302

Als vermittelndes Organ betrachtet, stehen die Stände zwischen der Regierung überhaupt einerseits und dem in die besonderen Sphären und Individuen aufgelösten Volke andererseits. Ihre Bestimmung fordert an sie so sehr den Sinn und die Gesinnung des Staats und der Regierung als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen. Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisierten Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittlung, daß weder die fürstliche Gewalt als Extrem isoliert und dadurch als bloße Herrschergewalt und Willkür erscheine, noch daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isolieren, oder noch mehr, daß die Einzelnen 7/471 nicht zur Darstellung einer Menge und eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, und zur bloß massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen.

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2 Antworten zu „302“

  1. Avatar von Karl Marx
    Karl Marx

    § 302. »Als vermittelndes Organ betrachtet, stehen die Stände zwischen der Regierung überhaupt einerseits, und dem in die besonderen Sphären und Individuen aufgelösten Volke andererseits. Ihre Bestimmung fordert an sie so sehr den Sinn und die Gesinnung des Staats und der Regierung, als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen. Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisierten |bei Marx: organischen| Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung, daß weder die fürstliche Gewalt als Extrem isoliert und dadurch als bloße Herrschergewalt und Willkür erscheine, noch daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isolieren, oder noch mehr, daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge und eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen und zur bloß massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen.«

    Staat und Regierung werden immer als identisch auf die eine Seite, das in die besondren Sphären und Individuen aufgelöste Volk auf die andere Seite gesetzt. Die Stände stehn als vermittelndes Organ zwischen beiden. Die Stände sind die Mitte, worin »Sinn und Gesinnung des Staats und der Regierung« zusammentreffen, vereinigt sein sollen mit »Sinn und Gesinnung der besonderen Kreise und der Einzelnen«. Die Identität dieser beiden entgegengesetzten Sinne und Gesinnungen, in deren Identität eigentlich der Staat liegen sollte, erhält eine symbolische Darstellung in den Ständen. Die Transaktion zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft erscheint als eine besondre Sphäre. Die Stände sind die Synthese zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft. Wie die Stände es aber anfangen sollen, zwei widersprechende Gesinnungen in sich zu vereinen, ist nicht angegeben. Die Stände sind der gesetzte Widerspruch des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft im Staate. Zugleich sind sie die Forderung der Auflösung dieses Widerspruches.

    »Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisierten |Bei Marx: organischen| Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung etc.«

    Die Stände vermitteln nicht nur Volk und Regierung. Sie verhindern die »fürstliche Gewalt« als isoliertes »Extrem«, die damit als »bloße Herrschergewalt und Willkür« erscheinen würde, ebenso die »Isolierung« der »besonderen« Interessen etc., ebenso die »Darstellung der Einzelnen als Menge und Haufen«. Diese Vermittelung ist den Ständen mit der organisierten Regierungsgewalt gemeinschaftlich. In einem Staat, worin die »Stellung« der »Stände« verhindert, »daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge oder eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, |271| zur bloß massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen«, existiert der »organische Staat« außer der »Menge« und dem »Haufen«, oder da gehört die »Menge« und der »Haufen« zur Organisation des Staats; bloß soll sein »unorganisches Meinen und Wollen« nicht zum »Meinen und Wollen gegen den Staat« kommen, durch welche bestimmte Richtung es »organisches« Meinen und Wollen würde. Ebenso soll diese »massenhafte Gewalt nur »massenhaft« bleiben, so daß der Verstand außer der Masse ist und sie daher nicht sich selbst in Bewegung setzen, sondern nur von den Monopolisten des »organischen Staates« in Bewegung gesetzt und als massenhafte Gewalt exploitiert werden kann. Wo nicht »die besondern Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Einzelnen« sich gegen den Staat isolieren, sondern die »Einzelnen zur Darstellung einer Menge und eines Haufens zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen und zur bloß massenhaften Gewalt gegen den Staat kommen«, da zeigt es sich eben, daß kein »besonderes Interesse« dem Staat widerspricht, sondern daß der »wirkliche organische allgemeine Gedanke der Menge und des Haufens« nicht der Gedanke des organischen Staats« ist, der nicht in ihm seine Realisation findet. Wodurch erscheinen nun die Stände als Vermittelung gegen dies Extrem? Nur dadurch, »daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isolieren«, oder dadurch, daß ihre isolierten Interessen ihre Rechnung mit dem Staat durch die Stände abschließen, zugleich dadurch, daß das »unorganische Meinen und Wollen der Menge und des Haufens« in der Schöpfung der Stände seinen Willen (seine Tätigkeit| und in der Beurteilung der Tätigkeit der Stände sein »Meinen« beschäftigt und die Täuschung seiner Vergegenständlichung genossen hat. Die »Stande präservieren den Staat vor dem unorganischen Haufen nur durch die Desorganisation dieses Haufens.

    Zugleich aber sollen die Stände dagegen vermitteln, »daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich« nicht isolieren«. Sie vermitteln dagegen, 1. indem sie mit dem »Staatsinteresse« transigieren, 2. indem sie selbst die »politische Isolierung« dieser besondern Interessen sind; diese Isolierung als politischer Akt, indem durch sie diese isolierten Interessen« den Rang des »Allgemeinen« erhalten.

    Endlich sollen die Stände gegen die »Isolierung« der fürstlichen Gewalt als eines »Extrems« (die »dadurch als bloße Herrschergewalt und Willkür erschiene ) vermitteln. Dies ist insofern richtig, als das Prinzip der fürstlichen Gewalt (die Willkür) durch sie begrenzt ist, wenigstens nur in Fesseln sich wegen kann, und als sie selbst Teilnehmer, Mitschuldige der fürstlichen Gewalt werden.

    |272| Die fürstliche Gewalt hört entweder wirklich dadurch auf, das Extrem der fürstlichen Gewalt zu sein (und die fürstliche Gewalt existiert nur als ein Extrem, als eine Einseitigkeit, weil sie kein organisches Prinzip ist), sie wird zu einer Scheingewalt, einem Symbol, oder sie verliert nur den Schein der Willkür und bloßer Herrschergewalt. Sie vermitteln gegen die »Isolierung« der Sonderinteressen, indem sie diese Isolierung als politischen Akt vorstellen. Sie vermitteln gegen die Isolierung der fürstlichen Gewalt als eines Extrems, teils indem sie selbst zu einem Teil der fürstlichen Gewalt werden, teils indem sie die Regierungsgewalt zu einem Extrem machen.

    In den »Ständen« laufen alle Widersprüche der modernen Staatsorganisationen zusammen. Sie sind die »Mittler« nach allen Seiten hin, weil sie nach allen Seiten hin »Mitteldinge« sind.

    Zu bemerken ist, daß Hegel weniger den Inhalt der ständischen Tätigkeit, die gesetzgebende Gewalt, als die Stellung der Stände, ihren politischen Rang entwickelt.

    Zu bemerken ist noch, daß, während nach Hegel zunächst die Stände »zwischen der Regierung überhaupt einerseits und dem in die besonderen Sphären und Individuen aufgelösten Volk andrerseits« stehn, ihre Stellung, wie sie oben entwickelt »die Bedeutung einer mit der organisierten Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung hat«.

    Was die erste Stellung betrifft, so sind die Stände das Volk gegen die Regierung, aber das Volk en miniature. Das ist ihre oppositionelle Stellung.

    Was die zweite betrifft, so sind sie die Regierung gegen das Volk, aber die amplifizierte Regierung. Das ist ihre konservative Stellung. Sie sind selbst ein Teil der Regierungsgewalt gegen das Volk, aber so, daß sie zugleich die Bedeutung haben, das Volk gegen die Regierung zu sein.

    Hegel hat oben die »gesetzgebende Gewalt als Totalität« (§ 300) bezeichnet, die Stände sind wirklich diese Totalität, der Staat im Staate, aber eben in ihnen erscheint es, daß der Staat nicht die Totalität, sondern ein Dualismus ist. Die Stände stellen den Staat in einer Gesellschaft vor, die kein Staat ist. Der Staat ist eine bloße Vorstellung.

    In der Anmerkung sagt Hegel:

    »Es gehört zu den wichtigsten logischen Einsichten, daß ein bestimmtes Moment, das als im Gegensatze stehend die Stellung eines Extrems bat, es dadurch zu sein auf hört und organisches Moment ist, daß es zugleich Mitte ist.«

    (So ist das ständische Element 1. das Extrem des Volks gegen die Regierung, aber 2. zugleich Mitte zwischen Volk und Regierung, oder es ist der |273| Gegensatz im Volk selbst, Der Gegensatz von Regierung und Volk vermittelt sich durch den Gegensatz zwischen Ständen und Volk. Die Stände haben nach der Seite der Regierung hin die Stellung des Volks, aber nach der Seite des Volks hin die Stellung der Regierung. Indem das Volk als Vorstellung, als Phantasie, Illusion, Repräsentation zustande kommt – das vorgestellte Volk oder die Stände, das sich als eine besondre Gewalt sogleich in der Trennung vom wirklichen Volk befindet – hebt [es] den wirklichen Gegensatz zwischen Volk und Regierung auf. Das Volk ist hier schon so zubereitet, wie es in dem betrachteten Organismus zubereitet sein muß, um keinen entschiedenen Charakter zu haben.)

    »Bei dem hier betrachteten Gegenstand ist es um so wichtiger, diese Seite herauszuheben, weil es zu den häufigen, aber höchst gefährlichen Vorurteilen gehört, Stände hauptsächlich im Gesichtspunkte des Gegensatzes gegen die Regierung, als oh dies ihre wesentliche Stellung wäre, vorzustellen. Organisch, d. i. in die Totalität aufgenommen, beweist sich das ständische Element nur durch die Funktion der Vermittelung. Damit ist der Gegensatz selbst zu einem Schein herabgesetzt, Wenn er, insofern er seine Erscheinung hat, nicht bloß die Oberfläche beträfe, sondern wirklich ein substantieller Gegensatz würde, so wäre der Staat in seinem Untergange begriffen, Das Zeichen, daß der Widerstreit nicht dieser Art ist, ergibt sich der Natur der Sache nach dadurch, wenn die Gegenstände desselben nicht die wesentlichen Elemente des Staatsorganismus, sondern speziellere und gleichgültigere Dinge betreffen, und die Leidenschaft, die sich doch an diesen Inhalt knüpft, zur Parteisucht um ein bloß subjektives Interesse, etwa um die höheren Staatsstellen, wird.«

    Im Zusatz heißt es:

    »Die Verfassung ist wesentlich ein System der Vermittelung.«

  2. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Die Verfassung ist wesentlich ein System der Vermittlung. In despotischen Staaten, wo es nur Fürsten und Volk gibt, wirkt das letztere, wenn es wirkt, bloß als zerstörende Masse gegen die Organisation. Organisch aber eintretend, setzt der Haufe seine Interessen auf recht- und ordnungsmäßige Weise durch. Ist dieses Mittel dagegen nicht vorhanden, so wird das sich Aussprechen der Masse immer ein wildes sein. In despotischen Staaten schont der Despot deswegen das Volk, und seine Wut trifft immer nur die Umgebung. Ebenso bezahlt auch das Volk in demselben nur wenig Abgaben, die sich in einem verfassungsmäßigen Staate durch das eigene Bewußtsein des Volkes erheben. In keinem Lande werden so viele Abgaben als gerade in England bezahlt.

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