosophischen Betrachtung ist, eben dies Göttliche zu begreifen.
Volkssouveränität kann in dem Sinn gesagt werden, daß ein Volk überhaupt nach außen ein Selbständiges sei und einen eigenen Staat ausmache wie das Volk von Großbritannien, aber das Volk von England oder Schottland, Irland, oder von Venedig, Genua, Ceylon usf. kein souveränes Volk mehr sei, seitdem sie aufgehört haben, eigene Fürsten oder oberste Regierungen für sich zu haben. – Man kann so auch von der Souveränität nach innen sagen, daß sie im Volke residiere, wenn man nur überhaupt vom Ganzen spricht, ganz so wie vorhin (§ 277, 278) gezeigt ist, daß dem Staate Souveränität zukomme. Aber Volkssouveränität, als im Gegensatze gegen die im Monarchen existierende Souveränität genommen, ist der gewöhnliche Sinn, in welchem man in neueren Zeiten von Volkssouveränität zu sprechen angefangen hat, – in diesem Gegensatze gehört die Volkssouveränität zu den verworrenen Gedanken, denen die wüste Vorstellung des Volkes zugrunde liegt. Das Volk, ohne seinen Monarchen und die eben damit notwendig und unmittelbar zusammenhängende Gliederung des Ganzen genommen, ist die formlose Masse, die kein Staat mehr ist und der keine der Bestimmungen, die nur in dem in sich geformten Ganzen vorhanden sind – Souveränität, Regierung, Gerichte, Obrigkeit, Stände und was es sei -, mehr zukommt. Damit, daß solche auf eine Organisation, das Staatsleben, sich beziehende Momente in einem Volke hervortreten, hört es auf, dies unbestimmte Abstraktum zu sein, das in der bloß allgemeinen Vorstellung Volk heißt. – Wird unter der Volkssouveränität die Form der Republik, und zwar bestimmter der Demokratie verstanden (denn unter Republik begreift man sonstige mannigfache empirische Vermischungen, die in eine philosophische Betrachtung ohnehin nicht gehören), so ist teils oben (bei § 273 in der Anmerkung) das Nötige gesagt, teils kann gegen die entwickelte Idee nicht mehr von solcher Vorstellung die Rede sein. – In einem Volke, das weder als ein patriarchalischer Stamm, noch in dem unentwickelten Zustande, in welchem die Formen der Demokratie oder Aristokratie möglich sind (s. Anm. ebend.), noch sonst in einem willkürlichen und unorganischen Zustande vorgestellt, sondern als eine in sich entwickelte, wahrhaft organische Totalität gedacht wird, ist die Souveränität als die Persönlichkeit des Ganzen und diese in der ihrem Begriffe gemäßen Realität, als die Person des Monarchen.
Auf der vorhin bemerkten Stufe, auf welcher die Einteilung der Verfassungen in Demokratie, Aristokratie und Monarchie gemacht worden ist, dem Standpunkte der noch in sich bleibenden substantiellen Einheit, die noch nicht zu ihrer unendlichen Unterscheidung und Vertiefung in sich gekommen ist, tritt das Moment der letzten sich selbst bestimmenden Willensentscheidung nicht als immanentes organisches Moment des Staates für sich in eigentümliche Wirklichkeit heraus. Immer muß zwar auch in jenen unausgebildeteren Gestaltungen des Staats eine individuelle Spitze entweder, wie in den dahin gehörenden Monarchien, für sich vorhanden sein oder, wie in den Aristokratien, vornehmlich aber in den Demokratien, sich in den Staatsmännern, Feldherren nach Zufälligkeit und dem besonderen Bedürfnis der Umstände erheben; denn alle Handlung und Wirklichkeit hat ihren Anfang und ihre Vollführung in der entschiedenen Einheit eines Anführers. Aber eingeschlossen in die gediegen bleibende Vereinung der Gewalten muß solche Subjektivität des Entscheidens teils ihrem Entstehen und Hervortreten nach zufällig, teils überhaupt untergeordnet sein; nicht anderswo daher als jenseits solcher bedingten Spitzen konnte das unvermischte, reine Entscheiden, ein von außen her bestimmendes Fatum, liegen. Als Moment der Idee mußte es in die Existenz treten, aber außerhalb der menschlichen Freiheit und ihres Kreises, den der Staat befaßt, wurzelnd. – Hier liegt der Ursprung des Bedürfnisses, von Orakeln, dem Dämon (beim Sokrates), aus Eingeweiden der Tiere, dem Fressen und Fluge der Vögel usf. die letzte Entscheidung über die großen Angelegenheiten und für die wichtigen Momente des Staats zu holen – eine Entscheidung, welche die Menschen, noch nicht die Tiefe des Selbstbewußtseins erfassend und aus der Gediegenheit der substantiellen Einheit zu diesem Fürsichsein gekommen, noch nicht innerhalb des menschlichen Seins zu sehen die Stärke hatten. – Im Dämon des Sokrates (vgl. oben § 138) können wir den Anfang sehen, daß der sich vorher nur jenseits seiner selbst versetzende Wille sich in sich verlegte und sich innerhalb seiner erkannte – der Anfang der sich wissenden und damit wahrhaften Freiheit. Diese reelle Freiheit der Idee, da sie eben dies ist, jedem der Momente der Vernünftigkeit seine eigene, gegenwärtige, selbstbewußte Wirklichkeit zu geben, ist es, welche somit die letzte sich selbst bestimmende Gewißheit, die die Spitze im Begriffe des Willens ausmacht, der Funktion eines Bewußtseins zuteilt. Diese letzte Selbstbestimmung kann aber nur insofern in die Sphäre der menschlichen Freiheit fallen, als sie die Stellung der für sich abgesonderten, über alle Besonderung und Bedingung erhabenen Spitze hat; denn nur so ist sie nach ihrem Begriffe wirklich.
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