135

Diese Bestimmungen sind aber in der Bestimmung der Pflicht selbst nicht enthalten, sondern indem beide bedingt und beschränkt sind, führen sie eben damit den Übergang in die höhere Sphäre des Unbedingten, der Pflicht, herbei. Der Pflicht selbst, insofern sie im moralischen Selbstbewußtsein das Wesentliche oder Allgemeine desselben ist, wie es sich innerhalb seiner auf sich nur bezieht, bleibt damit nur die abstrakte Allgemeinheit, [sie] hat die inhaltslose Identität oder das abstrakte Positive, das Bestimmungslose zu ihrer Bestimmung.

So wesentlich es ist, die reine unbedingte Selbstbestimmung des Willens als die Wurzel der Pflicht herauszuheben, wie denn die Erkenntnis des Willens erst durch die Kantische Philosophie ihren festen Grund und Ausgangspunkt durch den Gedanken seiner unendlichen Autonomie gewonnen hat (s. § 133), so sehr setzt die Festhaltung des bloß moralischen Standpunkts, der nicht in den Begriff der Sittlichkeit übergeht, diesen Gewinn zu einem leeren Formalismus und die moralische Wissenschaft zu einer Rednerei von der Pflicht um der Pflicht willen herunter. Von diesem Standpunkt aus ist keine immanente Pflichtenlehre möglich; man kann von außen her wohl einen Stoff hereinnehmen und dadurch auf besondere Pflichten kommen, aber aus jener Bestimmung der Pflicht, als dem Mangel des Widerspruchs, der formellen Übereinstimmung mit sich, welche nichts anderes ist als die Festsetzung der abstrakten Unbestimmtheit, kann nicht zur Bestimmung von besonderen Pflichten übergegangen werden, noch wenn ein solcher besonderer Inhalt für das Handeln zur Betrachtung kommt, liegt ein Kriterium in jenem Prinzip, ob er eine Pflicht sei oder nicht. Im Gegenteil kann alle unrechtliche und unmoralische Handlungsweise auf diese Weise gerechtfertigt werden. – Die weitere Kantische Form, die Fähigkeit einer Handlung, als allgemeine Maxime vorgestellt zu werden, führt zwar die konkretere Vorstellung eines Zustandes herbei, aber enthält für sich kein weiteres Prinzip als jenen Mangel des Widerspruchs und die formelle Identität. – Daß kein Eigentum stattfindet, enthält für sich ebensowenig einen Widerspruch, als daß dieses oder jenes einzelne Volk, Familie usf. nicht existiere oder daß überhaupt keine Menschen leben. Wenn es sonst für sich fest und vorausgesetzt ist, daß Eigentum und Menschenleben sein und respektiert werden soll, dann ist es ein Widerspruch, einen Diebstahl oder Mord zu begehen; ein Widerspruch kann sich nur mit etwas ergeben, das ist, mit einem Inhalt, der als festes Prinzip zum voraus zugrunde liegt. In Beziehung auf ein solches ist erst eine Handlung entweder damit übereinstimmend oder im Widerspruch. Aber die Pflicht, welche nur als solche, nicht um eines Inhalts willen, gewollt werden soll, die formelle Identität ist eben dies, allen Inhalt und Bestimmung auszuschließen.
Die weiteren Antinomien und Gestaltungen des perennierenden Sollens, in welchen sich der bloß moralische Standpunkt des Verhältnisses nur herumtreibt, ohne sie lösen und über das Sollen hinauskommen zu können, habe ich in der Phänomenologie des Geistes S. 550 ff. entwickelt; vgl. Enzyklop. der philos. Wissensch., § 420 ff.1

These specific duties, however, are not contained in the definition
of duty itself; but since both of them are conditioned and restricted,
they
eo ipso bring about the transition to the higher sphere of the
unconditioned, the sphere of duty. Duty itself in the moral selfconsciousness is the essence or the universality of that consciousness,
the way in which it is inwardly related to itself alone; all that is left to
it, therefore, is abstract universality, and for its determinate character
it has identity without content, or the abstractly positive, the
indeterminate.

  1. Enzyklopädie, 3. Aufl. § 507 ff. ↩︎

Kommentare

Eine Antwort zu „135“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Wenn wir auch oben den Standpunkt der Kantischen Philosophie hervorhoben, der, insofern er das Gemäßsein der Pflicht mit der Vernunft aufstellt, ein erhabener ist, so muß doch hier der Mangel aufgedeckt werden, daß diesem Standpunkte alle Gliederung fehlt. Denn der Satz: Betrachte, ob deine Maxime könne als ein allgemeiner Grundsatz aufgestellt werden, wäre sehr gut, wenn wir schon bestimmte Prinzipien über das hätten, was zu tun sei. Indem wir nämlich von einem Prinzip verlangen, es solle auch Bestimmung einer allgemeinen Gesetzgebung sein können, so setzt eine solche einen Inhalt schon voraus, und wäre dieser da, so müßte die Anwendung leicht werden. Hier aber ist der Grundsatz selbst noch nicht vorhanden, und das Kriterium, daß kein Widerspruch sein solle, erzeugt nichts, da, wo nichts ist, auch kein Widerspruch sein kann.

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