279

2. Die Souveränität, zunächst nur der allgemeine Gedanke dieser Idealität, existiert nur als die ihrer selbst gewisse Subjektivität und als die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung liegt. Es ist dies das Individuelle des Staats als solches, der selbst nur darin einer ist. Die Subjektivität aber ist in ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person, und in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung. Dies absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern ein Individuum, der Monarch.

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3 Antworten zu „279“

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    Karl Marx

    § 279. »Die Souveränität, zunächst nur der allgemeine Gedanke dieser Idealität, existiert nur als die ihrer selbst gewisse Subjektivität und als die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung |224|* liegt. Es ist dies das Individuelle des Staats als solches, der selbst nur darin Einer ist. Die Subjektivität aber ist in ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person, und in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung. Dies absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch.«

    1. »Die Souveränität, zunächst nur der allgemeine Gedanke dieser Idealität, existiert nur als die ihrer selbst gewisse Subjektivität […] Die Subjektivität ist in ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person. In der |224| zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes […] für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung.«
    2. Die Souveränität »existiert nur […] als die abstrakte. Insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung liegt. Es ist dies das Individuelle des Staats als solches, der selbst darin nur Einer ist […] (und in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung). Dies absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch.«

    Der erste Satz heißt nichts, als daß der allgemeine Gedanke dieser Idealität, dessen traurige Existenz wir eben gesehn haben, das selbstbewußte Werk der Subjekte sein und als solches für sie und in ihnen existieren müßte.

    Wäre Hegel von den wirklichen Subjekten als den Basen des Staats ausgegangen, so hätte er nicht nötig, auf eine mystische Weise den Staat sich versubjektivieren zu lassen. »Die Subjektivität«, sagt Hegel, »aber ist in ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person.« Auch dies ist eine Mystifikation. Die Subjektivität ist eine Bestimmung des Subjekts, die Persönlichkeit eine Bestimmung der Person. Statt sie nun als Prädikate ihrer Subjekte zu fassen, verselbständigt Hegel die Prädikate und läßt sie hinterher auf eine mystische Weise in ihre Subjekte sich verwandeln.

    Die Existenz der Prädikate ist das Subjekt: also das Subjekt die Existenz der Subjektivität etc. Hegel verselbständigt die Prädikate, die Objekte, aber er verselbständigt sie getrennt von ihrer wirklichen Selbständigkeit, ihrem Subjekt. Nachher erscheint dann das wirkliche Subjekt als Resultat, während vom wirklichen Subjekt auszugehn und seine Objektivation zu betrachten ist. Zum wirklichen Subjekt wird daher die mystische Substanz, und das reelle Subjekt erscheint als ein andres, als ein Moment der mystischen Substanz. Eben weil Hegel von den Prädikaten der allgemeinen Bestimmung statt von dem reellen Ens |Subjekt| ausgeht. und doch ein Träger dieser Bestimmung da sein muß, wird die mystische Idee dieser Träger. Es ist dies der Dualismus, daß Hegel das Allgemeine nicht als das wirkliche Wesen |225| des Wirklich-Endlichen, d. i. Existierenden, Bestimmten betrachtet oder das wirkliche Ens nicht als das wahre Subjekt des Unendlichen.

    So wird hier die Souveränität, das Wesen des Staats, zuerst als ein selbständiges Wesen betrachtet, vergegenständlicht. Dann, versteht sich, muß dies Objektive wieder Subjekt werden. Dies Subjekt erscheint aber dann als eine Selbstverkörperung der Souveränität, während die Souveränität nichts anders ist als der vergegenständlichte Geist der Staatssubjekte.

    Abgesehn von diesem Grundmangel der Entwicklung, betrachten wir diesen ersten Satz des Paragraphen. Wie er daliegt, so heißt er nichts als: die Souveränität, der Idealismus des Staats als Person, als »Subjekt« existiert, versteht sich, als viele Personen, viele Subjekte, da keine einzelne Person die Sphäre der Persönlichkeit, kein einzelnes Subjekt die Sphäre der Subjektivität im sich absorbiert. Was sollte das auch für ein Staatsidealismus sein, der, statt als das wirkliche Selbstbewußtsein der Staatsbürger, als die gemeinsame Seele du Staats, eine Person, ein Subjekt wäre. Mehr hat Hegel auch nicht an diesem Sitz entwickelt. Aber betrachten wir nun den mit diesem Satz verschränkten zweiten Satz. Es ist Hegel darum zu tun, den Monarchen als den wirklichen »Gottmenschen«, als die wirkliche Verkörperung der Idee darzustellen.

    »Die Souveränität … existiert nur … als die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung liegt. Es ist dies das Individuelle des Staats als solches, der selbst nur darin Einer ist … in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung. Dies absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch.«

    Wir haben vorher schon auf den Satz aufmerksam gemacht. Das Moment des Beschließens, der willkürlichen, weil bestimmten Entscheidung ist die fürstliche Gewalt des Willens überhaupt. Die Idee der fürstlichen Gewalt, wie ,je Hegel entwickelt, ist nichts anders, als die Idee des Willkürlichen, der Entscheidung des Willens.

    Während Hegel aber eben die Souveränität als den Idealismus des Staats, als die wirkliche Bestimmung der Teile durch die Idee des Ganzen auffaßt, macht er sie jetzt zur »abstrakten, insofern grundlosen Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung ist. Es ist dies das Individuelle des Staats als solches.« Vorhin war von der Subjektivität, jetzt ist von der Individualität die Rede. Der Staat als souveräner muß Einer, Ein Individuum, sein, Individualität besitzen. Der Staat ist »nicht nur« darin, in dieser Individualität Einer; die Individualität ist nur das natürliche Moment seiner Einheit die Naturbestimmung des Staats. »Dies absolut entscheidende Moment |226| ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch.« Woher? Weil »jedes der drei Momente des Begriffes in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung seine für sich wirkliche, ausgesonderte Gestaltung« hat. Ein Moment des Begriffes ist die »Einzelnheit«, allein dies ist noch nicht Ein Individuum. Und was sollte das auch für eine Verfassung sein, wo die Allgemeinheit, die Besonderheit, die Einzelnheit, jede »seine für sich wirkliche, ausgesonderte Gestaltung« hätte? Da es sich überhaupt von keinem Abstraktum, sondern vom Staat, von der Gesellschaft handelt, so kann man selbst die Klassifikation Hegels annehmen. Was folgte daraus? Der Staatsbürger als das Allgemeine bestimmend ist Gesetzgeber, als das Einzelne entscheidend, als wirklich wollend, ist Fürst; was sollte das heißen: Die Individualität des Staatswillens ist »ein. Individuum«, ein besonderes, von allen unterschiedenes Individuum? Auch die Allgemeinheit, die Gesetzgebung hat eine »für sich wirkliche, ausgesonderte Gestaltung«. Könnte man daher schließen: »Die Gesetzgebung sind diese besonderen Individuen.«

    Der gemeine Mann:

    Hegel:

    2. Der Monarch hat die souveräne Gewalt, die Souveränität.
    3. Die Souveränität tut, was sie will.

    2. Die Souveränität des Staats ist der Monarch.
    3. Die Souveränität ist »die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Letzte der Entscheidung liegt«.

    Alle Attribute des konstitutionellen Monarchen im jetzigen Europa macht Hegel zu absoluten Selbstbestimmungen des Willens. Er sagt nicht: Der Wille des Monarchen ist die letzte Entscheidung, sondern: Die letzte Entscheidung des Willens ist – der Monarch. Der erste Satz ist empirisch, Der zweite verdreht die empirische Tatsache in ein metaphysisches Axiom.

    Hegel verschränkt die beiden Subjekte, die Souveränität »als die ihrer selbst gewisse Subjektivität« und die Souveränität »als die grundlose Selbstbestimmung des Willens, als den individuellen Willen« durcheinander, um die »Idee« als »Ein Individuum« herauszukonstruieren.

    Es versteht sich, daß die selbstgewisse Subjektivität auch wirklich wollen, auch als Einheit, als Individuum wollen muß. Wer hat aber auch je bezweifelt, daß der Staat durch Individuen handelt? Wollte Hegel entwickeln; Der Staat muß ein Individuum als Repräsentanten seiner individuellen Einheit haben, so brachte er den Monarchen nicht heraus. Wir halten als positives Resultat dieses Paragraphen nur fest:

    |227| Der Monarch ist im Staate das Moment des individuellen Willens, der grundlosen Selbstbestimmung, der Willkür.

    Die Anmerkung Hegels zu diesem Paragraphen ist so merkwürdig, daß wir sie näher beleuchten müssen.

    »Die immanente Entwickelung einer Wissenschaft, die Ableitung ihres ganzen Inhalts aus dem einfachen Begriffe … zeigt das Eigentümliche, daß der eine und derselbe Begriff, hier der Wille, der anfangs, weil es der Anfang ist, abstrakt ist, sich erhält, aber seine Bestimmungen und zwar ebenso nur durch sich selbst verdichtet und auf diese Weise einen konkreten Inhalt gewinnt. So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte abstrakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen von Subjektivität fortgebildet hat und hier im absoluten Rechte, dem Staate, dir, vollkommen konkreten Objektivität des Willens, die Persönlichkeit des Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst – dieses Letzte, was alle Besonderheiten in dem einfachen Selbst aufhebt, das Abwägen der Gründe und Gegengründe, zwischen denen sich immer herüber und hinüber schwanken läßt, abbricht und sie durch das: Ich will, beschließt, und alle Handlung und Wirklichkeit anfängt.«

    Zunächst ist es nicht die »Eigentümlichkeit der Wissenschaft«, daß der Fundamentalbegriff der Sache immer wiederkehrt.

    Dann hat aber auch kein Fortschritt stattgefunden. Die abstrakte Persönlichkeit war das Subjekt des abstrakten Rechts; sie hat sich nicht verändert; sie ist wieder als abstrakte Persönlichkeit die Persönlichkeit des Staats. Hegel bitte sich nicht darüber verwundern sollen, daß die wirkliche Person – und die Personen machen den Staat – überall als sein Wesen wiederkehrt. Er hätte sich über das Gegenteil wundern müssen, noch mehr aber darüber, daß die Person als Staatsperson in derselben dürftigen Abstraktion wiederkehrt wie die Person des Privatrechts.

    Hegel definiert hier den Monarchen als »die Persönlichkeit des Staats, seine Gewißheit seiner selbst«. Der Monarch ist die »personifizierte Souveränität«, die »menschgewordene Souveränität«, das leibliche Staatsbewußtsein, wodurch also alle andern von dieser Souveränität und von der Persönlichkeit und vom Staatsbewußtsein ausgeschlossen sind. Zugleich weiß aber Hegel dieser »Souverainité Personne« |personifizierten Souveränität| keinen andern Inhalt zu geben als das »Ich will«, das Moment der Willkür im Willen. Die »Staatsvernunft« und das. »Staatsbewußtsein« ist eine »einzige empirische Person mit Ausschluß aller anderen, aber diese personifizierte Vernunft hat keinen anderen Inhalt als die Abstraktion des »Ich will«. L’Etat c’est moi.

    »Die Persönlichkeit und die Subjektivität überhaupt hat aber ferner, als unendliches sich auf sich Beziehendes, schlechthin nur Wahrheit, und zwar seine nächste |228| unmittelbare Wahrheit als Person, für sich seiendes Subjekt, und das für sich Seiende ist ebenso schlechthin Eines.«

    Es versteht sich von selbst, da Persönlichkeit und Subjektivität nur Prädikate der Person und des Subjekts sind, so existieren sie nur als Person und Subjekt, und zwar ist die Person Eins. Aber, mußte Hegel fortfahren, das Eins hat schlechthin nur Wahrheit als viele Eins. Das Prädikat, das Wesen erschöpft die Sphären seiner Existenz nie in einem Eins, sondern in den vielen Eins.

    Statt dessen schließt Hegel:

    »Die Persönlichkeit des Staates ist nur als eine Person, der Monarch, wirklich.«

    Also weil die Subjektivität nur als Subjekt und das Subjekt nur als Eins, ist die Persönlichkeit des Staats nur als eine Person wirklich. Ein schöner Schluß. Hegel könnte ebensogut schließen: Weil der einzelne Mensch ein Eins ist, ist die Menschengattung nur ein einziger Mensch.

    »Persönlichkeit drückt den Begriff als solchen aus, die Person enthält zugleich die Wirklichkeit desselben, und der Begriff ist nur mit dieser Bestimmung Idee, Wahrheit.«

    Die Persönlichkeit ist allerdings nur eine Abstraktion ohne die Person, aber die Person ist nur die wirkliche Idee der Persönlichkeit in ihrem Gattungsdasein, als die Personen.

    »Eine sogenannte moralische Person, Gesellschaft, Gemeinde, Familie, so konkret sie in sich ist, hat die Persönlichkeit nur als Moment, abstrakt in ihr; sie ist darin nicht zur Wahrheit ihrer Existenz gekommen, der Staat aber ist eben diese Totalität, in welcher die Momente des Begriffs zur Wirklichkeit nach ihrer eigentümlichen Wahrheit gelangen.«

    Es herrscht eine große Konfusion in diesem Satz. Die moralische Person, Gesellschaft etc. wird abstrakt genannt, also eben die Gattungsgestaltungen, in welchen die wirkliche Person ihren wirklichen Inhalt zum Dasein bringt, sich verobjektiviert und die Abstraktion der »Person quand même« |als solcher| aufgibt. Statt diese Verwirklichung der Person als das Konkreteste anzuerkennen, soll der Staat den Vorzug haben, daß »das Moment des Begriffs«, die »Einzelnheit« zu einem mystischen »Dasein« gelangt. Das Vernünftige besteht nicht darin, daß die Vernunft der wirklichen Person, sondern darin, daß die Momente des abstrakten Begriffs zur Wirklichkeit gelangen.

    »Der Begriff des Monarchen ist deswegen der schwerste Begriff für das Räsonnement, d.h. für die reflektierende Verstandesbetrachtung, weil es in den vereinzelten |229| Bestimmungen stehenbleibt und darum dann auch nur Gründe, endliche Gesichtspunkte und das Ableiten aus Gründen kennt. So stellt es dann die Würde des Monarchen als etwas nicht nur der Form, sondern ihrer Bestimmung nach Abgeleitetes dar; vielmehr ist sein Begriff, nicht ein Abgeleitetes, sondern das schlechthin aus sich Anfangende zu sein. Am nächsten« (freilich!) »trifft daher hiermit die Vorstellung zu, das Recht des Monarchen als auf göttliche Autorität gegründet zu betrachten, denn darin ist das Unbedingte desselben enthalten.«

    »Schlechthin aus sich anfangend« ist in gewissem Sinn jedes notwendige Dasein; in dieser Hinsicht die Laus des Monarchen so gut als der Monarch. Hegel hatte damit also nicht Besondres über den Monarchen gesagt. Soll aber etwas von allen übrigen Objekten der Wissenschaft und der Rechtsphilosophie spezifisch Verschiedenes vom Monarchen gelten, so ist das eine wirkliche Narrheit; bloß insofern richtig, als die »eine Person-Idee« allerdings etwas nur aus der Imagination und nicht aus dem Verstande Abzuleitendes ist.

    »Volkssouveränität kann in dem Sinn gesagt werden, daß ein Volk überhaupt nach Außen ein Selbständiges sei und einen eigenen Staat ausmache« etc.

    Das ist eine Trivialität. Wenn der Fürst die »wirkliche Staatssouveränität ist, so müßte auch nach außen »der Fürst« für einen »selbständigen Staat« gelten können, auch ohne das Volk. Ist er aber souverän, insofern er die Volkseinheit repräsentiert, so ist er also selbst nur Repräsentant, Symbol der Volkssouveränität. Die Volkssouveränität ist nicht durch ihn, sondern umgekehrt er durch sie.

    »Man kann so auch von der Souveränität nach Innen sagen, daß sie im Volke residiere, wenn man nur überhaupt vom Ganzen spricht, ganz so wie vorhin (§ 277, 278) gezeigt ist, daß dem Staate Souveränität zukomme.«

    Als wäre nicht das Volk der wirkliche Staat. Der Staat ist ein Abstraktum. Das Volk allein ist das Konkretum. Und es ist merkwürdig, daß Hegel, der ohne Bedenken dem Abstraktum, nur mit Bedenken und Klauseln dem Konkretum eine lebendige Qualität wie die der Souveränität beilegt.

    »Aber Volkssouveränität, als im Gegensatze gegen die im Monarchen existierende Souveränität genommen, ist der gewöhnliche Sinn, in welchem man in neueren Zeiten von Volkssouveränität zu sprechen angefangen hat -, in diesem Gegensatze gehört die Volkssouveränität zu den verworrenen Gedanken, denen die wüste Vorstellung des Volkes zugrunde liegt.«

    Die »verworrenen Gedanken« und die »wüste Vorstellung« befindet sich hier allein auf der Seite Hegels. Allerdings: wenn die Souveränität im Monarchen existiert, so ist es eine Narrheit, von einer gegensätzlichen Souveränität |230| im Volke zu sprechen; denn es liegt im Begriff der Souveränität, daß sie keine doppelte und gar entgegengesetzte Existenz haben kann. Aber:

    1. ist grade die Frage: Ist die Souveränität, die im Monarchen absorbiert ist, nicht eine Illusion? Souveränität des Monarchen oder des Volkes, das ist die question.
    2. kann auch von einer Souveränität des Volkes im Gegensatz gegen die im Monarchen existierende Souveränität gesprochen werden. Aber dann handelt es sich nicht um eine und dieselbe Souveränität, die auf zwei Seiten entstanden, sondern es handelt sich um zwei ganz entgegengesetzte Begriffe der Souveränität, von denen die eine eine solche ist, die in einem Monarchen, die andre eine solche, die nur in einem Volke zur Existenz kommen kann. Ebenso wie es sich fragt: Ist Gott der Souverän, oder ist der Mensch der Souverän? Eine von beiden ist eine Unwahrheit, wenn auch eine existierende Unwahrheit.

    »Das Volk, ohne seinen Monarchen und die eben damit notwendig und unmittelbar zusammenhängende Gegliederung des Ganzen genommen, ist die formlose Masse, die kein Staat mehr ist und der keine der Bestimmungen, die nur in dem in sich geformten Ganzen vorhanden sind, – Souveränität, Regierung, Gerichte, Obrigkeit, Stände und was es sei, mehr zukommt. Damit, daß solche auf eine Organisation, das Staatsleben, sich beziehende Momente in einem Volke hervortreten, hört es auf, dies unbestimmte Abstraktum zu sein, das in der bloß allgemeinen Vorstellung Volk heißt.«

    Dies Ganze eine Tautologie. Wenn ein Volk einen Monarchen und eine mit ihm notwendig und unmittelbar zusammenhängende Gliederung hat, d.h., wenn es als Monarchie gegliedert ist, so ist es allerdings, aus dieser Gliederung herausgenommen, eine formlose Masse und bloß allgemeine Vorstellung.

    »Wird unter der Volkssouveränität die Form der Republik und zwar bestimmter der Demokratie verstanden […], so […] kann gegen die entwickelte Idee nicht mehr von solcher Vorstellung die Rede sein.«

    Das ist allerdings richtig, wenn man nur eine »solche Vorstellung« und keine »entwickelte Idee« von der Demokratie hat.

    Die Demokratie ist die Wahrheit der Monarchie, die Monarchie ist nicht die Wahrheit der Demokratie. Die Monarchie ist notwendig Demokratie als Inkonsequenz gegen sich selbst, das monarchische Moment ist keine Inkonsequenz in der Demokratie. Die Monarchie kann nicht, die Demokratie kann aus sich selbst begriffen werden. In der Demokratie erlangt keines der Momente eine andere Bedeutung, als ihm zukommt. Jedes ist wirklich nur Moment des ganzen Demos. In der Monarchie bestimmt ein Teil den Charakter des Ganzen. Die ganze Verfassung muß sich nach dem festen Punkt modifizieren. Die Demokratie ist die Verfassungsgattung. Die Monarchie ist eine |231| Art, und zwar eine schlechte Art. Die Demokratie ist Inhalt und Form. Die Monarchie soll nur Form sein, aber sie verfälscht den Inhalt.

    In der Monarchie ist das Ganze, das Volk, unter eine seiner Daseinsweisen, die politische Verfassung, subsumiert; in der Demokratie erscheint die Verfassung selbst nur als eine Bestimmung, und zwar Selbstbestimmung des Volks. In der Monarchie haben wir das Volk der Verfassung; in der Demokratie die Verfassung des Volks. Die Demokratie ist das aufgelöste Rätsel aller Verfassungen. Hier ist die Verfassung nicht nur an sich, dem Wesen nach, sondern der Existenz, der Wirklichkeit nach in ihren wirklichen Grund, den wirklichen Menschen, das wirkliche Volk, stets zurückgeführt und als sein eigenes Werk gesetzt. Die Verfassung erscheint als das, was sie ist, freies Produkt des Menschen; man könnte sagen, daß dies in gewisser Beziehung auch von der konstitutionellen Monarchie gelte, allein der spezifische Unterschied der Demokratie ist, daß hier die Verfassung überhaupt nur ein Daseinsmoment des Volkes, daß nicht die politische Verfassung für sich den Staat bildet.

    Hegel geht vom Staat aus und macht den Menschen zum versubjektivierten Staat; die Demokratie geht vom Menschen aus und macht den Staat zum verobjektivierten Menschen. Wie die Religion nicht den Menschen, sondern wie der Mensch die Religion schafft, so schafft nicht die Verfassung das Volk, sondern das Volk die Verfassung. Die Demokratie verhält sich in gewisser Hinsicht zu allen übrigen Staatsformen wie das Christentum sich zu allen übrigen Religionen verhält. Das Christentum ist die Religion vorzugsweise, das Wesen der Religion, der deifizierte Mensch als eine besondre Religion. So ist die Demokratie das Wesen aller Staatsverfassung, der sozialisierte Mensch, als eine besondre Staatsverfassung; sie verhält sich zu den übrigen Verfassungen, wie die Gattung sich zu ihren Arten verhält, nur daß hier die Gattung selbst als Existenz, darum gegenüber den dem Wesen nicht entsprechenden Existenzen selbst als eine besondre Art erscheint. Die Demokratie verhält sich zu allen übrigen Staatsformen als ihrem alten Testament. Der Mensch ist nicht des Gesetzes, sondern das Gesetz ist des Menschen wegen da, es ist menschliches Dasein, während in den andern der Mensch das gesetzliche Dasein ist. Das ist die Grunddifferenz der Demokratie.

    Alle übrigen Staatsbildungen sind eine gewisse, bestimmte, besondere Staatsform. In der Demokratie ist das formelle Prinzip zugleich das materielle Prinzip. Sie ist daher erst die wahre Einheit des Allgemeinen und Besondern. In der Monarchie z.B., in der Republik als einer nur besondern |232| Staatsform, hat der politische Mensch sein besonderes Dasein neben dem unpolitischen, dem Privatmenschen. Das Eigentum, der Vertrag, die Ehe, die bürgerliche Gesellschaft erscheinen hier (wie dies Hegel für diese abstrakten Staatsformen ganz richtig entwickelt, nur daß er die Idee des Staats zu entwickeln meint) als besondre Daseinsweisen neben dem politischen Staat, als der Inhalt, zu dem sich der politische Staat als die organisierende Form verhält, eigentlich nur als der bestimmende, beschränkende, bald bejahende, bald verneinende, in sich selbst inhaltslose Verstand. In der Demokratie ist der politische Staat, so wie er sich neben diesen Inhalt stellt und von ihm unterscheidet, selbst nur ein besondrer Inhalt, wie eine besondre Daseinsform des Volkes. In der Monarchie z.B. hat dies Besondre, die politische Verfassung, die Bedeutung des alles Besondern beherrschenden und bestimmenden Allgemeinen. In der Demokratie ist der Staat als Besondres nur Besondres, als Allgemeines das wirkliche Allgemeine, d.h. keine Bestimmtheit im Unterschied zu dem andern Inhalt. Die neueren Franzosen haben dies so aufgefaßt, daß in der wahren Demokratie der politische Staat untergehe. Dies ist insofern richtig, als er qua politischer Staat, als Verfassung, nicht mehr für das Ganze gilt.

    In allen von der Demokratie unterschiednen Staaten ist der Staat, das Gesetz, die Verfassung das Herrschende, ohne daß er wirklich herrschte, d.h. den Inhalt der übrigen nicht politischen Sphären materiell durchdringe. In der Demokratie ist die Verfassung, das Gesetz, der Staat selbst nur eine Selbstbestimmung des Volks und ein bestimmter Inhalt desselben, soweit er politische Verfassung ist.

    Es versteht sich übrigens von selbst, daß alle Staatsformen zu ihrer Wahrheit die Demokratie haben und daher eben, soweit sie nicht die Demokratie sind, unwahr sind.

    In den alten Staaten bildet der politische Staat den Staatsinhalt mit Ausschließung der andern Sphären; der moderne Staat ist eine Akkommodation zwischen dem politischen und dem unpolitischen Staat.

    In der Demokratie hat der abstrakte Staat aufgehört, das herrschende Moment zu sein. Der Streit zwischen Monarchie und Republik ist selbst noch ein Streit innerhalb des abstrakten Staats. Die politische Republik ist die Demokratie innerhalb der abstrakten Staatsform. Die abstrakte Staatsform der Demokratie ist daher die Republik; sie hört hier aber auf, die nur politische Verfassung zu sein.

    Das Eigentum etc., kurz der ganze Inhalt des Rechts und des Staats, ist mit wenigen Modifikationen in Nordamerika dasselbe wie in Preußen. Dort ist also die Republik eine bloße Staatsform wie hier die Monarchie. Der Inhalt |233| des Staats liegt außerhalb dieser Verfassungen. Hegel hat daher recht, wenn er sagt: Der politische Staat ist die Verfassung, d.h., der materielle Staat ist nicht politisch. Es findet hier nur eine äußere Identität, eine Wechselbestimmung statt. Von den verschiedenen Momenten des Volkslebens war es am schwersten, den politischen Staat, die Verfassung, herauszubilden. Sie entwickelte sich als die allgemeine Vernunft gegenüber den andern Sphären, als ein Jenseitiges derselben. Die geschichtliche Aufgabe bestand dann in ihrer Revindikation, aber die besondern Sphären haben dabei nicht das Bewußtsein, daß ihr privates Wesen mit dem jenseitigen Wesen der Verfassung oder des politischen Staates fällt, und daß sein jenseitiges Dasein nichts andres als der Affirmativ ihrer eignen Entfremdung ist. Die politische Verfassung war bisher die religiöse Sphäre, die Religion des Volkslebens, der Himmel seiner Allgemeinheit gegenüber dem irdischen Dasein seiner Wirklichkeit. Die politische Sphäre war die einzige Staatssphäre im Staat, die einzige Sphäre, worin der Inhalt wie die Form Gattungsinhalt, das wahrhaft Allgemeine war, aber zugleich so, daß, weil diese Sphäre den andern gegenüberstand, auch ihr Inhalt zu einem formellen und besondern wurde. Das politische Leben im modernen Sinn ist der Scholastizismus des Volkslebens. Die Monarchie ist der vollendete Ausdruck dieser Entfremdung. Die Republik ist die Negation derselben innerhalb ihrer eignen Sphäre. Es versteht sich, daß da erst die politische Verfassung als solche ausgebildet ist, wo die Privatsphären eine selbständige Existenz erlangt haben. Wo Handel und Grundeigentum unfrei, noch nicht verselbständigt sind, ist es auch noch nicht die politische Verfassung. Das Mittelalter war die Demokratie der Unfreiheit.

    Die Abstraktion des Staats als solchen gehört erst der modernen Zeit, weil die Abstraktion des Privatlebens erst der modernen Zeit gehört. Die Abstraktion des politischen Staats ist ein modernes Produkt.

    Im Mittelalter gab es Leibeigene, Feudalgut, Gewerbekorporation, Gelehrtenkorporation etc., d.h., im Mittelalter ist Eigentum, Handel, Sozietät, Mensch politisch; der materielle Inhalt des Staates ist durch seine Form gesetzt; jede Privatsphäre hat einen politischen Charakter oder ist eine politische Sphäre, oder die Politik ist auch der Charakter der Privatsphären. Im Mittelalter ist die politische Verfassung die Verfassung des Privateigentums, aber nur, weil die Verfassung des Privateigentums politische Verfassung ist. Im Mittelalter ist Volksleben und Staatsleben identisch. Der Mensch ist das wirkliche Prinzip des Staats, aber der unfreie Mensch. Er ist also die Demokratie der Unfreiheit, die durchgeführte Entfremdung. Der abstrakte reflektierte Gegensatz gehört erst der modernen Welt. Das Mittelalter ist der wirkliche, die moderne Zeit ist abstrakter Dualismus.

  2. Avatar von Karl Marx
    Karl Marx

    |234| »Auf der vorhin bemerkten Stufe, auf welcher die Einteilung der Verfassungen in Demokratie. Aristokratie und Monarchie gemacht worden ist, dem Standpunkte der noch in sich bleibenden substantiellen Einheit, die noch nicht zu ihrer unendlichen Unterscheidung und Vertiefung in sich gekommen ist, tritt das Moment der letzten sich selbst bestimmenden Willensentscheidung nicht als immanentes organisches Moment des Staates für sich in eigentümliche Wirklichkeit heraus«

    In der unmittelbaren Monarchie, Demokratie, Aristokratie gibt es noch keine politische Verfassung im Unterschied zu dem wirklichen, materiellen Staat oder dem übrigen Inhalt des Volkslebens. Der politische Staat erscheint noch nicht als die Form des materiellen Staates. Entweder ist, wie in Griechenland, die res publica |Staat, Republik; ursprünglich: öffentliche Angelegenheit| die wirkliche Privatangelegenheit, der wirkliche Inhalt der Bürger, und der Privatmensch ist Sklave; der politische Staat als politischer ist der wahre einzige Inhalt ihres Lebens und Wollens, oder, wie in der asiatischen Despotie, der politische Staat ist nichts als die Privatwillkür eines einzelnen Individuums oder der politische Staat, wie der materielle, ist Sklave. Der Unterschied des modernen Staats von diesen Staaten der substantiellen Einheit zwischen Volk und Staat besteht nicht darin, daß die verschiedenen Momente der Verfassung zu besonderer Wirklichkeit ausgebildet sind, wie Hegel will, sondern darin, daß die Verfassung selbst zu einer besondern Wirklichkeit neben dem wirklichen Volksleben ausgebildet ist, daß der politische Staat zur Verfassung des übrigen Staats geworden ist.

  3. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Bei der Organisation des Staats, das heißt hier bei der konstitutionellen Monarchie, muß man nichts vor sich haben als die Notwendigkeit der Idee in sich: alle anderen Gesichtspunkte müssen verschwinden. Der Staat muß als ein großes architektonisches Gebäude, als eine Hieroglyphe der Vernunft, die sich in der Wirklichkeit darstellt, betrachtet werden. Alles, was sich also bloß auf Nützlichkeit, Äußerlichkeit usw. bezieht, ist von der philosophischen Behandlung auszuschließen. Daß nun der Staat der sich selbst bestimmende und vollkommen souveräne Wille, das letzte Sich-Entschließen ist, begreift die Vorstellung leicht. Das Schwerere ist, daß dieses “Ich will” als Person gefaßt werde. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß der Monarch willkürlich handeln dürfe: vielmehr ist er an den konkreten Inhalt der Beratungen gebunden, und wenn die Konstitution fest ist, so hat er oft nicht mehr zu tun, als seinen Namen zu unterschreiben. Aber dieser Name ist wichtig: es ist die Spitze, über die nicht hinausgegangen werden kann. Man könnte sagen, eine organische Gliederung sei schon in der schönen Demokratie Athens vorhanden, aber wir sehen sogleich, daß die Griechen die letzte Entscheidung aus ganz äußeren Erscheinungen genommen haben, aus den Orakeln, den Eingeweiden der Opfertiere, aus dem Fluge der Vögel, und daß sie sich zur Natur als zu einer Macht verhalten haben, die da verkündet und ausspricht, was den Menschen gut sei. Das Selbstbewußtsein ist in dieser Zeit noch nicht zu der Abstraktion der Subjektivität gekommen, noch nicht dazu, daß über das zu Entscheidende ein “Ich will” vom Menschen selbst ausgesprochen werden muß. Dieses “Ich will” macht den großen Unterschied der alten und modernen Welt aus, und so muß es in dem großen Gebäude des Staats seine eigentümliche Existenz haben. Leider wird aber diese Bestimmung nur als äußere und beliebige angesehen.

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