79

Die Stipulation enthält die Seite des Willens, daher das Substantielle des Rechtlichen im Vertrage, gegen welches der, insofern der Vertrag noch nicht erfüllt ist, noch bestehende Besitz für sich nur das Äußerliche ist, das seine Bestimmung allein in jener Seite hat. Durch die Stipulation habe ich ein Eigentum und besondere Willkür darüber aufgegeben, und es ist bereits Eigentum des anderen geworden, ich bin daher durch sie unmittelbar zur Leistung rechtlich verbunden.

Der Unterschied von einem bloßen Versprechen und einem Vertrag liegt darin, daß in jenem das, was ich schenken, tun, leisten wolle, als ein Zukünftiges ausgesprochen ist und noch eine subjektive Bestimmung meines Willens bleibt, die ich hiermit noch ändern kann. Die Stipulation des Vertrags hingegen ist schon selbst das Dasein meines Willensbeschlusses in dem Sinne, daß ich meine Sache hiermit veräußert, sie jetzt aufgehört habe, mein Eigentum zu sein, und daß ich sie bereits als Eigentum des anderen anerkenne. Die römische Unterscheidung zwischen pactum und contractus ist von schlechter Art. – Fichte1 hat einst die Behauptung aufgestellt, daß die Verbindlichkeit, den Vertrag zu halten, nur erst mit der beginnenden Leistung des anderen für mich anfange, weil ich vor der Leistung in der Unwissenheit darüber sei, ob der andere es ernstlich mit seiner Äußerung gemeint habe; die Verbindlichkeit vor der Leistung sei daher nur moralischer, nicht rechtlicher Natur. Allein die Äußerung der Stipulation ist nicht eine Äußerung überhaupt, sondern enthält den zustande gekommenen gemeinsamen Willen, in welchem die Willkür der Gesinnung und ihrer Änderung sich aufgehoben hat. Es handelt sich deswegen nicht um die Möglichkeit, ob der andere innerlich anders gesinnt gewesen oder geworden sei, sondern ob er das Recht dazu habe. Wenn der andere auch zu leisten anfängt, bleibt mir gleichfalls die Willkür des Unrechts. Jene Ansicht zeigt ihre Nichtigkeit gleich dadurch, daß das Rechtliche des Vertrags auf die schlechte Unendlichkeit, den Prozeß ins Unendliche, gestellt wäre, auf die unendliche Teilbarkeit der Zeit, der Materie, des Tuns usf. Das Dasein, das der Wille in der Förmlichkeit der Gebärde oder in der für sich bestimmten Sprache hat, ist schon sein, als des intellektuellen, vollständiges Dasein, von dem die Leistung nur die selbstlose Folge ist. – Daß es übrigens im positiven Rechte sogenannte Real-Kontrakte gibt, zum Unterschiede von sogenannten Konsensual– Kontrakten in dem Sinne, daß jene nur für vollgültig angesehen werden, wenn zu der Einwilligung die wirkliche Leistung (res, traditio rei) hinzukommt, tut nichts zur Sache. Jene sind teils die besonderen Fälle, wo mich diese Übergabe erst in den Stand setzt, meinerseits leisten zu können, und meine Verbindlichkeit, zu leisten, sich allein auf die Sache, insofern ich sie in die Hände erhalten, bezieht, wie beim Darlehn, Leihkontrakt und Depositum (was auch noch bei anderen Verträgen der Fall sein kann) – ein Umstand, der nicht die Natur des Verhältnisses der Stipulation zur Leistung, sondern die Art und Weise des Leistens betrifft -, teils bleibt es überhaupt der Willkür überlassen, in einem Vertrag zu stipulieren, daß die Verbindlichkeit des einen zur Leistung nicht im Vertrage als solchem selbst liegen, sondern erst von der Leistung des anderen abhängig sein solle.

In contract it is the will, and therefore the substance of what is
right in contract, that the stipulation enshrines. In contrast with this
substance, the possession which is still being retained while the
contract remains unfulfilled is in itself only something external,
dependent for its character as a possession on the will alone. By
making the stipulation, I have given up a property and withdrawn my
particular arbitrary will from it, and it has
eo ipso become the property
of another. If then I agree to stipulated terms, I am by rights at once
bound to carry them out.

  1. Beiträge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution, Sämtl. Werke, VI, 111 ff. ↩︎

Kommentare

Eine Antwort zu „79“

  1. Avatar von Hegel
    Hegel

    Mein Wille ist gebunden, gemeinsamer Wille – mit dem Willen des Andern in eins gesetzt; – daß die Einheit Realität hat – α) durch Leistung – β) Stipulation – nach Weise des Willens als eines Geistigen durch Zeichen – Wort, Gebärde, Schrift; Förmlichkeit, Ausführlichkeit, Händedruck – der gemeinsame Wille ist da für beide – mein Wille nicht mehr subjektiv für mich. Was da ist, ist die Entäußerung meines Willens und die Verknüpfung desselben mit einem andern; ich habe dieser Entäußerung Dasein gegeben; so daß sie nicht mehr nur eine subjektive ist; – sondern eine Handlung – außer mir gesetzt –
    Die Sache nach (post) dem Kontrakt die meinige –
    Mein Eigentum α) meines Willens, β) meines Besitzes; – jene Seite entäußert – Stipulation;
    Die Schwierigkeit liegt oder lag in dem Unterschiede der Äußerung- nämlich daß mein Wille – vor der Äußerung als Leistung – ein Innerliches, Subjektives sei – von meiner Seite also der Änderung fähig; – nur eine Meinung – Ähnliches kommt vor, Aufforderung zum Aufruhr, Verleumdung, Schimpfwort, – es sei nur eine Meinung, die ich geäußert – und zwar auch nur durch Worte – Bewegung der Luft, Wind, der schon verflogen ist, wie ich ihn gemacht; – was bleibt? – nur das Innere und meine Meinung, subjektiv, die nur meine bliebe.
    Solche Worte – sind Taten und Handlungen – In der Welt der Vorstellungen schmeißt man nicht mit Prügeln drein, Verkehr nicht mit Gold, Silber usf. – so wenig als ein Wechsel, weil nur Worte, zwar geschrieben, aber nur auf Papier, mit schwarzer Tinte – vertreten ganz die Stelle des Geldes wie Geld die Stelle der Waren – nicht nur die Stelle, sondern sind ihres Inhalts wegen vollgültiges Geld und Wert.

    Verschiedene Rechte – auf Erfüllung und Leistung – auf Art der Aktionen – die anzustellen waren – eine traurige, krüppelige Unterscheidung – zuletzt zusammen, über den Haufen geworfen – Gedankenlosigkeit – d. i. nicht das Allgemeine herausgehoben –
    Pactum ist römisch ein Vertrag – zum Teil einem bloßen Versprechen gleich – dem aber die Stipulation – nämlich Stipulation als feierliche Förmlichkeit – abgeht, doch das Prätorische Recht nach und nach und Justinian zuletzt hob diesen Unterschied auf. Thibaut [Theorie der logischen Auslegung des römischen Rechts, 1799], s. p. 125

    – Fichte – ebenso im älteren römischen Recht -: “bei den ungenannten Kontrakten (d. i. besondere Arten, die im Zivilrecht nicht genannt waren) hatte man die Verbindlichkeit bloß auf die geschehene Leistung gebaut; dadurch wird aber nur der Empfänger verpflichtet; der konnte also die Aktion auf Erfüllung anstellen; er konnte aber auch, solange die Gegenleistung nicht erfolgt war oder der Empfänger zur Erfüllung des Vertrags keine dem Empfangenen gleichkommenden Verwendungen gemacht hatte, – das Gegebene schlechthin der Sinnesänderung wegen, ob poenitentiam, zurückfordern”. Thibaut [l. c.], p. 124.

    Contractus nomin[atus]: produzierte jeder eine besondere, nach ihm benannte Klage; contractus innomin. erforderte, daß in jedem einzelnen Fall die Klagformel nach dem besonderen vorliegenden Fall normiert wurde; actio praescriptis verbis.

Schreibe einen Kommentar