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Die Freiheit der öffentlichen Mitteilung (deren eines Mittel, die Presse, was es an weitreichender Berührung vor dem anderen, der mündlichen Rede, voraus hat, ihm dagegen an der Lebendigkeit zurücksteht), die Befriedigung jenes prickelnden Triebes, seine Meinung zu sagen und gesagt zu haben, hat ihre direkte Sicherung in den ihre Ausschweifungen teils verhindernden, teils bestrafenden polizeilichen und Rechtsgesetzen und Anordnungen, die indirekte Sicherung aber in der Unschädlichkeit, welche vornehmlich in der Vernünftigkeit der Verfassung, der Festigkeit der Regierung, dann auch in der Öffentlichkeit der Ständeversammlungen begründet ist – in letzterem, insofern sich in diesen Versammlungen die gediegene und gebildete Einsicht über die Interessen des Staats ausspricht und anderen wenig Bedeutendes zu sagen übrig läßt, hauptsächlich die Meinung ihnen benommen wird, als ob solches Sagen von eigentümlicher Wichtigkeit und Wirkung sei; – ferner aber in der Gleichgültigkeit und Verachtung gegen seichtes und gehässiges Reden, zu der es sich notwendig bald heruntergebracht hat.

Preßfreiheit definieren als die Freiheit, zu reden und zu schreiben, was man will, steht dem parallel, wenn man die Freiheit überhaupt als die Freiheit angibt, zu tun, was man will. – Solches Reden gehört der noch ganz ungebildeten Roheit und Oberflächlichkeit des Vorstellens an. Es ist übrigens der Natur der Sache nach nirgends, daß der Formalismus so hartnäckig festhält und so wenig sich verständigen läßt, als in dieser Materie. Denn der Gegenstand ist das Flüchtigste, Zufälligste, Besonderste, Zufälligste des Meinens in unendlicher Mannigfaltigkeit des Inhalts und der Wendungen; über die direkte Aufforderung zum Diebstahl, Mord, Aufruhr usf. hinaus liegt die Kunst und Bildung der Äußerung, die für sich als ganz allgemein und unbestimmt erscheint, aber teils zugleich auch eine ganz bestimmte Bedeutung versteckt, teils mit Konsequenzen zusammenhängt, die nicht wirklich ausgedrückt sind und von denen es unbestimmbar ist, sowohl ob sie richtig folgen, als auch ob sie in jener Äußerung enthalten sein sollen. Diese Unbestimmbarkeit des Stoffes und der Form läßt die Gesetze darüber diejenige Bestimmtheit nicht erreichen, welche vom Gesetz gefordert wird, und macht das Urteil, indem Vergehen, Unrecht, Verletzung hier die besonderste subjektivste Gestalt haben, gleichfalls zu einer ganz subjektiven Entscheidung. Außerdem ist die Verletzung an die Gedanken, die Meinung und den Willen der anderen gerichtet, diese sind das Element, in welchem sie eine Wirklichkeit erlangt; dieses Element gehört aber der Freiheit der anderen an, und es hängt daher von diesen ab, ob jene verletzende Handlung eine wirkliche Tat ist. – Gegen die Gesetze kann daher sowohl ihre Unbestimmtheit aufgezeigt werden, als sich für die Äußerung Wendungen und Formierungen des Ausdrucks erfinden lassen, wodurch man die Gesetze umgeht oder die richterliche Entscheidung als ein subjektives Urteil behauptet wird. Ferner kann dagegen, wenn die Äußerung als eine verletzende Tat behandelt wird, behauptet werden, daß es keine Tat, sondern sowohl nur ein Meinen und Denken als nur ein Sagen sei; so wird in einem Atem aus der bloßen Subjektivität des Inhalts und der Form, aus der Unbedeutendheit und Unwichtigkeit eines bloßen Meinens und Sagens die Straflosigkeit desselben und für eben dieses Meinen als für mein und zwar geistigstes Eigentum und für das Sagen als für die Äußerung und Gebrauch dieses meines Eigentums der hohe Respekt und Achtung gefordert. – Das Substantielle aber ist und bleibt, daß Verletzung der Ehre von Individuen überhaupt, Verleumdung, Schmähung, Verächtlichmachung der Regierung, ihrer Behörden und Beamten, der Person des Fürsten insbesondere, Verhöhnung der Gesetze, Aufforderung zum Aufruhr usf. Verbrechen, Vergehen mit den mannigfaltigsten Abstufungen sind. Die größere Unbestimmbarkeit, welche solche Handlungen durch das Element erhalten, worin sie ihre Äußerung haben, hebt jenen ihren substantiellen Charakter nicht auf und hat deswegen nur die Folge, daß der subjektive Boden, auf welchem sie begangen werden, auch die Natur und Gestalt der Reaktion bestimmt; dieser Boden des Vergehens selbst ist es, welcher in der Reaktion, sei sie nun als polizeiliche Verhinderung der Verbrechen oder als eigentliche Strafe bestimmt, die Subjektivität der Ansicht, Zufälligkeit u. dgl. zur Notwendigkeit macht. Der Formalismus legt sich hier wie immer darauf, aus einzelnen Seiten, die der äußerlichen Erscheinung angehören, und aus Abstraktionen, die er daraus schöpft, die substantielle und konkrete Natur der Sache wegzuräsonieren. – Die Wissenschaften aber, da sie, wenn sie nämlich anders Wissenschaften sind, sowohl sich überhaupt nicht auf dem Boden des Meinens und subjektiver Ansichten befinden, als auch ihre Darstellung nicht in der Kunst der Wendungen, des Anspielens, halben Aussprechens und Versteckens, sondern in dem unzweideutigen, bestimmten und offenen Aussprechen der Bedeutung und des Sinnes besteht, fallen nicht unter die Kategorie dessen, was die öffentliche Meinung ausmacht (§ 316). – Übrigens indem, wie vorhin bemerkt, das Element, in welchem die Ansichten und deren Äußerungen als solche zu einer ausgeführten Handlung werden und ihre wirkliche Existenz erreichen, die Intelligenz, Grundsätze, Meinungen anderer sind, so hängt diese Seite der Handlungen, ihre eigentliche Wirkung und die Gefährlichkeit für die Individuen, die Gesellschaft und den Staat (vgl. § 218), auch von der Beschaffenheit dieses Bodens ab, wie ein Funke auf einen Pulverhaufen geworfen eine ganz andere Gefährlichkeit hat als auf feste Erde, wo er spurlos vergeht. – Wie daher die wissenschaftliche Äußerung ihr Recht und ihre Sicherung in ihrem Stoffe und Inhalt hat, so kann das Unrecht der Äußerung auch eine Sicherung oder wenigstens eine Duldung in der Verachtung erhalten, in welche sie sich versetzt hat. Ein Teil solcher für sich auch gesetzlich strafbaren Vergehen kann auf die Rechnung derjenigen Art von Nemesis kommen, welche die innere Ohnmacht, die sich durch die überwiegenden Talente und Tugenden gedrückt fühlt, auszuüben gedrungen ist, um gegen solche Übermacht zu sich selbst zu kommen und der eigenen Nichtigkeit ein Selbstbewußtsein wiederzugeben, wie die römischen Soldaten an ihren Imperatoren im Triumphzug für den harten Dienst und Gehorsam, vornehmlich dafür, daß ihr Name in jener Ehre nicht zum Zählen kam, durch Spottlieder eine harmlosere Nemesis ausübten und sich in eine Art von Gleichgewicht mit ihnen setzten. Jene schlechte und gehässige Nemesis wird durch die Verachtung um ihren Effekt gebracht und dadurch, wie das Publikum, das etwa einen Kreis um solche Geschäftigkeit bildet, auf die bedeutungslose Schadenfreude und die eigene Verdammnis, die sie in sich hat, beschränkt.

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