140

Indem das Selbstbewußtsein an seinem Zwecke eine positive Seite (§ 135), deren er notwendig hat, weil er dem Vorsatze des konkreten wirklichen Handelns angehört, herauszubringen weiß, so vermag es um solcher, als einer Pflicht und vortrefflichen Absicht willen, die Handlung, deren negativer wesentlicher Inhalt zugleich in ihm, als in sich Reflektierten, somit des Allgemeinen des Willens sich Bewußten, in der Vergleichung mit diesem steht, für andere und sich selbst als gut zu behaupten, – [für]64andere, so ist es die Heuchelei, [für] sich selbst, so ist es die noch höhere Spitze der sich als das Absolute behauptenden Subjektivität.

64) im Handexemplar eingesetzt

In every end of a self-conscious subject, there is a positive aspect
(see §135) necessarily present because the end is what is purposed in
an actual concrete action. This aspect he knows how to elicit and
emphasise, and he may then proceed to regard it as a duty or a fine
intention. By so interpreting it, he is enabled to pass off his action as
good in the eyes both of himself and others, despite the fact that,
owing to his reflective character and his knowledge of the universal
aspect of the will, he is aware of the contrast between this aspect and
the essentially negative content of his action. To impose in this way
on others is hypocrisy; while to impose on oneself is a stage beyond
hypocrisy, a stage at which subjectivity claims to be absolute.

Kommentare

2 Antworten zu „140“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Die Vorstellung kann weiter gehen und sich den bösen Willen in den Schein des Guten verkehren. Wenn sie das Böse auch seiner Natur nach nicht verändern kann, so kann sie demselben doch den Schein verleihen, als sei es das Gute. Denn jede Handlung hat ein Positives, und indem sich die Bestimmung des Guten gegen das Böse ebenfalls auf das Positive reduziert, kann ich die Handlung in Beziehung auf meine Absicht als gute behaupten. Also nicht bloß im Bewußtsein, sondern auch von der positiven Seite steht das Böse mit dem Guten in Verbindung. Gibt das Selbstbewußtsein die Handlung nur für andere als gut aus, so ist diese Form die Heuchelei; vermag es aber die Tat für sich selbst als gut zu behaupten, so ist dies die noch, höhere Spitze der sich als das Absolute wissenden Subjektivität, für die das Gute und Böse, an und für sich, verschwunden ist und die dafür ausgeben kann, was sie will und vermag. Dies ist der Standpunkt der absoluten Sophisterei, die sich als Gesetzgeberin aufwirft und den Unterschied von gut und böse auf ihre Willkür bezieht. Was nun die Heuchelei betrifft, so gehören z. B. vornehmlich die religiösen Heuchler (die Tartüffes) dahin, die sich allen Zeremonien unterwerfen, auch für sich fromm sein mögen, nach der anderen Seite aber alles tun, was sie wollen. Heutzutage spricht man wenig mehr von Heuchlern, weil einerseits diese Beschuldigung eine zu harte scheint, andererseits aber die Heuchelei mehr oder weniger in ihrer unmittelbaren Gestalt verschwunden ist. Diese bare Lüge, diese Verdeckung des Guten ist jetzt zu durchsichtig geworden, als daß man sie nicht durchschauen sollte, und die Trennung, daß man auf der einen Seite das Gute, auf der anderen das Böse tut, ist nicht mehr so vorhanden, seitdem die zunehmende Bildung die entgegengesetzten Bestimmungen schwankend gemacht hat. Die feinere Gestalt dagegen, die die Heuchelei jetzt angenommen hat, ist die des Probabilismus, die das enthält, daß man eine Übertretung als etwas Gutes für das eigene Gewissen vorstellig zu machen sucht. Sie kann nur eintreten, wo das Moralische und Gute durch eine Autorität bestimmt ist, so daß es ebensoviel Autoritäten als Gründe gibt, das Böse als Gutes zu behaupten. Kasuistische Theologen, besonders Jesuiten, haben solche Gewissensfälle bearbeitet und sie ins Unendliche vermehrt.
    Indem diese Fälle nun zur höchsten Subtilität gebracht werden, entstehen viele Kollisionen, und die Gegensätze des Guten und Bösen werden so schwankend, daß sie sich in Beziehung auf die Einzelheit als umschlagend beweisen. Was man verlangt, ist nur das Probable, das heißt das sich annähernde Gute, das mit irgendeinem Grunde oder irgendeiner Autorität belegt werden kann. Dieser Standpunkt hat also die eigentümliche Bestimmung, daß er nur ein Abstraktes enthält und der konkrete Inhalt als etwas Unwesentliches aufgestellt wird, der vielmehr der bloßen Meinung überlassen bleibt. So kann also jemand ein Verbrechen begangen und das Gute gewollt haben: Wenn z. B. ein Böser gemordet wird, so kann für die positive Seite das ausgegeben werden, daß man dem Bösen habe widerstehen und es habe vermindern wollen. Der weitere Fortgang vom Probabilismus ist nun, daß es nicht mehr auf die Autorität und die Behauptung eines anderen, sondern auf das Subjekt selbst ankommt, das heißt auf seine Überzeugung, und daß nur etwas durch sie gut werden kann. Das Mangelhafte ist hier, daß es bloß auf die Überzeugung sich beziehen soll und daß es kein an und für sich seiendes Recht mehr gibt, für welches diese Überzeugung nur die Form wäre. Es ist allerdings nicht gleichgültig, ob ich etwas aus Gewohnheit und Sitte oder von der Wahrheit desselben durchdrungen tue, aber die objektive Wahrheit ist von meiner Überzeugung auch verschieden; denn diese letztere hat den Unterschied von gut und böse gar nicht, da Überzeugung stets Überzeugung ist und schlecht nur das wäre, von dem ich nicht überzeugt bin. Indem dieser Standpunkt nun ein höchster, das Gute und Böse auslöschender ist, wird dabei zugegeben, dieses Höchste sei auch der Irrung ausgesetzt, und insofern wird es von seiner Höhe herab wieder zufällig und scheint keine Achtung zu verdienen. Diese Form nun ist die Ironie, das Bewußtsein, daß es mit solchem Prinzip der Überzeugung nicht weit her sei und daß in diesem höchsten Kriterium nur Willkür herrsche. Dieser Standpunkt ist eigentlich aus der Fichteschen Philosophie hervorgegangen, die das Ich als das Absolute ausspricht, das heißt als die absolute Gewißheit, als die allgemeine Ichheit, die durch die weitere Entwicklung zur Objektivität fortgeht. Von Fichte ist eigentlich nicht zu sagen, daß er im Praktischen die Willkür des Subjekts zum Prinzip gemacht habe, aber späterhin ist im Sinne der besonderen Ichheit von Friedrich v. Schlegel dieses Besondere selbst in betreff des Guten und Schönen als Gott aufgestellt worden, so daß das objektiv Gute nur ein Gebilde meiner Überzeugung sei, nur durch mich einen Halt bekommt, und daß ich es als Herr und Meister hervortreten und verschwinden lassen kann. Indem ich mich zu etwas Objektivem verhalte, ist es zugleich für mich untergegangen, und so schwebe ich über einem ungeheuren Raume, Gestalten hervorrufend und zerstörend. Dieser höchste Standpunkt der Subjektivität kann nur in einer Zeit hoher Bildung entstehen, wo der Ernst des Glaubens zugrunde gegangen ist und nur noch in der Eitelkeit aller Dinge sein Wesen hat.

  2. Avatar von Hegel
    Hegel

    [zu] § 140.
    α) Böses und Gutes
    β) Beziehung – so daß das Gute zum Scheine gemacht wird. Es ist Schein, an sich, weil noch abstrakt, nur ein Gesetztes.
    – nur ein Gesetztes, nicht für sich, sich selbst haltend, wahrhaft substantiell, – weil inhaltslos, unbestimmt in sich. – Nur das Konkrete ist in sich vollendet –
    Aber Inhalt muß sein; also willkürlich –
    γ) Weisen dieses Scheins
    αα) Begierde; irgendein Inhalt – böse, unbefangen –
    ββ) Inhalt als Grund; – Reflektiert, d. h. dem besonderen Inhalt die Bestimmung des Guten gegeben – diese Bestimmung aber als inhaltslos, das abstrakte Affirmative.
    Das Objekt heißt hier bloß abstrakt – ein Positives – Seiendes – Befriedigendes meiner.
    (Das Gewissen handelt -) Die Bestimmung des Guten – im Bösen – ist das Caput mortuum des Positiven, Seienden – sich nicht widersprechend, weil alle Bestimmung, Besonderung – verflüchtigt ist, die Besonderung nur aus meiner Willkür genommen ist – Ich anerkenne keinen objektiven Inhalt, Inhaltsbestimmung – nur Objektivität, das Gute, Formelle, überhaupt.
    Absolute Sophisterei – darum gut, weil Ich überzeugt bin – d. h. meine theoretische, reflektierte Übereinstimmung mit mir – meine Befriedigung in mir aus Gründen – dies das Positive – Gar keine Objektivität als diese der Selbstbestimmung – und zwar der abstrakten – Bestimmungslosigkeit, daher alle Bestimmung nur durch meine Willkür.
    Ironie ist das Bewußtsein hierüber – Sokrates: Vorstellungen der Gegner zunächst angenommen, stehen lassen – nichts ihnen direkt entgegengesetzt, sondern sie durch die Folgerungen, zugestandene Wahrheiten, durch sich selbst in Verwirrung gesetzt – schroff – mehr in Verwirrung als eigentlich in sich aufgelöst – Das Objektive der Ironie ist die Dialektik, aber nur negatives Resultat –
    Hier Dialektik Negativität in Form der absoluten Idealität alles Objektiven (Fichtesche Philosophie) – Reflexion auf Handeln, auf Gesetze, Pflichten, das Göttliche, Ewige – es hat Inhalt, Bestimmung nur durch meine Subjektivität – Ich überzeugt bin, und wissen, diese Überzeugung ist meine Willkür – Und dies Wissen liegt unmittelbar in dem Überzeugtsein – denn Gründe sind als bloß Relatives usf. gesetzt, indem mein Überzeugtsein zum Kriterium gemacht ist, d. i. daß die Sache nur durch meine Subjektivität gilt – nichts Seiendes –

    [zu § 140 Anm., Absatz a.]
    α) Weiß der Mensch, daß er Böses tut, wenn er Böses tut-
    αα) Böse überhaupt –
    α) Selbstsucht, Leidenschaft – Beharren auf sich, mit Aufopferung, Verletzung des Rechten, Guten.
    β) hat einen Zweck, gilt ihm etwas als Zweck – was es nicht ist, als affirmativ, irrt darüber – Böser Charakter wie böser Hund –
    γ) Mensch steht absolut unter diesem Urteil – weil Geist, Vernunft – Anders als Nichtwissen äußerer Umstände – Jenes Sache seines Willens –
    δ) damit nicht gesagt, daß, wer es wüßte, daß böse, so würde er aufhören, böse zu sein; es wissen viele, daß böse, und doch seien sie es, tun sie dergleichen – aus dem Wissen folge nicht das Tun – Freilich kann [jemand] gegen besser Wissen und Gewissen [am Bösen] festhalten – wenn er’s auch weiß; doch falsch, daß er jenes sogar gegen das Gute fest[zu]halten für einen Zweck hält.
    ββ) mit bösem Gewissen – macht keinen so wesentlichen Unterschied aus – nur schlimmer – überhaupt sehr allgemeiner Ausdruck – etwas für Böse halten – doch natürliches Gelten, Geltendmachen – äußerliche Wirklichkeit für wahrhaft, an sich.

    a) Böse subj., b) Nez en haut – Gut – Heuchelei, c) Zweck das Gute als Grund, d) das Gute selbst – Willkür des Subjekts, e) Überzeugung – subjektive Form, f) Ironie, – Bewußtsein der absoluten Subjektivität,
    a) Böse, Widerspruch in sich selbst
    b) Widerspruch gegen das gesetzte Gute, des Besonderen gegen das Gute an sich; vom Subjekt als Schein, Heuchelei, als Subsumtion in c etc., selbst unter das in mich gesetzte Gute, – Reflexion
    c) Das Böse als affirmativ, d. i. gut gesetzt oder Inkonsequenz.
    d) Das Gute als abstrakt bloßes Prädikat, darunter kann alles subsumiert werden – im Subjekt – Grund; in seiner Besonderheit diese Verknüpfung zufällig – dem Inhalt nach –
    e) meine Vernünftigkeit selbst, als subjektive Überzeugung, was Wert haben soll – Reflexion aufs Besondere – Gleichgültigkeit des besonderen Inhalts, der nicht an sich ist. Bewußtsein der Zufälligkeit.
    Zu c) objektive Subsumtion; der Inhalt soll gut sein; – mir als gut erscheinen; für mich, in meinem Wissen – als ob das Böse nur wäre als Widerspruch gegen das in mir gesetzte Gute, nicht gegen das Gute an sich. – d) das Besondere nicht an ihm selbst gut; nur das Gute ist gut. Form, die für die Andern gilt, nicht für mich, Betrug – e) auch subjektive Verknüpfung selbst, in welche das Subjekt fällt. – f) Ironie.
    b) Heuchelei – für andere – Das Gute als ein Schein – Mittel – Unter Heuchelei aber wird auch die Inkonsequenz in sich selbst verstanden; – Frömmigkeit nicht Ernst; kann wohl Ernst sein, ohne konkrete Reflexion – abstrakte Frömmigkeit, Barbaren dabei – Böse,
    c) für sich selbst – äußerer Grund – Probabilismus – in einem Andern bestimmt – kann noch an sich bestimmt sein

    [zu § 140 Anm., Absatz c.] Böse – Verkehrung, an sich
    c) Heuchelei – für sich selbst – äußerlicher Wille – Grund – Positiv – Probabilismus. Daher heutigentags keine Heuchelei, weil das an sich Böse als gut gewußt, zum Guten durch Reflexion bestimmt wird. Dies die Affirmation. Beginnende Voraussetzung: das ist gut, – oder vielmehr erst: Ich bin gut, insofern es für mich als gut erscheint; – verzeihlich, läßliche Sünden – auch gewußt nur ein Schein –
    Sophisterei, an sich, – nämlich Subjekt nach seiner Besonderheit ist der absolute Zweck; beabsichtigt nicht das Gute als solches; hat nicht diese Abstraktion zum Gegenstand – Erst Sokrates und Platon haben solche Idee aufgestellt – worauf denn der Probabilismus usf. das Besondere darunter zu subsumieren, darauf zu beziehen bezweckt; hingegen gebildete Sophisterei. Alles auf irgendeinen Zweck – der bei vielen Sophisten gut war, bei andern die Selbstsucht, oder jene Bildung überhaupt für Staatszwecke, – was das Gute unter irgend Umständen ist. Also Sophisterei teils Bildung überhaupt (die gemeinschaftlich ist mit dem modernen Bösen), teils aber eine Form des unbefangenen Bösen überhaupt –
    Noch nicht jenes Verhältnis des Willens, als vor sich habend das Gute und als die Reflexion auf das Gute wäre.
    Der Grund soll das Entscheidende, Berechtigende sein. Inhalt nach, ein Grund –

    [zu § 140 Anm., Absatz d.]
    die Bestimmung des Guten – ohne Inhalt
    d) Für sich selbst innerlich zum Guten machen – Erstlich Meinen, Behaupten – man wolle das Gute – und dies Abstrakte, – dies das Meinen, Vorgeben, sei die Hauptsache oder das Einzige; es sei genug, guten Willen zu haben – nicht ob er an sich gut – sondern ich meine es. Der Grund, Inhalt ist meiner Willkür überlassen. – Wesentlich gut das Affirmative – Ob eine Bestimmung als Affirmatives betrachtet werden kann, dies die Gattung in ihr, das Gute.

    Welches Gute ist vorzuziehen? – Das Vorgezogene absorbiert die anderen, sonst auch als affirmativ bestimmbaren – Kollision.

    [zu § 140 Anm., Absatz e.]
    Besonderer Inhalt nicht durch sich selbst mit Allgemeinem verknüpft. Diese Täuschung muß man wissen, – als ob wir wüßten, was das Gute ist, wenn Gutes als Gutes um des Guten willen –
    An sich ist d) durchs Subjekt – bestimmt; – in e) dies gesetzt –
    e) Bloß Sache der Meinung – vorher gleichsam dahingestellt sein lassen, ob objektiv gut oder nicht – Hier die Überzeugung allein selbst das Objektive.
    Keine Grundsätze.

    [zu § 140, Anm., Absatz e., *]
    Jacobi selbst [hat] den Glauben, unmittelbares Wissen [sei] in und aus meiner Vernunft offenbart, und sei Glauben und das Geglaubte – Aber zu dieser Vernunft zu kommen, nur Eingebung, unmittelbares Wissen –
    Überzeugung – hat auch Form von Gründen – brauche mich nur auf Gewissen zu berufen – Franz[osen(?) ] Napoleon in Wien, wildes Tier- den Mörder – d. i. nicht das Allgemeine, Grundsätze – des Rechts, der Sittlichkeit anerkannt, – kein gemeinsamer Boden mit ihm –

    [zu § 140, Anm., Absatz f.]
    Noch immer bisher – subjektive Ehrlichkeit
    f) Wissen, daß dies Prinzip – für objektives Gute nicht Ernst ist – Ironie – daß es selbst schlechte Willkür ist – Überzeugung, weil subjektiv, ganz von mir abhängt –
    α) Eitelkeit – Standhalten, β) Schmachten nach Objektivität – ins andere Extrem – Katholisch werden.

    *”Daß er sich vollkommen überzeugt fühle, daran zweifle ich nicht im mindesten. Aber wieviele Menschen beginnen nicht aus einer solchen gefühlten Überzeugung die ärgsten Frevel. Also, wenn dieser Grund überall entschuldigen mag, so gibt es kein vernünftiges Urteil mehr über gute und böse, ehrwürdige und verächtliche Entschließungen; der Wahn hat dann gleiche Rechte mit der Vernunft, oder die Vernunft hat dann überhaupt keine Rechte, kein gültiges Ansehen mehr; ihre Stimme ist ein Unding; wer nur nicht zweifelt, der ist in der Wahrheit!
    Mir schaudert vor den Folgen einer solchen Toleranz, die eine ausschließende zum Vorteil der Unvernunft wäre.”
    Fr. H. Jacobi an den Grafen Holmer, Eutin, 5. Aug. 1800; über Gr. Stolbergs Rel. Veränderung (Brennus, Berlin, Aug. 1802).

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