297

Die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten machen den Hauptteil des Mittelstandes aus, in welchen die gebildete Intelligenz und das rechtliche Bewußtsein der Masse eines Volkes fällt. Daß er nicht die isolierte Stellung einer Aristokratie nehme und Bildung und Geschicklichkeit nicht zu einem Mittel der Willkür und einer Herrenschaft werde, wird durch die Institutionen der Souveränität von oben herab und der Korporationsrechte von unten herauf bewirkt.

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  1. Avatar von Karl Marx
    Karl Marx

    § 297. »Die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten machen den Hauptteil des Mittelstandes aus, in welchen die gebildete Intelligenz und das rechtliche Bewußtsein der Masse eines Volkes fällt. Daß er nicht die isolierte Stellung einer Aristokratie nehme und Bildung und Geschicklichkeit nicht zu einem Mittel der Willkür und einer Herrenschaft werde, wird durch die Institutionen der Souveränität von oben herab und der Korporationsrechte von unten herauf bewirkt.«

  2. Avatar von Karl Marx
    Karl Marx

    § 297. »Die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten machen den Hauptteil des Mittelstandes aus, in welchen die gebildete Intelligenz und das rechtliche Bewußtsein der Masse eines Volkes fällt. Daß er nicht die isolierte Stellung einer Aristokratie nehme und Bildung und Geschicklichkeit nicht zu einem Mittel der Willkür und einer Herrenschaft werde, wird durch die Institutionen der Souveränität von oben herab und der Korporationsrechte von unten herauf bewirkt.«

    »Zusatz. In dem Mittelstande, zu dem die Staatsbeamten gehören, ist das Bewußtsein des Staates und die hervorstechendste Bildung. Deswegen macht er auch die Grundsäule desselben in Beziehung auf Rechtlichkeit und Intelligenz aus.« »Daß dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse des Staates, aber dies kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir gesehen haben, geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer Kreise, die relativ unabhängig sind, und durch eine Beamtenwelt, deren Willkür sich an solchen Berechtigten bricht. Das Handeln nach allgemeinem Rechte und die Gewohnheit dieses Handelns ist eine Folge des Gegensatzes, den die für sich selbständigen Kreise bilden.«

    Was Hegel über die »Regierungsgewalt« sagt, verdient nicht den Namen einer philosophischen Entwicklung. Die meisten Paragraphen könnten wörtlich im preußischen Landrecht stehn, und doch ist die eigentliche Administration der schwierigste Punkt der Entwicklung.

    Da Hegel die »polizeiliche« und die »richterliche« Gewalt schon der Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft vindiziert hat, so ist die Regierungsgewalt nichts anderes als die Administration, die er als Bürokratie entwickelt.

    Der Bürokratie sind zunächst vorausgesetzt die »Selbstverwaltung« der bürgerlichen Gesellschaft in »Korporationen«. Die einzige Bestimmung, die hinzukommt, ist, daß die Wahl der Verwalter, Obrigkeiten derselben etc. eine gemischte ist, ausgehend von den Bürgern, bestätigt von der eigentlichen Regierungsgewalt; (»höhere Bestätigung«, wie Hegel sagt).

    Über dieser Sphäre zur »Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen« stehn »Abgeordnete der Regierungsgewalt«, die »exekutiven Staatsbeamten« und die »kollegialischen Behörden«, welche im »Monarchen« zusammenlaufen.

    In dem »Geschäfte der Regierung« findet »Teilung der Arbeit« statt. Die Individuen müssen ihre Fähigkeit zu Regierungsgeschäften beweisen, d.h. Examina ablegen. Die Wahl der bestimmten Individuen zu Staatsämtern kommt der fürstlichen Staatsgewalt zu. Die Einteilung dieser Geschäfte ist »durch die Natur der Sache gegeben«. Das Amtsgeschäft ist die Pflicht, der Lebensberuf der Staatsbeamten. Sie müssen daher besoldet werden vom Staat. Die Garantie gegen den Mißbrauch der Bürokratie ist teils ihre Hierarchie |247|* und Verantwortlichkeit, andrerseits die Berechtigung der Gemeinden, Korporationen; ihre Humanität hängt teils mit der »direkten sittlichen und Gedankenbildung«, teils mit der »Größe des Staats« zusammen. Die Beamten bilden den »Hauptteil des Mittelstandes«. Gegen ihn als »Aristokratie und Herrenschaft« schützen teils die »Institutionen der Souveränität von oben herab«, teils »die der Korporationsrechte von unten herauf«. Der »Mittelstand« ist der Stand der »Bildung«. Voilà tout |Das ist alles|. Hegel gibt uns eine empirische Beschreibung der Bürokratie, teils wie sie wirklich ist, teils der Meinung, die sie selbst von ihrem Sein hat. Und damit ist das schwierige Kapitel von der »Regierungsgewalt« erledigt.

    Hegel geht von der Trennung des »Staats« und der »bürgerlichen« Gesellschaft, den »besondren Interessen« und dem »an und für sich seienden Allgemeinen aus, und allerdings basiert die Bürokratie auf dieser Trennung. Hegel geht von der Voraussetzung der »Korporationen« aus, und allerdings setzt die Bürokratie die Korporationen voraus, wenigstens den »Korporationsgeist«. Hegel entwickelt keinen Inhalt der Bürokratie, sondern nur einige allgemeine Bestimmungen ihrer »formellen« Organisation, und allerdings ist die Bürokratie nur der »Formalismus« eines Inhalts, der außerhalb derselben liegt.

    Die Korporationen sind der Materialismus der Bürokratie, und die Bürokratie ist der Spiritualismus der Korporationen. Die Korporation ist die Bürokratie der bürgerlichen Gesellschaft; die Bürokratie ist die Korporation des Staats. In der Wirklichkeit tritt sie daher als die »bürgerliche Gesellschaft des Staats« dem »Staat der bürgerlichen Gesellschaft«, den Korporationen gegenüber. Wo die »Bürokratie« neues Prinzip ist, wo das allgemeine Staatsinteresse anfängt, für sich ein »apartes«, damit ein »wirkliches« Interesse zu werden, kämpft sie gegen die Korporationen, wie jede Konsequenz gegen die Existenz ihrer Voraussetzungen kämpft. Sobald dagegen das wirkliche Staatsleben erwacht und die bürgerliche Gesellschaft sich von den Korporationen aus eignem Vernunfttrieb befreit, sucht die Bürokratie sie zu restaurieren; denn sobald der »Staat der bürgerlichen Gesellschaft« fällt, fällt die »bürgerliche Gesellschaft des Staats«. Der Spiritualismus verschwindet mit dem ihm gegenüberstehenden Materialismus. Die Konsequenz kämpft für die Existenz ihrer Voraussetzungen, sobald ein neues Prinzip nicht gegen die Existenz, sondern gegen das Prinzip dieser Existenz kämpft. Derselbe Geist, der in der Gesellschaft die Korporation, schafft im Staat die Bürokratie. Sobald also der Korporationsgeist, wird der Geist der Bürokratie |248| angegriffen, und wenn sie früher die Existenz der Korporationen bekämpfte, um ihrer eignen Existenz Raum zu schaffen, so sucht sie jetzt gewaltsam die Existenz der Korporationen zu halten, um den Korporationsgeist, ihren eigenen Geist zu retten.

    Die »Bürokratie« ist der »Staatsformalismus« der bürgerlichen Gesellschaft. Sie ist das »Staatsbewußtsein«, der »Staatswille«, die »Staatsmacht«, als eine Korporation (das »allgemeine Interesse« kann sich dem Besondern gegenüber nur als ein »Besonderes« halten, solange sich das Besondere dem Allgemeinen gegenüber als ein »Allgemeines« hält. Die Bürokratie muß also die imaginäre Allgemeinheit des besondren Interesses, den Korporationsgeist, beschützen, um die imaginäre Besonderheit des allgemeinen Interesses, ihren eigenen Geist, zu beschützen. Der Staat muß Korporation sein, solange die Korporation Staat sein will), also eine besondere, geschlossene Gesellschaft im Staat. Die Bürokratie will aber die Korporation als eine imaginäre Macht. Allerdings hat auch die einzelne Korporation diesen Willen für ihr besonderes Interesse gegen die Bürokratie, aber sie will die Bürokratie gegen die andere Korporation, gegen das andere besondere Interesse. Die Bürokratie als die vollendete Korporation trägt daher den Sieg davon über die Korporation als die unvollendete Bürokratie. Sie setzt dieselbe zum Schein herab oder will sie zum Schein herabsetzen, aber sie will, daß dieser Schein existiere und an seine eigene Existenz glaube. Die Korporation ist der Versuch der bürgerlichen Gesellschaft, Staat zu werden; aber die Bürokratie ist der Staat, der sich wirklich zur bürgerlichen Gesellschaft gemacht hat,

    Der »Staatsformalismus«, der die Bürokratie ist, ist der »Staat als Formalismus«, und als solchen Formalismus hat sie Hegel beschrieben. Da dieser »Staatsformalismus« sich als wirkliche Macht konstituiert und sich selbst zu einem eignen materiellen Inhalt wird, so versteht es sich von selbst, daß die »Bürokratie« ein Gewebe von praktischen Illusionen oder die »Illusion des Staats« ist. Der bürokratische Geist ist ein durch und durch jesuitischer, theologischer Geist. Die Bürokraten sind die Staatsjesuiten und Staatstheologen. Die Bürokratie ist la république prêtre |die Pfaffenrepublik|.

    Da die Bürokratie der »Staat als Formalismus« ihrem Wesen nach ist, so ist sie es auch ihrem Zweck nach. Der wirkliche Staatszweck erscheint also der Bürokratie als ein Zweck wider den Staat. Der Geist der Bürokratie ist der »formelle Staatsgeist«. Sie macht daher den »formellen Staatsgeist« oder die wirkliche Geistlosigkeit des Staats zum kategorischen Imperativ. Die Bürokratie gilt sich selbst als der letzte Endzweck des Staats. Da die Bürokratie |249|* ihre »formellen« Zwecke zu ihrem Inhalt macht, so gerät sie überall in Konflikt mit den »reellen« Zwecken. Sie ist daher genötigt, das Formelle für den Inhalt und den Inhalt für das Formelle auszugeben. Die Staatszwecke verwandeln sich in Bürozwecke oder die Bürozwecke in Staatszwecke. Die Bürokratie ist ein Kreis, aus dem niemand herausspringen kann. Ihre Hierarchie ist eine Hierarchie des Wissens. Die Spitze vertraut den untern Kreisen die Einsicht ins Einzelne zu, wogegen die untern Kreise der Spitze die Einsicht in das Allgemeine zutrauen, und so täuschen sie sich wechselseitig,

    Die Bürokratie ist der imaginäre Staat neben dem reellen Staat, der Spiritualismus des Staats. Jedes Ding hat daher eine doppelte Bedeutung, eine reelle und eine bürokratische, wie das Wissen ein doppeltes ist, ein reelles und ein bürokratisches (so auch der Wille). Das reelle Wesen wird aber behandelt nach seinem bürokratischen Wesen, nach seinem jenseitigen, spirituellen Wesen. Die Bürokratie hat das Staatswesen, das spirituelle Wesen der Gesellschaft in ihrem Besitze, es ist ihr Privateigentum. Der allgemeine Geist der Bürokratie ist das Geheimnis, das Mysterium, innerhalb ihrer selbst durch die Hierarchie, nach außen als geschlossene Korporation bewahrt. Der offenbare Staatsgeist, auch die Staatsgesinnung, erscheinen daher der Bürokratie als ein Verrat an ihrem Mysterium. Die Autorität ist daher das Prinzip ihres Wissens, und die Vergötterung der Autorität ist ihre Gesinnung. Innerhalb ihrer selbst aber wird der Spiritualismus zu einem krassen Materialismus, dem Materialismus des passiven Gehorsams, des Autoritätsglaubens, des Mechanismus eines fixen formellen Handelns, fixer Grundsätze, Anschauungen, Überlieferungen. Was den einzelnen Bürokraten betrifft, so wird der Staatszweck zu seinem Privatzweck, zu einem Jagen nach höheren Posten, zu einem Machen von Karriere. Erstens betrachtet er das wirkliche Leben als ein materielles, denn der Geist dieses Lebens hat seine für sich abgesonderte Existenz in der Bürokratie. Die Bürokratie muß daher dahin gehn, das Leben so materiell wie möglich zu machen. Zweitens ist es für ihn selbst, d.h. soweit es zum Gegenstand der bürokratischen Behandlung wird, materiell, denn sein Geist ist ihm vorgeschrieben, sein Zweck liegt außer ihm, sein Dasein ist das Dasein des Büros. Der Staat existiert nur mehr als verschiedene fixe Bürogeister, deren Zusammenhang die Subordination und der passive Gehorsam ist, Die wirkliche Wissenschaft erscheint als inhaltslos, wie das wirkliche Leben als tot, denn dies imaginäre Wissen und dies imaginäre Leben gelten für das Wesen. Der Bürokrat muß daher jesuitisch mit dem wirklichen Staat verfahren, sei dieser Jesuitismus nun ein bewußter oder bewußtloser. Es ist aber notwendig, daß er, sobald sein Gegensatz Wissen ist, ebenfalls zum Selbstbewußtsein gelangt und nun absichtlicher Jesuitismus wird.

    |250| Während die Bürokratie einerseits dieser krasse Materialismus ist, zeigt sich ihr krasser Spiritualismus darin, daß sie Alles machen will, d.h., daß sie den Willen zur causa prima |Hauptursache| macht, weil sie bloß tätiges Dasein ist und ihren Inhalt von außen empfängt, ihre Existenz also nur durch Formieren, Beschränken dieses Inhalts beweisen kann. Der Bürokrat hat in der Welt ein bloßes Objekt seiner Behandlung.

    Wenn Hegel die Regierungsgewalt die objektive Seite der dem Monarchen innewohnenden Souveränität nennt, so ist das richtig in demselben Sinn, wie die katholische Kirche das reelle Dasein der Souveränität, des Inhalts und Geistes der heiligen Dreieinigkeit war. In der Bürokratie ist die Identität des Staatsinteresses und des besonderen Privatzwecks so gesetzt, daß das Staatsinteresse zu einem besondren Privatzweck gegenüber den anderen Privatzwecken wird.

    Die Aufhebung der Bürokratie kann nur sein, daß das allgemeine Interesse wirklich und nicht, wie bei Hegel, bloß im Gedanken, in der Abstraktion zum besondren Interesse wird, was nur dadurch möglich ist, daß das besondere Interesse wirklich zum allgemeinen wird. Hegel geht von einem unwirklichen Gegensatz aus und bringt es daher nur zu einer imaginären, in Wahrheit selbst wieder gegensätzlichen Identität. Eine solche Identität ist die Bürokratie.

    Verfolgen wir nun im einzelnen seine Entwicklung.

    Die einzige philosophische Bestimmung, die Hegel über die Regierungsgewalt gibt, ist die der »Subsumtion« des Einzelnen und Besonderen unter das Allgemeine etc.

    Hegel begnügt sich damit. Auf der einen Seite: Kategorie »Subsumtion« des Besondern etc. Die muß verwirklicht werden. Nun nimmt er irgendeine der empirischen Existenzen des preußischen oder modernen Staats (wie sie ist mit Haut und Haar), welche unter anderm auch diese Kategorie verwirklicht, obgleich mit derselben nicht ihr spezifisches Wesen ausgedrückt ist. Die angewandte Mathematik ist auch Subsumtion etc. Hegel fragt nicht, ist dies die vernünftige, die adäquate Weise der Subsumtion? Er hält nur die eine Kategorie fest und begnügt sich damit, eine entsprechende Existenz für sie zu finden. Hegel gibt seiner Logik einen politischen Körper; er gibt nicht die Logik des politischen Körpers (§ 287).

    Über das Verhältnis der Korporationen, Gemeinden zu der Regierung erfahren wir zunächst, daß ihre Verwaltung (die Besetzung ihrer Magistratur) »im allgemeinen eine Mischung von gemeiner Wahl dieser Interessenten |251| und von einer höheren Bestätigung und Bestimmung« erheischt. Die gemischte Wahl der Gemeinde- und Korporationsvorsteher wäre also das erste Verhältnis zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat oder Regierungsgewalt, ihre erste Identität (§ 288). Diese Identität ist nach Hegel selbst sehr oberflächlich, ein mixtum compositum, eine »Mischung«. So oberflächlich diese Identität ist, so scharf ist der Gegensatz. »Insofern diese Angelegenheiten« (sc. der Korporation, Gemeinde etc.) »einerseits Privateigentum und Interesse dieser besondern Sphären sind und nach dieser Seite ihre Autorität mit auf dem Vertrauen ihrer Standesgenossen und Bürgerschaften beruht, andererseits diese Kreise dem höheren Interesse des Staats untergeordnet sein müssen«, ergibt sich die bezeichnete »gemischte Wahl«.

    Die Verwaltung der Korporation hat also den Gegensatz:

    Privateigentum und Interesse der besondren Sphären gegen das höhere Interesse des Staats: Gegensatz zwischen Privateigentum und Staat.

    Es braucht nicht bemerkt zu werden, daß die Auflösung dieses Gegensatzes in der gemischten Wahl eine bloße Akkommodation, ein Traktat, ein Geständnis des unaufgelösten Dualismus, selbst ein Dualismus, »Mischung« ist. Die besonderen Interessen der Korporation und Gemeinden haben innerhalb ihrer eignen Sphäre einen Dualismus, der ebensosehr den Charakter ihrer Verwaltung bildet.

    Der entschiedene Gegensatz tritt aber erst hervor in dem Verhältnis dieser »gemeinschaftlichen besondern Interessen« etc., die »außer dem an und für sich seienden Allgemeinen des Staates liegen« und diesem »an und für sich seienden Allgemeinen des Staats«. Zunächst wieder innerhalb dieser Sphäre.

    »Die Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen in diesen besonderen Rechten und die Zurückführung derselben auf jenes erfordert eine Besorgung durch Abgeordnete der Regierungsgewalt, die exekutiven Staatsbeamten und die höheren beratenden, insofern kollegialisch konstituierten Behörden, welche in den obersten, den Monarchen berührenden Spitzen zusammenlaufen.« (§ 289.)

    Beiläufig machen wir aufmerksam auf die Konstruktion der Regierungskollegien, die man z.B. in Frankreich nicht kennt. »Insofern« Hegel diese Behörden als »beratende« anführt, »insofern« versteht es sich allerdings von selbst, daß sie »kollegialisch konstituiert« sind.

    Hegel läßt den »Staat selbst«, die »Regierungsgewalt« zur »Besorgung« des »allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen etc.« innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft per »Abgeordnete« hineintreten, und nach ihm |252| sind eigentlich diese »Regierungsabgeordneten«, die »exekutiven Staatsbeamten«, die wahre »Staatsrepräsentation«, nicht »der«, sondern »gegen die »bürgerliche Gesellschaft«. Der Gegensatz von Staat und bürgerlicher Gesellschaft ist also fixiert; der Staat residiert nicht in, sondern außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft; er berührt sie nur durch seine »Abgeordneten«, denen die »Besorgung des Staats« innerhalb dieser Sphären anvertraut ist. Durch diese »Abgeordneten« ist der Gegensatz nicht aufgehoben, sondern zu einem »gesetzlichen«, »fixen« Gegensatz geworden. Der »Staat« wird als ein dem Wesen der bürgerlichen Gesellschaft Fremdes und Jenseitiges von Deputierten dieses Wesens gegen die bürgerliche Gesellschaft geltend gemacht. Die »Polizei« und das »Gericht« und die »Administration« sind nicht Deputierte der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die in ihnen und durch sie ihr eignes allgemeines Interesse verwaltet, sondern Abgeordnete des Staats, um den Staat gegen die bürgerliche Gesellschaft zu verwalten. Hegel expliziert diesen Gegensatz weiter in der mehr oben betrachteten offenherzigen Anmerkung.

    »Die Regierungsgeschäfte sind objektiver, für sich […] bereits entschiedener Natur.« (§ 291.)

    Schließt Hegel daraus, daß sie deswegen um so leichter keine »Hierarchie des Wissens« erfordern, daß sie vollständig von der »bürgerlichen Gesellschaft selbst« exekutiert werden können? Im Gegenteil.

    Er macht die tiefsinnige Anmerkung, daß sie durch »Individuen« zu vollführen sind und daß zwischen »ihnen und diesen Individuen keine unmittelbare natürliche Verknüpfung liegt«. Anspielung auf die Fürstengewalt, welche nichts anders ist als die »natürliche Gewalt der Willkür«, also »geboren« werden kann. Die »fürstliche Gewalt« ist nichts als der Repräsentant des Naturmoments im Willen, der »Herrschaft der physischen Natur im Staat«.

    Die »exekutiven Staatsbeamten« unterscheiden sich in der Erwerbung ihrer Ämter daher wesentlich vom »Fürsten«.

    »Für ihre Bestimmung zu demselben« (se. dem Staatsgeschäft) »ist das objektive Moment die Erkenntnis« (die subjektive Willkür entbehrt dieses Moments) »und der Erweis ihrer Befähigung -, ein Erweis, der dem Staate sein Bedürfnis und als die einzige Bedingung zugleich jedem Bürger die Möglichkeit, sich dem allgemeinen Stande zu widmen, sichert.«

    Diese Möglichkeit jedes Bürgers, Staatsbeamter zu werden, ist also das zweite affirmative Verhältnis zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat, die zweite Identität. Sie ist von sehr oberflächlicher und dualistischer Natur. |253| Jeder Katholik hat die Möglichkeit, Priester zu werden (d.h. sich von den Laien wie der Welt zu trennen). Steht darum weniger das Pfaffentum dem Katholiken als eine jenseitige Macht gegenüber? Daß jeder die Möglichkeit hat, das Recht einer andern Sphäre zu erwerben, beweist nur, daß seine eigne Sphäre nicht die Wirklichkeit dieses Rechts ist.

    Im wahren Staat handelt es sich nicht um die Möglichkeit jedes Bürgers, sich dem allgemeinen als einem besondern Stand zu widmen, sondern um die Fähigkeit des allgemeinen Standes wirklich allgemein, d.h. der Stand jedes Bürgers zu sein. Aber Hegel geht von der Voraussetzung des pseudoallgemeinen, des illusorisch-allgemeinen Standes, der besonderen ständigen Allgemeinheit aus.

    Die Identität, die er zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat konstruiert hat, ist die Identität zweier feindlicher Heere, wo jeder Soldat die »Möglichkeit« hat, durch »Desertion« Mitglied des »feindlichen« Heeres zu werden, und allerdings beschreibt Hegel damit richtig den jetzigen empirischen Zustand.

    Ebenso verhält es sich mit seiner Konstruktion der »Examina«. In einem vernünftigen Staat gehört eher ein Examen dazu, Schuster zu werden, als exekutiver Staatsbeamter; denn die Schusterei ist eine Fertigkeit, ohne die man ein guter Staatsbürger, ein sozialer Mensch sein kann; aber das nötige »Staatswissen« ist eine Bedingung, ohne die man im Staat außer dem Staat lebt, von sich selbst, von der Luft abgeschnitten ist. Das »Examen« ist nichts als eine Freimaurereiformel, die gesetzliche Anerkennung des staatsbürgerlichen Wissens als eines Privilegiums.

    Die »Verknüpfung« des »Staatsamts« und des »Individuums«, dieses objektive Band zwischen dein Wissen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Wissen des Staats, das Examen ist nichts anders als die bürokratische Taufe des Wissens, die offizielle Anerkenntnis von der Transsubstantiation des profanen Wissens in das heilige (es versteht sich bei jedem Examen von selbst, daß der Examinator alles weiß). Man hört nicht, daß die griechischen oder römischen Staatsleute Examina abgelegt. Aber allerdings, was ist auch ein römischer Staatsmann contra einen preußischen Regierungsmann!

    Neben dem objektiven Band des Individuums mit dem Staatsamt, neben dem Examen, findet sich ein andres Band – die fürstliche Willkür.

    »Die subjektive Seite, daß dieses Individuum aus Mehreren, deren es, da hier das Objektive nicht (wie z.B. bei der Kunst) in Genialität liegt, notwendig unbestimmt Mehrere gibt, unter denen der Vorzug nichts absolut Bestimmbares ist, zu einer Stelle gewählt und ernannt und zur Führung des öffentlichen Geschäfts bevollmächtigt |254|* wird, diese Verknüpfung des Individuums und des Amtes, als zweier sich gegeneinander immer zufälligen Seiten, kommt der fürstlichen als der entscheidenden und souveränen Staatsgewalt zu.«

    Der Fürst ist überall der Repräsentant des Zufalls. Außer dem objektiven Moment des bürokratischen Glaubensbekenntnisses (Examens) gehört noch das subjektive der fürstlichen Gnade hinzu, damit der Glaube Früchte trage.

    »Die besonderen Staatsgeschäfte, welche die Monarchie den Behörden übergibt« (die Monarchie verteilt, übergibt die besonderen Staatstätigkeiten als Geschäfte an die Behörden, verteilt den Staat unter die Bürokraten; sie übergibt das, wie die heilige römische Kirche die Weihen; die Monarchie ist ein System der Emanation; die Monarchie verpachtet die Staatsfunktionen), »machen einen Teil der objektiven Seite der dem Monarchen innewohnenden Souveränität aus«. Hegel unterscheidet hier zuerst die objektive Seite der dem Monarchen innewohnenden Souveränität von der subjektiven. Früher warf er beide zusammen. Die dem Monarchen innewohnende Souveränität wird hier förmlich mystisch genommen, so wie die Theologen den persönlichen Gott in der Natur finden. [Früher] hieß es noch, der Monarch ist die subjektive Seite der dem Staate innewohnenden Souveränität. (§ 293.|

    Im § 294 entwickelt Hegel die Besoldung der Beamten aus der Idee. Hier in der Besoldung der Beamten, oder daß der Staatsdienst zugleich die Sicherheit der empirischen Existenz garantiert, ist die wirkliche Identität der bürgerlichen Gesellschaft und des Staats gesetzt. Der Sold des Beamten ist die höchste Identität, welche Hegel herauskonstruiert. Die Verwandlung der Staatstätigkeiten in Ämter, die Trennung des Staats von der Gesellschaft vorausgesetzt. Wenn Hegel sagt:

    »Der Staatsdienst fordert […] die Aufopferung selbständiger und beliebiger Befriedigung subjektiver Zwecke«, so erfordert das jeder Dienst »und gibt damit eben das Recht, sie in der pflichtmäßigen Leistung, aber nur in ihr zu finden. Hierin liegt nach dieser Seite die Verknüpfung des allgemeinen und besonderen Interesses, welche den Begriff und die innere Festigkeit des Staats ausmacht«,

    so gilt das 1. von jedem Bedienten, 2. ist es richtig, daß die Besoldung der Beamten die innere Festigkeit der tiefen modernen Monarchien ausmacht. Nur die Existenz der Beamten ist garantiert, im Gegensatz zu dem Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft.

    Es kann Hegel nun nicht entgehn, daß er die Regierungsgewalt als einen Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft, und zwar als ein herrschendes Extrem konstruiert hat. Wie stellt er nun ein identisches Verhältnis her?

    |255| Nach § 29 liegt »die Sicherung des Staats und der Regierten gegen den Mißbrauch der Gewalt von seiten der Behörden und ihrer Beamten« teils in ihrer »Hierarchie« (als wenn nicht die Hierarchie der Hauptmißbrauch wäre und die paar persönlichen Sünden der Beamten gar nicht mit ihren notwendigen hierarchischen Sünden zu vergleichen wären; die Hierarchie straft den Beamten, insoweit er gegen die Hierarchie sündigt oder eine der Hierarchie überflüssige Sünde begeht; aber sie nimmt ihn in Schutz, sobald die Hierarchie in ihm sündigt; zudem überzeugt sich die Hierarchie schwer von den Sünden ihrer Glieder) und »in der Berechtigung der Gemeinden, Korporationen, als wodurch die Einmischung subjektiver Willkür in die den Beamten anvertraute Gewalt für sich gehemmt und die in das einzelne Benehmen nicht reichende Kontrolle« (als wenn diese Kontrolle nicht aus dem Gesichtspunkt der Bürokratie-Hierarchie geschähe) »von oben, von unten ergänzt wird.«

    Die zweite Garantie gegen die Willkür der Bürokratie sind also die Korporationsprivilegien

    Fragen wir also Hegel, was ist der Schutz der bürgerlichen Gesellschaft gegen die Bürokratie, so antwortet er:

    1. Die »Hierarchie« der Bürokratie. Die Kontrolle. Dies, daß der Gegner selbst an Händen und Füßen gebunden wird, und wenn er nach unten Hammer, nach oben Amboß ist. Wo ist nun der Schutz gegen die »Hierarchie«? Das kleinere Übel wird durch das größere allerdings insofern aufgehoben, als es dagegen verschwindet.

    2. Der Konflikt, der unaufgelöste Konflikt zwischen Bürokratie und Korporation. Der Kampf, die Möglichkeit des Kampfes, ist die Garantie gegen das Unterliegen. Später (§ 297) fügt Hegel als Garantie noch die Institutionen der Souveränität von oben herab« hinzu, worunter wieder die Hierarchie verstanden ist.

    Aber Hegel bringt noch zwei Momente bei (§ 296).

    In dem Beamten selbst – und dies soll ihn humanisieren, die »Leidenschaftlosigkeit, Rechtlichkeit und Milde des Benehmens« zur »Sitte« machen – sollen die »direkte sittliche und Gedankenbildung« dem Mechanismus seines Wissens und seiner »wirklichen Arbeit« »das geistige Gleichgewicht« halten. Als wenn nicht der »Mechanismus« seines »bürokratischen« Wissens und seiner »wirklichen Arbeit« seiner »sittlichen und Gedankenbildung« das Gleichgewicht« hielte? Und wird nicht sein wirklicher Geist und seine wirkliche Arbeit als Substanz über das Akzidens seiner sonstigen Begabung siegen? Sein »Amt« ist ja sein »substantielles« Verhältnis und sein »Brot«. Schön nur, daß Hegel die »direkte sittliche und Gedankenbildung« dem |256| »Mechanismus des bürokratischen Wissens und Arbeitens« entgegenstellt! Der Mensch im Beamten soll den Beamten gegen sich selbst sichern. Aber welche Einheit! Geistiges Gleichgewicht. Welche dualistische Kategorie!

    Hegel führt noch die »Größe des Staats« an, welche in Rußland nicht gegen die Willkür der »exekutiven Staatsbeamten« garantiert, jedenfalls ein Umstand ist, der »außer« dem »Wesen« der Bürokratie liegt.

    Hegel hat die »Regierungsgewalt« als »Staatsbediententum« entwickelt.

    Hier in der Sphäre des »an und für sich seienden Allgemeinen des Staates selbst« finden wir nichts als unaufgelöste Konflikte. Examen und Brot der Beamten sind die letzten Synthesen.

    Die Ohnmacht der Bürokratie, ihren Konflikt mit der Korporation führt Hegel als letzte Weihe derselben an.

    In § 297 wird eine Identität gesetzt, insofern »die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten den Hauptteil des Mittelstandes« ausmachen. Diesen »Mittelstand« rühmt Hegel als die »Grundsäule« des Staats »in Beziehung auf Rechtlichkeit und Intelligenz«. (Zusatz zum zitierten Paragraphen.)

    »Daß dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse des Staates, aber dies kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir gesehen haben, geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer Kreise, die relativ unabhängig sind, und durch eine Beamtenwelt, deren Willkür sich an solchen Berechtigten bricht.«

    Allerdings kann nur in einer solchen Organisation das Volk als ein Stand, der Mittelstand, erscheinen, aber ist das eine Organisation, die durch das Gleichgewicht der Privilegien sich in Gang hält? Die Regierungsgewalt ist am schwersten zu entwickeln. Sie gehört noch in viel höherem Grad als die gesetzgebende dem ganzen Volk.

    Hegel spricht später (§ 308 Anmerkung) den eigentlichen Geist der Bürokratie aus, wenn er ihn als »Geschäftsroutine« und den »Horizont einer beschränkten Sphäre« bezeichnet.

  3. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    In dem Mittelstande, zu dem die Staatsbeamten gehören, ist das Bewußtsein des Staates und die hervorstechendste Bildung. Deswegen macht er auch die Grundsäule desselben in Beziehung auf Rechtlichkeit und Intelligenz aus. Der Staat, in dem kein Mittelstand vorhanden ist, steht deswegen noch auf keiner hohen Stufe. So z B. Rußland, das eine Masse hat, welche leibeigen ist, und eine andere, welche regiert. Daß dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse des Staates, aber dies kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir gesehen haben, geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer Kreise, die relativ unabhängig sind, und durch eine Beamtenwelt, deren Willkür sich an solchen Berechtigten bricht. Das Handeln nach allgemeinem Rechte und die Gewohnheit dieses Handelns ist eine Folge des Gegensatzes, den die für sich selbständigen Kreise bilden.

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