315

Die Eröffnung dieser Gelegenheit von Kenntnissen hat die allgemeinere Seite, daß so die öffentliche Meinung erst zu wahrhaften Gedanken und zur Einsicht in den Zustand und Begriff des Staates und dessen Angelegenheiten und damit erst zu einer Fähigkeit, darüber vernünftiger zu urteilen, kommt; sodann auch die Geschäfte, die Talente, Tugenden und Geschicklichkeiten der Staatsbehörden und Beamten kennen und achten lernt. Wie diese Talente an solcher Öffentlichkeit eine mächtige Gelegenheit der Entwicklung und einen Schauplatz hoher Ehre erhalten, so ist sie wieder das Heilmittel gegen den Eigendünkel der Einzelnen und der Menge und ein Bildungsmittel für diese, und zwar eines der größten.

Kommentare

Eine Antwort zu „315“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Die Öffentlichkeit der Ständeversammlungen ist ein großes, die Bürger vorzüglich bildendes Schauspiel, und das Volk lernt daran am meisten das Wahrhafte seiner Interessen kennen. Es herrscht in der Regel die Vorstellung, daß alle schon wissen, was dem Staate gut sei, und daß es in der Ständeversammlung nur zur Sprache komme, aber in der Tat findet gerade das Gegenteil statt: erst hier entwickeln sich Tugenden, Talente, Geschicklichkeiten, die zu Mustern zu dienen haben. Freilich sind solche Versammlungen beschwerlich für die Minister, die selbst mit Witz und Beredsamkeit angetan sein müssen, um den Angriffen zu 7/482 begegnen, die hier gegen sie gerichtet werden; aber dennoch ist die Öffentlichkeit das größte Bildungsmittel für die Staatsinteressen überhaupt. In einem Volke, wo diese stattfindet, zeigt sich eine ganz andere Lebendigkeit in Beziehung auf den Staat als da, wo die Ständeversammlung fehlt oder nicht öffentlich ist. Erst durch diese Bekanntwerdung eines jeden ihrer Schritte hängen die Kammern mit dem Weiteren der öffentlichen Meinung zusammen, und es zeigt sich, daß es ein anderes ist, was sich jemand zu Hause bei seiner Frau oder seinen Freunden einbildet, und wieder ein anderes, was in einer großen Versammlung geschieht, wo eine Gescheitheit die andere auffrißt.

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