99

Die Verletzung aber, welche dem an sich seienden Willen (und zwar hiermit ebenso diesem Willen des Verletzers als des Verletzten und aller) widerfahren, hat an diesem an sich seienden Willen als solchem keine positive Existenz, sowenig als an dem bloßen Produkte. Für sich ist dieser an sich seiende Wille (das Recht, Gesetz an sich) vielmehr das nicht äußerlich Existierende und insofern das Unverletzbare. Ebenso ist die Verletzung für den besonderen Willen des Verletzten und der übrigen nur etwas Negatives. Die positive Existenz der Verletzung ist nur als der besondere Wille des Verbrechers. Die Verletzung dieses als eines daseienden Willens also ist das Aufheben des Verbrechens, das sonst gelten würde 45) , und ist die Wiederherstellung des Rechts.

45) *[handschriftlich:] d. h. allgemeine Existenz haben würde, denn einzelnes Sein ist hier allgemein – für Alle.

But the injury which has befallen the implicit will (and this means
the implicit will of the
injuring party as well as that of the injured and
everyone else) has as little positive existence in this implicit will as
such as it has in the mere state of affairs which it produces. In itself
this implicit will (i.e. the right or law implicit) is rather that which has
no external existence and which for that reason cannot be injured.
Consequently, the injury from the point of view of the particular will
of the injured party and of onlookers is only something negative. The
sole positive existence which the injury possesses is that it is the
particular will of the criminal. Hence to injure [or penalise] this
particular will as a will determinately existent is to annul the crime,
which otherwise would have been held valid, and to restore the right.

Kommentare

2 Antworten zu „99“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Die Feuerbachische Straftheorie begründet die Strafe auf Androhung und meint, wenn jemand trotz derselben ein Verbrechen begehe, so müsse die Strafe erfolgen, weil sie der Verbrecher früher gekannt habe. Wie steht es aber mit der Rechtlichkeit der Drohung? Dieselbe setzt den Menschen als nicht Freien voraus und will durch die Vorstellung eines Übels zwingen. Das Recht und die Gerechtigkeit müssen aber ihren Sitz in der Freiheit und im Willen haben und nicht in der Unfreiheit, an welche sich die Drohung wendet. Es ist mit der Begründung der Strafe auf diese Weise, als wenn man gegen einen Hund den Stock erhebt, und der Mensch wird nicht nach seiner Ehre und Freiheit, sondern wie ein Hund behandelt. Aber die Drohung, die im Grunde den Menschen empören kann, daß er seine Freiheit gegen dieselbe beweist, stellt die Gerechtigkeit ganz beiseite. Der psychologische Zwang kann sich nur auf den qualitativen und quantitativen Unterschied des Verbrechens beziehen, nicht auf die Natur des Verbrechens selbst, und die Gesetzbücher, die etwa aus dieser Lehre hervorgegangen sind, haben somit des eigentlichen Fundaments entbehrt.

  2. Avatar von Hegel
    Hegel

    [zu] § 99
    αα) Recht soll sein, hergestellt werden – an sich – gegen den Willen des Verbrechers u.
    ββ) mit seinem Willen, – denn der Verbrecher ist dieser Widerspruch in sich selbst – In der Erscheinung –
    α) der verletzte, β) der [bricht ab]
    Verletzung ist eine Existenz – unrechtliche – Verletzung des Rechts, wo existiert sie als ein Positives?
    Das Recht an sich ist nicht verletzt worden
    Unrecht soll aufgehoben werden; wo existiert dasselbe, – wo ist es zu finden? Sein Ort ist der besondere Wille.
    Die Frage wo? kann zunächst auffallen –
    Der besondere Wille des Verbrechers ist die Existenz des Verbrechens; jene besondere gilt, – d. i. anerkannte Existenz (d. i. nicht äußerliches, sondern vom Willen gesetztes Dasein, – nur um solches handelt es sich: behauptetes Dasein worin der Wille affirmativ ist – Seite des Innern – Recht). Wille ist selbst nur zu fassen als existierend, an seiner körperlichen Seite, Leib und Leben, äußerliche Freiheit dem Raume nach.
    Alle aus anderen [Seiten] hierhin genommenen Bestimmungen der Strafe gehen nicht den Willen der Tat, als Willen derselben an – böser Mensch [:] bessern – seinen allgemeinen bösen Willen – nicht seinen in dieser Tat, als in dieser wirklichen Willen –
    αα) daseiender Wille des Verbrechers – etwas, das der Verbrecher als das Seinige haben und behalten will; – also wenn Strafe eine bestimmte Summe Gelds, und es will sich diese einer kosten lassen – und bezahlt sie – (Römer, der umherging und den Bürgen Ohrfeigen gab, den Sklaven mit dem Sacke voll Assen sich nachgehen ließ und die Strafsumme erlegen ließ) – nicht Strafe – Strafe muß empfindlich sein – so schon Schande, verurteilt zu werden; – dies wird in der Regel vorausgesetzt. – Wo Äußerungen dagegen, – geschärft oder in andere verwandelt. – Selbst bei Mord vorgekommen, um das Leben zu verlieren, – also Todesstrafe nicht empfindlich, – so ist geschehen, daß in Gefängnisstrafe verwandelt worden –
    ββ) [siehe Schlußsatz § 99 und handschriftl. Anmerkung dazu]

    [zu § 99 Anm.]
    Mitleiden, Besserung, Staatszweck, besondere Zwecke der Gesellschaft – erbleichen gegen die Frage: was erfordert die Gerechtigkeit? – Jenes alles gut und schön, aber verschieden. – Gerechtigkeit geht unter, wie Wahrheit, wenn alles nur auf subjektive Weise behandelt; – Willkür, Meinung –
    Wenn dergleichen in die Rechtspflege als wesentlich, d. i. Grundbestimmungen aufgenommen werden, so begnadigen die Gerichte; – Begnadigen etwas anderes als Richten; – Vermischung, Verwirrung.
    Entschuldigen und Rechtfertigen ist zweierlei.
    Es ist um Gerechtigkeit zu tun, d. i. um Vernunft – d. i. daß die Freiheit ihr Dasein erhalte, – nicht sinnliche Triebfedern usf. geehrt werden, Mitleiden, Empfindung ausgeführt werden.

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