15

Die Freiheit des Willens ist nach dieser Bestimmung Willkür – in welcher dies beides enthalten ist, die freie von allem abstrahierende Reflexion und die Abhängigkeit von dem innerlich oder äußerlich gegebenen Inhalte und Stoffe. Weil dieser an sich als Zweck notwendige Inhalt zugleich gegen jene Reflexion als möglicher bestimmt ist, so ist die Willkür die Zufälligkeit, wie sie als Wille ist.

Die gewöhnlichste Vorstellung, die man bei der Freiheit hat, ist die der Willkür – die Mitte der Reflexion zwischen dem Willen als bloß durch die natürlichen Triebe bestimmt und dem an und für sich freien Willen. Wenn man sagen hört, die Freiheit überhaupt sei dies, daß man tun könne, was man wolle, so kann solche Vorstellung nur für gänzlichen Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden, in welcher sich von dem, was der an und für sich freie Wille, Recht, Sittlichkeit usf. ist, noch keine Ahnung findet. Die Reflexion, die formelle Allgemeinheit und Einheit des Selbstbewußtseins, ist die abstrakte Gewißheit des Willens von seiner Freiheit, aber sie ist noch nicht die Wahrheit derselben, weil sie sich noch nicht selbst zum Inhalte und Zwecke hat, die subjektive Seite also noch ein anderes ist als die gegenständliche; der Inhalt dieser Selbstbestimmung bleibt deswegen auch schlechthin nur ein Endliches. Die Willkür ist, statt der Wille in seiner Wahrheit zu sein, vielmehr der Wille als der Widerspruch. – In dem zur Zeit der Wolffischen Metaphysik vornehmlich geführten Streit, ob der Wille wirklich frei oder ob das Wissen von seiner Freiheit nur eine Täuschung sei, war es die Willkür, die man vor Augen gehabt. Der Determinismus hat mit Recht der Gewißheit jener abstrakten Selbstbestimmung den Inhalt entgegengehalten, der als ein vorgefundener nicht in jener Gewißheit enthalten und daher ihr von außen kommt, obgleich dies Außen der Trieb, Vorstellung, überhaupt das, auf welche Weise es sei, so erfüllte Bewußtsein ist, daß der Inhalt nicht das Eigene der selbst bestimmenden Tätigkeit als solcher ist. Indem hiermit nur das formelle Element der freien Selbstbestimmung in der Willkür immanent, das andere Element aber ein ihr gegebenes ist, so kann die Willkür allerdings, wenn sie die Freiheit sein soll, eine Täuschung genannt werden. Die Freiheit in aller Reflexionsphilosophie, wie in der Kantischen und dann [in] der Friesischen vollendeten Verseichtigung der Kantischen, ist nichts anderes als jene formale Selbsttätigkeit.

Freedom of the will is, in this view of it, caprice, in which are
contained both a reflection, which is free and abstracted from
everything and a dependence upon a content or matter either
internally or externally provided. Since the content is in itself or
implicitly necessary as an end, and in opposition to this reflection is a
definite possibility, caprice, when it is will, is in its nature contingent.


Kommentare

2 Antworten zu „15“

  1. Avatar von G.W.F. Hegel

    [zu § 15]
    Faselei der Willkür, – sich in allen Einfällen herumwerfen –
    Ein Seiendes, als nur Mögliches bestimmt, ist Zufälliges – kann sein, auch nicht sein –
    Determinismus
    Ein Teil hält fest die formelle Reflexion des Willens.

  2. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Da ich die Möglichkeit habe, mich hier oder dort zu bestimmen, das heißt, da ich wählen kann, so besitze ich Willkür, was man gewöhnlich Freiheit nennt. Die Wahl, die ich habe, liegt in der Allgemeinheit des Willens, daß ich dieses oder jenes zu dem Meinigen machen kann. Dies Meinige ist als besonderer Inhalt mir nicht angemessen, ist also getrennt von mir und nur in der Möglichkeit, das Meinige zu sein, so wie ich die Möglichkeit bin, mich mit ihm zusammenzuschließen. Die Wahl liegt daher in der Unbestimmtheit des Ich und in der Bestimmtheit eines Inhalts. Der Wille ist also um dieses Inhalts willen nicht frei, obgleich er die Seite der Unendlichkeit formell an sich hat, ihm entspricht keiner dieser Inhalte: in keinem hat er wahrhaft sich selbst. In der Willkür ist das enthalten, daß der Inhalt nicht durch die Natur meines Willens bestimmt ist, der meinige zu sein, sondern durch Zufälligkeit; ich bin also ebenso abhängig von diesem Inhalt, und dies ist der Widerspruch, der in der Willkür liegt. Der gewöhnliche Mensch glaubt, frei zu sein, wenn ihm willkürlich zu handeln erlaubt ist, aber gerade in der Willkür liegt, daß er nicht frei ist. Wenn ich das Vernünftige will, so handle ich nicht als partikulares Individuum, sondern nach den Begriffen der Sittlichkeit überhaupt: in einer sittlichen Handlung mache ich nicht mich selbst, sondern die Sache geltend. Der Mensch aber, indem er etwas Verkehrtes tut, läßt seine Partikularität am meisten hervortreten. Das Vernünftige ist die Landstraße, wo jeder geht, wo niemand sich auszeichnet. Wenn große Künstler ein Werk vollenden, so kann man sagen: so muß es sein; das heißt, des Künstlers Partikularität ist ganz verschwunden und keine Manier erscheint darin. Phidias hat keine Manier; die Gestalt selbst lebt und tritt hervor. Aber je schlechter der Künstler ist, desto mehr sieht man ihn selbst, seine Partikularität und Willkür. Bleibt man bei der Betrachtung in der Willkür stehen, daß der Mensch dieses oder jenes wollen könne, so ist dies allerdings seine Freiheit, aber hält man die Ansicht fest, daß der Inhalt ein gegebener sei, so wird der Mensch dadurch bestimmt und ist eben nach dieser Seite hin nicht mehr frei.

Schreibe einen Kommentar