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Der Wille enthält α) das Element der reinen Unbestimmtheit oder der reinen Reflexion des Ich in sich, in welcher jede Beschränkung, jeder durch die Natur, die Bedürfnisse, Begierden und Triebe unmittelbar vorhandene oder, wodurch es sei, gegebene und bestimmte Inhalt aufgelöst ist; die schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion oder Allgemeinheit, das reine Denken seiner selbst.

Diejenigen, welche das Denken als ein besonderes, eigentümliches Vermögen, getrennt vom Willen, als einem gleichfalls eigentümlichen Vermögen, betrachten und weiter gar das Denken als dem Willen, besonders dem guten 7/49 Willen, für nachteilig halten, zeigen sogleich von vornherein, daß sie gar nichts von der Natur des Willens wissen; eine Bemerkung, die über denselben Gegenstand noch öfters zu machen sein wird. – Wenn die eine hier bestimmte Seite des Willens – diese absolute Möglichkeit, von jeder Bestimmung, in der Ich mich finde oder die Ich in mich gesetzt habe, abstrahieren zu können, die Flucht aus allem Inhalte als einer Schranke – es ist, wozu der Wille sich bestimmt oder die für sich von der Vorstellung als die Freiheit festgehalten wird, so ist dies die negative oder die Freiheit des Verstandes. – Es ist die Freiheit der Leere, welche zur wirklichen Gestalt und zur Leidenschaft erhoben [wird] und zwar, bloß theoretisch bleibend, im Religiösen der Fanatismus der indischen reinen Beschauung, aber, zur Wirklichkeit sich wendend, im Politischen wie im Religiösen der Fanatismus der Zertrümmerung aller bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und die Hinwegräumung der einer Ordnung verdächtigen Individuen wie die Vernichtung jeder sich wieder hervortun wollenden Organisation wird. Nur indem er etwas zerstört, hat dieser negative Wille das Gefühl seines Daseins; er meint wohl etwa irgendeinen positiven Zustand zu wollen, z. B. den Zustand allgemeiner Gleichheit oder allgemeinen religiösen Lebens, aber er will in der Tat nicht die positive Wirklichkeit desselben, denn diese führt sogleich irgendeine Ordnung, eine Besonderung sowohl von Einrichtungen als von Individuen herbei; die Besonderung und objektive Bestimmung ist es aber, aus deren Vernichtung dieser negativen Freiheit ihr Selbstbewußtsein hervorgeht. So kann das, was sie zu wollen meint, für sich schon nur eine abstrakte Vorstellung und die Verwirklichung derselben nur die Furie des Zerstörens sein.

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Kommentare

2 Antworten zu „5“

  1. Avatar von Georg Wilhelm Friedrich Hegel
    Georg Wilhelm Friedrich Hegel

    [zu § 5]
    1. Wille überhaupt.
    sich setzen als Allgemeines – Denken Setzen des Allgemeinen überhaupt, Wollen mich als Allgemeines – Ich Gegenstand 7/50 des Denkens – Ich als Seiendes – Wer sich nicht gedacht hat, ist nicht frei – Wer nicht frei ist, hat sich nicht gedacht, d. i. nicht so, daß dies sich Denken, dies Allgemeine zu sein – eben sein Sein sei –

    [zu § 5 Anm.]
    α) Tier unterläßt dies, jenes aus Furcht, läßt ein anderes in ihm walten – Mensch durch Bestimmung aus sich selbst um eines Zwecks, der der seinige ist – um eines Positiven willen, das er will – Mensch kann sich umbringen –
    Tier [hat] negativen Inhalt, – bleibt negativ – eine ihm fremde Bestimmung, an die es sich nur gewöhnt – niedergedrückt ist, untreu seiner Natur –
    Mensch, indem er entsagt – um eines Zwecks [willen] – gibt dies auf, das er haben möchte – aber er bleibt er selbst, ungebeugt –
    Kann auch willenlos sein, sich zwingen lassen, davon später, inwiefern Zwang –
    β) formelle Betrachtung – nicht um eines Zwecks willen und Inhalts willen – vom Inhalt erst später
    γ) Freiheit der Leere, die sich fixiert, in diese Abstraktion allein ihr Sein setzt – Verstandesfreiheit – ist alles Bestimmte – eine Schranke, Beschränkung.
    Formal. Schwärmen für eine [?] Bestimmtheit. And. Erscheinung – für sich isoliert – in Anm. erinnert – Bestimmtheit, Erscheinung, Pein [?] zu bestimmen.

  2. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    In diesem Elemente des Willens liegt, daß ich mich von allem losmachen, alle Zwecke aufgeben, von allem abstrahieren kann. Der Mensch allein kann alles fallen lassen, auch sein Leben: er kann einen Selbstmord begehen; das Tier kann dieses nicht; es bleibt immer nur negativ; in einer ihm fremden Bestimmung, an die es sich nur gewöhnt. Der Mensch ist das reine Denken seiner selbst, und nur denkend ist der Mensch diese Kraft, sich Allgemeinheit zu geben, das heißt alle Besonderheit, alle Bestimmtheit zu verlöschen. Diese negative Freiheit oder diese Freiheit des Verstandes ist einseitig, aber dies Einseitige enthält immer eine wesentliche Bestimmung in sich: es ist daher nicht wegzuwerfen, aber der Mangel des Verstandes ist, daß er eine einseitige Bestimmung zur einzigen und höchsten erhebt. Geschichtlich kommt diese Form der Freiheit häufig vor. Bei den Indern z. B. wird es für das Höchste gehalten, bloß in dem Wissen seiner einfachen Identität mit sich zu verharren, in diesem leeren Raum seiner Innerlichkeit zu verbleiben, wie das farblose Licht in der reinen Anschauung, und jeder Tätigkeit des Lebens, jedem Zweck, jeder 7/51 Vorstellung zu entsagen. Auf diese Weise wird der Mensch zu Brahman: es ist kein Unterschied des endlichen Menschen und des Brahman mehr; jede Differenz ist vielmehr in dieser Allgemeinheit verschwunden. Konkreter erscheint diese Form im tätigen Fanatismus des politischen wie des religiösen Lebens. Dahin gehört z. B. die Schreckenszeit der Französischen Revolution, in welcher aller Unterschied der Talente, der Autorität aufgehoben werden sollte. Diese Zeit war eine Erzitterung, ein Erbeben, eine Unverträglichkeit gegen jedes Besondere; denn der Fanatismus will ein Abstraktes, keine Gliederung: wo sich Unterschiede hervortun, findet er dieses seiner Unbestimmtheit zuwider und hebt sie auf. Deswegen hat auch das Volk in der Revolution die Institutionen, die es selbst gemacht hatte, wieder zerstört, weil jede Institution dem abstrakten Selbstbewußtsein der Gleichheit zuwider ist.

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