Die Verletzung, die dem Verbrecher widerfährt, ist nicht nur an sich gerecht – als gerecht ist sie zugleich sein an sich seiender Wille, ein Dasein seiner Freiheit, sein Recht -, sondern sie ist auch ein Recht an den Verbrecher selbst, d. i. in seinem daseienden Willen, in seiner Handlung gesetzt. Denn in seiner als eines Vernünftigen Handlung liegt, daß sie etwas Allgemeines, daß durch sie ein Gesetz aufgestellt ist, das er in ihr für sich anerkannt hat, unter welches er also als unter sein Recht subsumiert werden darf.
Beccaria1 hat dem Staate das Recht zur Todesstrafe bekanntlich aus dem Grunde abgesprochen, weil nicht präsumiert werden könne, daß im gesellschaftlichen Vertrage die Einwilligung der Individuen, sich töten zu lassen, enthalten sei, vielmehr das Gegenteil angenommen werden müsse. Allein der Staat ist überhaupt nicht ein Vertrag (s. § 75), noch ist der Schutz und die Sicherung des Lebens und Eigentums der Individuen als einzelner so unbedingt sein substantielles Wesen, vielmehr ist er das Höhere, welches dieses Leben und Eigentum selbst auch in Anspruch nimmt und die Aufopferung desselben fordert. – Ferner ist [es] nicht nur der Begriff des Verbrechens, das Vernünftige desselben an und für sich, mit oder ohne Einwilligung der Einzelnen, was der Staat geltend zu machen hat, sondern auch die formelle Vernünftigkeit, das Wollen des Einzelnen, liegt in der Handlung des Verbrechers. Daß die Strafe darin als sein eigenes Recht enthaltend angesehen wird, darin wird der Verbrecher als Vernünftiges geehrt. – Diese Ehre wird ihm nicht zuteil, wenn aus seiner Tat selbst nicht der Begriff und der Maßstab seiner Strafe genommen wird; – ebensowenig auch, wenn er nur als schädliches Tier betrachtet wird, das unschädlich zu machen sei, oder in den Zwecken der Abschreckung und Besserung. – Ferner in Rücksicht auf die Weise der Existenz der Gerechtigkeit ist ohnehin die Form, welche sie im Staate hat, nämlich als Strafe, nicht die einzige Form und der Staat nicht die bedingende Voraussetzung der Gerechtigkeit an sich.
The injury [the penalty] which falls on the criminal is not merely
implicitly just — as just, it is eo ipso his implicit will, an embodiment of
his freedom, his right; on the contrary, it is also a right established
within the criminal himself, i.e. in his objectively embodied will, in his
action. The reason for this is that his action is the action of a rational
being and this implies that it is something universal and that by doing
it the criminal has laid down a law which he has explicitly recognised
in his action and under which in consequence he should be brought
as under his right.
- Cesare Beccaria, Dei delitti e della pene, Livorno 1764 ↩︎
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.