Das Prinzip, daß die Glieder der Familie zu selbständigen rechtlichen Personen werden (§ 177), läßt innerhalb des Kreises der Familie etwas von dieser Willkür und Unterscheidung unter den natürlichen Erben eintreten, die aber nur höchst beschränkt stattfinden kann, um das Grundverhältnis nicht zu verletzen.
Die bloße direkte Willkür des Verstorbenen kann nicht zum Prinzip für das Recht, zu testieren, gemacht werden, insbesondere nicht, insofern sie dem substantiellen Rechte der Familie gegenübersteht, deren Liebe, Verehrung gegen ihr ehemaliges Mitglied es doch vornehmlich nur sein könnte, welche dessen Willkür nach seinem Tode beachtete. Eine solche Willkür enthält für sich nichts, das höher als das Familienrecht selbst zu respektieren wäre; im Gegenteil. Das sonstige Gelten einer Letzten-Willens-Disposition läge allein in der willkürlichen Anerkennung der anderen. Ein solches Gelten kann ihr vornehmlich nur eingeräumt werden, insofern das Familienverhältnis, in welchem sie absorbiert ist, entfernter und unwirksamer wird. Unwirksamkeit desselben aber, wo es wirklich vorhanden ist, gehört zum Unsittlichen, und die ausgedehnte Gültigkeit jener Willkür gegen ein solches enthält die Schwächung seiner Sittlichkeit in sich. – Diese Willkür aber innerhalb der Familie zum Hauptprinzip der Erbfolge zu machen, gehörte zu der vorhin bemerkten Härte und Unsittlichkeit der römischen Gesetze, nach denen der Sohn auch vom Vater verkauft werden konnte und, wenn er von anderen freigelassen wurde, in die Gewalt des Vaters zurückkehrte und erst auf die dritte Freilassung aus der Sklaverei wirklich frei wurde, – nach denen der Sohn überhaupt nicht de iure volljährig und eine rechtliche Person wurde und nur den Kriegsraub, peculium castrense, als Eigentum besitzen konnte und, wenn er durch jenen dreimaligen Verkauf und Loslassung aus der väterlichen Gewalt trat, nicht mit denen, die noch in der Familienknechtschaft geblieben waren, ohne Testamentseinsetzung erbte, – ebenso daß die Frau (insofern sie nicht in die Ehe als in ein Sklavenverhältnis, in manum conveniret, in mancipio esset, sondern als Matrone trat) nicht sosehr der Familie, die sie durch die Heirat an ihrem Teile gestiftet und die nunmehr wirklich die ihrige ist, als vielmehr der, aus der sie abstammte, angehörig blieb und daher vom Erben des Vermögens der wirklich Ihrigen ebenso ausgeschlossen, als die Gattin und Mutter von diesen nicht beerbt wurde. – Daß das Unsittliche solcher und anderer Rechte bei weiterhin erwachendem Gefühle der Vernünftigkeit im Wege der Rechtspflege, z. B. mit Beihilfe des Ausdrucks von bonorum possessio (daß hiervon wieder possessio bonorum unterschieden ist, gehört zu solchen Kenntnissen, die den gelehrten Juristen ausmachen) statt hereditas, durch die Fiktion, eine filia in einen filius umzutaufen, eludiert wurde, ist oben schon (§ 3 Anm.) als die traurige Notwendigkeit für den Richter bemerkt worden, das Vernünftige pfiffigerweise gegen schlechte Gesetze, wenigstens in einigen Folgen, einzuschwärzen. Die fürchterliche Instabilität der wichtigsten Institutionen und ein tumultuarisches Gesetzgeben gegen die Ausbrüche der daraus entspringenden Übel hängt damit zusammen. – Welche unsittliche Folgen dies Recht der Willkür im Testamentmachen bei den Römern hatte, ist sattsam aus der Geschichte und Lukians und anderer Schilderungen bekannt. – Es liegt in der Natur der Ehe selbst, als der unmittelbaren Sittlichkeit, die Vermischung von substantiellem Verhältnis, natürlicher Zufälligkeit und innerer Willkür; – wenn nun der Willkür durch das Knechtschaftsverhältnis der Kinder und die anderen bemerkten und sonst damit zusammenhängenden Bestimmungen, vollends auch durch die Leichtigkeit der Ehescheidungen bei den Römern, gegen das Recht des Substantiellen der Vorzug eingeräumt wird, so daß selbst Cicero – und wie viel Schönes hat er nicht über das Honestum und Decorum in seinen Officiis und allenthalben anderwärts geschrieben! – die Spekulation machte, seine Gattin fortzuschicken, um durch das Heiratsgut einer neuen seine Schulden zu bezahlen, – so ist dem Verderben der Sitten ein gesetzlicher Weg gebahnt oder vielmehr die Gesetze sind die Notwendigkeit desselben.
Die Institution des Erbrechts, zur Erhaltung und zum Glanz der Familie durch Substitutionen und Familienfideikommisse entweder die Töchter zugunsten der Söhne oder zugunsten des ältesten Sohnes die übrigen Kinder von der Erbschaft auszuschließen oder überhaupt eine Ungleichheit eintreten zu lassen, verletzt teils das Prinzip der Freiheit des Eigentums (§ 62), teils beruht sie auf einer Willkür, die an und für sich kein Recht hat, anerkannt zu werden, – näher auf dem Gedanken, diesen Stamm oder Haus, nicht sowohl diese Familie aufrechterhalten zu wollen. Aber nicht dieses Haus oder Stamm, sondern die Familie als solche ist die Idee, die solches Recht hat, und durch die Freiheit des Vermögens und die Gleichheit des Erbrechts wird ebensowohl die sittliche Gestaltung erhalten, als die Familien [dadurch] viel mehr als durch das Gegenteil erhalten werden. – In solchen Institutionen ist, wie in den römischen, das Recht der Ehe (§ 172) überhaupt verkannt, daß sie die vollständige Stiftung einer eigentümlichen wirklichen Familie ist und gegen sie das, was Familie überhaupt heißt, stirps, gens, nur ein sich mit den Generationen immer weiter entfernendes und sich verunwirklichendes Abstraktum wird (§ 177). Die Liebe, das sittliche Moment der Ehe, ist als Liebe Empfindung für wirkliche, gegenwärtige Individuen, nicht für ein Abstraktum. – Daß sich die Verstandesabstraktion als das weltgeschichtliche Prinzip des Römerreichs zeigt, s. unten § 356. – Daß aber die höhere politische Sphäre ein Recht der Erstgeburt und ein eisernes Stammvermögen, doch nicht als eine Willkür, sondern als aus der Idee des Staates notwendig herbeiführt, davon unten § 306.
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