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Unveräußerlich sind daher diejenigen Güter oder vielmehr substantiellen Bestimmungen, sowie das Recht an sie unverjährbar, welche meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewußtseins ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion.

Daß das, was der Geist seinem Begriffe nach oder an sich ist, auch im Dasein und für sich sei (somit Person, des Eigentums fähig sei, Sittlichkeit, Religion habe) – diese Idee ist selbst sein Begriff (als causa sui, d. i. als freie Ursache, ist er solches, cuius natura non potest concipi nisi existens1; Spinoza, Ethik I, Def. 1.). In eben diesem Begriffe, nur durch sich selbst und als unendliche Rückkehr in sich aus der natürlichen Unmittelbarkeit seines Daseins das zu sein, was er ist, liegt die Möglichkeit des Gegensatzes zwischen dem, was er nur an sich und nicht auch für sich ist (§ 57), sowie umgekehrt zwischen dem, was er nur für sich, nicht an sich ist (im Willen das Böse), – und hierin die Möglichkeit der Entäußerung der Persönlichkeit und seines substantiellen Seins, diese Entäußerung geschehe auf eine bewußtlose oder ausdrückliche Weise. – Beispiele von Entäußerung der Persönlichkeit sind die Sklaverei, Leibeigenschaft, Unfähigkeit Eigentum zu besitzen, die Unfreiheit desselben usf.; Entäußerung der intelligenten Vernünftigkeit, Moralität, Sittlichkeit, Religion kommt vor im Aberglauben, in der anderen eingeräumten Autorität und Vollmacht, mir, was ich für Handlungen begehen solle (wenn einer sich ausdrücklich zum Raube, Morde usf. oder zur Möglichkeit von Verbrechen verdingt), mir, was Gewissenspflicht, religiöse Wahrheit sei usf., zu bestimmen und vorzuschreiben. – Das Recht an solches Unveräußerliche ist unverjährbar, denn der Akt, wodurch ich von meiner Persönlichkeit und substantiellem Wesen Besitz nehme, mich zu einem Rechts- und Zurechnungsfähigen, Moralischen, Religiösen mache, entnimmt diese Bestimmungen eben der Äußerlichkeit, die allein ihnen die Fähigkeit gab, im Besitz eines anderen zu sein. Mit diesem Aufheben der Äußerlichkeit fällt die Zeitbestimmung und alle Gründe weg, die aus meinem früheren Konsens oder Gefallenlassen genommen werden können. Diese Rückkehr meiner in mich selbst, wodurch Ich mich als Idee, als rechtliche und moralische Person existierend mache, hebt das bisherige Verhältnis und das Unrecht auf, das Ich und der andere meinem Begriff und Vernunft angetan hat, die unendliche Existenz des Selbstbewußtseins als ein Äußerliches behandeln [zu] lassen und behandelt zu haben. – Diese Rückkehr in mich deckt den Widerspruch auf, anderen meine Rechtsfähigkeit, Sittlichkeit, Religiosität in Besitz gegeben zu haben, was ich selbst nicht besaß und was, sobald ich es besitze, eben wesentlich nur als das Meinige und nicht als ein Äußerliches existiert.

Therefore those goods, or rather substantive characteristics, which
constitute my own private personality and the universal essence of
my self-consciousness are inalienable and my right to them is
imprescriptible. Such characteristics are my personality as such, my
universal freedom of will, my ethical life, my religion.

  1. „dessen Natur nur als existierend begriffen werden kann“ ↩︎

Kommentare

2 Antworten zu „66“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Es liegt in der Natur der Sache, daß der Sklave ein absolutes Recht hat, sich frei zu machen, daß, wenn jemand seine Sittlichkeit zu Raub und Mord verdungen hat, dieses an und für sich nichtig ist und jeder die Befugnis besitzt, diesen Vertrag zurückzunehmen. Ebenso verhält es sich mit der Verdingung der Religiosität an einen Priester, der mein Beichtvater ist, denn solche Innerlichkeit hat der Mensch mit sich allein abzumachen. Eine Religiosität, bei welcher der eine Teil in die Hand eines anderen gelegt wird, ist keine Religiosität, denn der Geist ist nur Einer, und er soll in mir wohnen; mir soll die Vereinigung des Anundfürsichseins angehören.

  2. Avatar von Hegel
    Hegel

    [zu § 66]
    Unmündiger hat kein Recht – Mündigkeit ist erste Bedingung aller Rechtsfähigkeit. Alle Rechte [können] ihrer Natur nach nicht eines Andern sein.
    Ich bin Eigentümer von Tieren, Pflanzen – und andern Dingen, – Voraussetzung, daß sie zeitlich, vergänglich, sterblich sind – der Natur unterworfen – dies ihre Bestimmung; – Ich selbst Sache – Bestimmung, daß Ich als Sache, Natur, untergehe, und frei werde, – auferstehe – dies meine Bestimmung
    – Die Natur verletzt dort auch das Eigentum – Hier erscheint es α) als einseitiger Wille bei dem Menschen, der sich frei macht, Gewalt – β) gegen seinen früheren Willen; – ebenso bei Natur α) einseitiges Tun der Natur, β) gegen ihr früheres Bestehenlassen der Sache –
    Arten, Eigentum zu erwerben – Arten, Gang von Äußerem zu Innerem.
    A. Besitzergreifung als unmittelbar. Geht hervor Unterscheidung der besessenen Einzelheit und der Substanz. Allgemeine Sache, Zeichen, vorgestellte Besitzergreifung.
    B. gleichfalls vorgestellte Besitzergreifung – Negation der Unmittelbarkeit, aber vermittelt durch Gebrauch, d. i. Aufhebung der unmittelbaren Einzelheit, an der ich die Sache habe – Gebrauch bringt hervor, bezeichnet Eigentümer – nehme noch ein Äußeres in Besitz, aber nicht das Unmittelbare.
    C. gleichfalls Besitzergreifung – (Gebrauch, der nicht nur Besitzergreifung, sondern auch) Hervorbringung der Sache ist; (- Erwerbung von Eigentum α) abstrakt: Entäußerung, β) Äußerung als Produktion) – Negation, die in sich positiv ist. Das innerlich Meine – Reflexion in mich. Gebrauch und unmittelbare Besitzergreifung in einem. –
    Gang A. Negation der Unmittelbarkeit. B. Gebrauch, Negation der Unmittelbarkeit und noch Besitz, Eigentum eines Unmittelbaren. C. Hervorbringung aus mir.

    [zu § 66 Anm.]
    Auch das Recht zu leben ist unveräußerlich, d. i. für die Willkür. Es verkauft sich einer, zum Tode; – Geld für seine Familie oder sonstige Verwendung. – Der ihn kauft und tötet, verstümmelt, [ist] Mörder. (Kastration – Lernen von chirurgischen Operationen, – Zahnausreißen).

    [zu „Diese Rückkehr meiner in mich selbst … „]
    a) Was ich nur an sich bin, bin ich äußerlich; – frei, religiös, sittlich etc. nur an sich: also unfrei, nicht religiös etc.
    b) für mich, so bin ich erst wahrhaft – Aber dies Fürsichwerden tut dem Eigentum, Besitz des Andern Eintrag – (Entschädigung – billig in gutem Glauben – Meßpriester, der von Messelesen lebt, darauf angenommen, von den anderen oder im Namen der anderen angestellt.)
    Er hat es mit jemand anderem zu tun.

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