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Das Recht ist positiv überhaupt a) durch die Form, in einem Staate Gültigkeit zu haben, und diese gesetzliche Autorität ist das Prinzip für die Kenntnis desselben, die positive Rechtswissenschaft. b) Dem Inhalte nach erhält dies Recht ein positives Element α) durch den besonderen Nationalcharakter eines Volkes, die Stufe seiner geschichtlichen Entwicklung und den Zusammenhang aller der Verhältnisse, die der Naturnotwendigkeit angehören; β) durch die Notwendigkeit, daß ein System eines gesetzlichen Rechts die Anwendung des allgemeinen Begriffes auf die besondere von außen sich gebende Beschaffenheit der Gegenstände und Fälle enthalten muß – eine Anwendung, die nicht mehr spekulatives Denken und Entwicklung des Begriffes, sondern Subsumtion des Verstandes ist; γ) durch die für die Entscheidung in der Wirklichkeit erforderlichen letzten Bestimmungen.

Wenn dem positiven Rechte und den Gesetzen das Gefühl des Herzens, Neigung und Willkür entgegengesetzt wird, so kann es wenigstens nicht die Philosophie sein, welche solche Autoritäten anerkennt. – Daß Gewalt und Tyrannei ein Element des positiven Rechts sein kann, ist demselben zufällig und geht seine Natur nicht an. Es wird späterhin, § 211214, die Stelle aufgezeigt werden, wo das Recht positiv werden muß. Hier sind die daselbst sich ergeben werdenden Bestimmungen nur angeführt worden, um die Grenze des philosophischen Rechts zu bezeichnen und um sogleich die etwaige Vorstellung oder gar Forderung zu beseitigen, als ob durch dessen systematische Entwicklung ein positives Gesetzbuch, d. i. ein solches, wie der wirkliche Staat eines bedarf, herauskommen solle. – Daß das Naturrecht oder das philosophische Recht vom positiven verschieden ist, dies darein zu verkehren, daß sie einander entgegengesetzt und widerstreitend sind, wäre ein großes Mißverständnis; jenes ist zu diesem vielmehr im Verhältnis von Institutionen zu Pandekten. – In Ansehung des im Paragraphen zuerst genannten geschichtlichen Elements im positiven Rechte hat Montesquieu die wahrhafte historische Ansicht, den echt philosophischen Standpunkt angegeben, die Gesetzgebung überhaupt und ihre besonderen Bestimmungen nicht isoliert und abstrakt zu betrachten, sondern vielmehr als abhängiges Moment einer Totalität, im Zusammenhange mit allen übrigen Bestimmungen, welche den Charakter einer Nation und einer Zeit ausmachen; in diesem Zusammenhange erhalten sie ihre wahrhafte Bedeutung sowie damit ihre Rechtfertigung. – Das in der Zeit erscheinende Hervortreten und Entwickeln von Rechtsbestimmungen zu betrachten, diese rein geschichtliche Bemühung, sowie die Erkenntnis ihrer verständigen Konsequenz, die aus der Vergleichung derselben mit bereits vorhandenen Rechtsverhältnissen hervorgeht, hat in ihrer eigenen Sphäre ihr Verdienst und ihre Würdigung und steht außer dem Verhältnis mit der philosophischen Betrachtung, insofern nämlich die Entwicklung aus historischen Gründen sich nicht selbst verwechselt mit der Entwicklung aus dem Begriffe und die geschichtliche Erklärung und Rechtfertigung nicht zur Bedeutung einer an und für sich gültigen Rechtfertigung ausgedehnt wird. Dieser Unterschied, der sehr wichtig und wohl festzuhalten ist, ist zugleich sehr einleuchtend; eine Rechtsbestimmung kann sich aus den Umständen und vorhandenen Rechtsinstitutionen als vollkommen gegründet und konsequent zeigen lassen und doch an und für sich unrechtlich und unvernünftig sein, wie eine Menge der Bestimmungen des römischen Privatrechts, die aus solchen Institutionen als die römische väterliche Gewalt, der römische Ehestand ganz konsequent flossen. Es seien aber auch die Rechtsbestimmungen rechtlich und vernünftig, so ist es etwas ganz anderes, dies von ihnen aufzuzeigen, was allein durch den Begriff wahrhaftig geschehen kann, und ein anderes, das Geschichtliche ihres Hervortretens darzustellen, die Umstände, Fälle, Bedürfnisse und Begebenheiten, welche ihre Feststellung herbeigeführt haben. Ein solches Aufzeigen und (pragmatisches) Erkennen aus den näheren oder entfernteren geschichtlichen Ursachen heißt man häufig: Erklären oder noch lieber Begreifen, in der Meinung, als ob durch dieses Aufzeigen des Geschichtlichen alles oder vielmehr das Wesentliche, worauf es allein ankomme, geschehe, um das Gesetz oder Rechtsinstitution zu begreifen, während vielmehr das wahrhaft Wesentliche, der Begriff der Sache, dabei gar nicht zur Sprache gekommen ist. – Man pflegt so auch von den römischen, germanischen Rechtsbegriffen, von Rechtsbegriffen, wie sie in diesem oder jenem Gesetzbuche bestimmt seien, zu sprechen, während dabei nichts von Begriffen, sondern allein allgemeine Rechtsbestimmungen, Verstandessätze, Grundsätze, Gesetze u. dgl. vorkommen. – Durch Hintansetzung jenes Unterschiedes gelingt es, den Standpunkt zu verrücken und die Frage nach der wahrhaften Rechtfertigung in eine Rechtfertigung aus Umständen, Konsequenz aus Voraussetzungen, die für sich etwa ebensowenig taugen usf., hinüberzuspielen und überhaupt das Relative an die Stelle des Absoluten, die äußerliche Erscheinung an die Stelle der Natur der Sache zu setzen. Es geschieht der geschichtlichen Rechtfertigung, wenn sie das äußerliche Entstehen mit dem Entstehen aus dem Begriffe verwechselt, daß sie dann bewußtlos das Gegenteil dessen tut, was sie beabsichtigt. Wenn das Entstehen einer Institution unter ihren bestimmten Umständen sich vollkommen zweckmäßig und notwendig erweist und hiermit das geleistet ist, was der historische Standpunkt erfordert, so folgt, wenn dies für eine allgemeine Rechtfertigung der Sache selbst gelten soll, vielmehr das Gegenteil, daß nämlich, weil solche Umstände nicht mehr vorhanden sind, die Institution hiermit vielmehr ihren Sinn und ihr Recht verloren hat. 12)  So, wenn z. B. für Aufrechthaltung der Klöster ihr Verdienst um Urbarmachung und Bevölkerung von Wüsteneien, um Erhaltung der Gelehrsamkeit durch Unterricht und Abschreiben usf. geltend gemacht und dies Verdienst als Grund und Bestimmung für ihr Fortbestehen angesehen worden ist, so folgt aus demselben vielmehr, daß sie unter den ganz veränderten Umständen, insoweit wenigstens, überflüssig und unzweckmäßig geworden sind. – Indem nun die geschichtliche Bedeutung, das geschichtliche Aufzeigen und Begreiflichmachen des Entstehens und die philosophische Ansicht gleichfalls des Entstehens und Begriffes der Sache in verschiedenen Sphären zu Hause sind, so können sie insofern eine gleichgültige Stellung gegeneinander behalten. Indem sie aber, auch im Wissenschaftlichen, diese ruhige Stellung nicht immer behalten, so führe ich noch etwas diese Berührung Betreffendes an, wie es in Herrn [Gustav] Hugos Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechts [1799] erscheint, woraus zugleich eine weitere Erläuterung jener Manier des Gegensatzes hervorgehen kann. Herr Hugo führt daselbst (5. Auflage [1818], § 53) an, ‘daß Cicero die zwölf Tafeln, mit einem Seitenblicke auf die Philosophen, [handschriftliche Notiz § 3 (a)] lobe’, ‘der Philosoph Favorinus aber sie ganz ebenso behandle, wie seitdem schon mancher große Philosoph das positive Recht behandelt habe’. Herr Hugo spricht ebendaselbst die ein für allemal fertige Erwiderung auf solche Behandlung in dem Grunde aus, ‘weil Favorinus die zwölf Tafeln ebensowenig als die Philosophen das positive Recht verstanden‘. – Was die Zurechtweisung des Philosophen Favorinus durch den Rechtsgelehrten Sextus Caecilius bei Gellius, Noctes Atticae, XX, 1 [22 f.], betrifft, so spricht sie zunächst das bleibende und wahrhafte Prinzip der Rechtfertigung des seinem Gehalte nach bloß Positiven aus. “Non ignoras”, sagt Caecilius sehr gut zu Favorinus, “legum opportunitates et medelas pro temporum moribus et pro rerum publicarum generibus, ac pro utilitatum praesentium rationibus, proque vitiorum, quibus medendum est, fervoribus, mutari ac flecti, neque uno statu consistere, quin, ut facies coeli et maris, ita rerum atque fortunae tempestatibus varientur. Quid salubrius visum est rogatione illa Stolonis … , quid utilius plebiscito Voconio … , quid tam necessarium existimatum est … , quam lex Licinia … ? Omnia tamen haec obliterata et operta sunt civitatis opulentia … “13)  Diese Gesetze sind insofern positiv, als sie ihre Bedeutung und Zweckmäßigkeit in den Umständen, somit nur einen historischen Wert überhaupt haben; deswegen sind sie auch vergänglicher Natur. Die Weisheit der Gesetzgeber und Regierungen in dem, was sie für vorhandene Umstände getan und für Zeitverhältnisse festgesetzt haben, ist eine Sache für sich und gehört der Würdigung der Geschichte an, von der sie um so tiefer anerkannt werden wird, je mehr eine solche Würdigung von philosophischen [handschriftliche Notiz § 3 (b)] Gesichtspunkten unterstützt ist. – Von den ferneren Rechtfertigungen der zwölf Tafeln gegen den Favorinus aber will ich ein Beispiel anführen, weil Caecilius dabei den unsterblichen Betrug der Methode des Verstandes und seines Räsonierens anbringt, nämlich für eine schlechte Sache einen guten Grund anzugeben und zu meinen, sie damit gerechtfertigt zu haben. Für das abscheuliche Gesetz, welches dem Gläubiger nach den verlaufenen Fristen das Recht gab, den Schuldner zu töten oder ihn als Sklaven zu verkaufen, ja, wenn der Gläubiger mehrere waren, von ihm sich Stücke abzuschneiden und ihn so unter sich zu teilen, und zwar so, daß, wenn einer zu viel oder zu wenig abgeschnitten hätte, ihm kein Rechtsanteil daraus entstehen sollte (eine Klausel, welche Shakespeares Shylock, im Kaufmann von Venedig, zugute gekommen und von ihm dankbarst akzeptiert worden wäre), – führt Caecilius den guten Grund an, daß Treu und Glauben dadurch um so mehr gesichert [seien] und es eben, um der Abscheulichkeit des Gesetzes willen, nie zur Anwendung desselben habe kommen sollen. Seiner Gedankenlosigkeit entgeht dabei nicht bloß die Reflexion, daß eben durch diese Bestimmung jene Absicht, die Sicherung der Treu und des Glaubens, vernichtet wird, sondern daß er selbst unmittelbar darauf ein Beispiel von der durch seine unmäßige Strafe verfehlten Wirkung des Gesetzes über die falschen Zeugnisse anführt. – Was aber Herr [handschriftliche Notiz § 3 (c)] Hugo damit will, daß Favorinus das Gesetz nicht verstanden habe, ist nicht abzusehen; jeder Schulknabe ist wohl fähig, es zu verstehen, und am besten würde der genannte Shylock auch noch die angeführte, für ihn so vorteilhafte Klausel verstanden haben; – unter Verstehen müßte Herr Hugo nur diejenige Bildung des Verstandes meinen, welche sich bei einem solchen Gesetze durch einen guten Grund beruhigt. – Ein anderes ebendaselbst dem Favorinus vom Caecilius nachgewiesenes Nichtverstehen kann übrigens ein Philosoph schon, ohne eben schamrot zu werden, eingestehen, – daß nämlich iumentum, welches nur, ‘und nicht eine arcera‘, nach dem Gesetze einem Kranken, um ihn als Zeugen vor Gericht zu bringen, zu leisten sei, nicht nur ein Pferd, sondern auch eine Kutsche oder Wagen bedeutet haben soll. Caecilius konnte aus dieser gesetzlichen Bestimmung einen weiteren Beweis von der Vortrefflichkeit und Genauigkeit der alten Gesetze ziehen, daß sie sich nämlich sogar darauf einließen, für die Sistierung eines kranken Zeugen vor Gericht die Bestimmung nicht bloß bis zum Unterschiede von einem Pferde und einem Wagen, sondern von Wagen und Wagen, einem bedeckten und ausgefütterten, wie Caecilius erläutert, und einem, der nicht so bequem ist, zu treiben. Man hätte hiermit die Wahl zwischen der Härte jenes Gesetzes oder der Unbedeutendheit solcher Bestimmungen, – aber die Unbedeutendheit von solchen Sachen und vollends von den gelehrten Erläuterungen derselben auszusagen, würde einer der größten Verstöße gegen diese und andere Gelehrsamkeit sein.
Herr Hugo kommt aber auch im angeführten Lehrbuche auf die Vernünftigkeit in Ansehung des römischen Rechts zu sprechen; was mir davon aufgestoßen ist, ist folgendes. Nachdem derselbe in der Abhandlung des Zeitraums von Entstehung des Staats bis auf die zwölf Tafeln § 38 und 39 gesagt, ‘daß man (in Rom) viele Bedürfnisse gehabt und genötigt war, zu arbeiten, wobei man als Gehilfen Zug- und Lasttiere brauchte, wie sie bei uns vorkommen, daß der Boden eine Abwechslung von Hügeln und Tälern war und die Stadt auf einem Hügel lag usw.’ – Anführungen, durch welche vielleicht der Sinn Montesquieus hat erfüllt sein sollen, wodurch man aber schwerlich seinen Geist getroffen finden wird -, so führt er nun § 40 zwar an, ‘daß der rechtliche Zustand noch sehr weit davon entfernt war, den höchsten Forderungen der Vernunft ein Genüge zu tun’ (ganz richtig; das römische Familienrecht, die Sklaverei usf. tut auch sehr geringen Forderungen der Vernunft kein Genüge), aber bei den folgenden Zeiträumen vergißt Herr Hugo anzugeben, in welchem und ob in irgendeinem derselben das römische Recht den höchsten Forderungen der Vernunft Genüge geleistet habe. Jedoch von den juristischen Klassikern, in dem Zeitraume der höchsten Ausbildung des römischen Rechts als Wissenschaft, wird § 289 gesagt, ‘daß man schon lange bemerkt, daß die juristischen Klassiker durch Philosophie gebildet waren’; aber ‘wenige wissen (durch die vielen Auflagen des Lehrbuchs des Herrn Hugo wissen es nun doch mehrere), daß es keine Art von Schriftstellern gibt, die im konsequenten Schließen aus Grundsätzen so sehr verdienten, den Mathematikern und, in einer ganz auffallenden Eigenheit der Entwicklung der Begriffe, dem neueren Schöpfer der Metaphysik an die Seite gesetzt zu werden, als gerade die römischen Rechtsgelehrten: letzteres belege der merkwürdige Umstand, daß nirgend so viele Trichotomien vorkommen als bei den juristischen Klassikern und bei Kant‘. – Jene von Leibniz gerühmte Konsequenz ist gewiß eine wesentliche Eigenschaft der Rechtswissenschaft, wie der Mathematik und jeder anderen verständigen Wissenschaft; aber mit der Befriedigung der Forderungen der Vernunft und mit der philosophischen Wissenschaft hat diese Verstandeskonsequenz noch nichts zu tun. Außerdem ist aber wohl die Inkonsequenz der römischen Rechtsgelehrten und der Prätoren als eine ihrer größten Tugenden zu achten, als durch welche sie von ungerechten und abscheulichen Institutionen abwichen, aber sich genötigt sahen, callide leere Wortunterschiede (wie das, was doch auch Erbschaft war, eine Bonorum possessio zu nennen) und eine selbst alberne Ausflucht (und Albernheit ist gleichfalls eine Inkonsequenz) zu ersinnen, um den Buchstaben der Tafeln zu retten, wie durch die fictio, ὑπόϰϱισις, eine filia sei ein filius (Heineccius, Antiquitatum Romanarum liber I [Frankfurt 1771], tit. II, § 24). – Possierlich aber ist es, die juristischen Klassiker wegen einiger trichotomischer Einteilungen – vollends nach den daselbst Anm. 5 angeführten Beispielen – mit Kant zusammengestellt und so etwas Entwicklung der Begriffe geheißen zu sehen.

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Kommentare

Eine Antwort zu „3“

  1. Avatar von Georg Wilhelm Friedrich Hegel
    Georg Wilhelm Friedrich Hegel

    [zu § 3]
    Anwendung des Allgemeinen auf die besondere Natur des Gegenstandes –
    β) Diebstahl; Büchernachdruck, Sammlungen, Plagiat einverleibt dem Werke [?], Musikalien-Sammlungen – Kunstwerke, Kupferstich, dieser lithographiert – Theaterstücke – Abschriften oder Nachschreiben – wenn schon gedruckt, Eigentum des Aufführers
    γ) letzte Bestimmung – geht fort zur Äußerlichkeit – d. h. Bestimmungen der Quantität – auch Qualität, ob Prügel oder Gefängnis, oder Geldstrafe. Frist von sechs Wochen; Vorladung, in 1 Jahr und 1 Tag zu erscheinen.
    α) Gesetzt – α) Wissen – Recht des Staates zu strafen
    β) bestimmt – Mensch Bewußtsein – gegen Gefühl (- rührend – unter alten Eichen – Väterweise, billige Männer aus ihrem Sinn, Tradition – dem Begriff Idealismus entgegengesetzt), Zufälligkeit der Meinung, auch Willkür, augenblickliche Empfindung.
    Positiv hier nicht dem Negativen entgegengesetzt, sondern positiv: es ist gesetzt, gilt.
    Später, zu seiner Zeit – an den verschiedenen Punkten, wo das Recht ins Positive heraustritt, α) muß positiv sein.
    Man kann etwa meinen, es könne ein Rechtssystem und einen Rechtszustand geben, der rein vernünftig – nur vernünftig sei, – Ideal, – man fordert, daß es so sein soll – höchste Forderung. Sie hat Richtiges in sich, aber auch Unrichtiges – Richtiges: die Vernunft soll das Herrschende sein, und ist es in einem gebildeten Staate – im Ganzen auch – mehr Vernunft darin, als man meint, davon ist schon gesprochen; Gegenwart erscheint der Reflexion, besonders dem Eigendünkel als ein Kreuz, allerdings mit Notwendigkeit – die 7/42 Rose, d. i. die Vernunft in diesem Kreuz lehrt die Philosophie erkennen. Aber Unrichtiges aus dem auch schon Angegebenen. Vernunft in Wirklichkeit tritt in Äußerlichkeit des Daseins – Anwendung, Form des Positiven – weite Sphäre, wo nur der Verstand seine Herrschaft hat, die von der Vernunft frei gelassen ist, gleichgültig so oder so – Naturumstände usf. walten – Hierunter auch die eigene Beschaffenheit des Geistes – nämlich durch Freiheit bestimmt zu sein – aber als unmittelbares Bewußtsein des Äußeren, und auch des Inneren, des Rechts der Pflichten, – daß er etwas in ihm selbst gelten läßt, weil es gilt – der Staat, die Gesetze haben selbst diese gedoppelte Seite, – in sich vernünftig oder verständig zu sein und der so eignen Einsicht des Begriffs zu entsprechen, so daß das Individuum ihnen gehorchen kann, weil es selbst sie für gut erkennt, – aber auch die Seite, daß sie gelten, s. a). Gelten müssen sie; die subjektive Einsicht ist zugleich etwas Zufälliges, und das Gelten des Rechts kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der eine so meinte und möchte, – oder so. Denn eben sie [sind] das Nichtzufällige, das, worin vielmehr die Zufälligkeit aufgehoben ist. – Die Menschen verhalten sich so zu den Gesetzen, aus Furcht – und bewußte Furcht ist Klugheit mit widerstreitender innerlicher Überzeugung; – aus Glauben, Zutrauen, – dann auch bei aller Vernunft und Einsicht – großer Teil der gesetzlichen Bestimmungen, aus gesundem Menschenverstand, der aber den richtigen Sinn hat, daß es eine unendliche Sphäre gibt, worin so entschieden werden kann, oder so; – aber wo die Hauptsache ist, daß entschieden ist; es muß befohlen werden in der Welt, rein befohlen; d. i. in Religion und Vernunft kann man nicht bloß befehlen – aber eben in der Seite der unendlichen Zufälligkeit.

    [zu § 3 Anm.]
    α) historische Behandlung – äußere Umstände, Gründe
    αα) im Ehemals, – in reiner Vergangenheit; das Vernünftige, Rechte ist [das] Gegenwärtige, muß in der Gegenwart vernünftig sein, nicht aus einem Umstand, der ehemals stattgehabt hat – nicht gute Gründe, d. i. Bestimmungen aus dieser, jener Rücksicht genommen. – Vernunft ist gegenwärtig.
    eine arme Reichsstadt – starkes Kontingent
    ββ) in einem andern Positiven – Eherecht – Institution
    Erklären. Es ist eine sehr häufige Erscheinung (Erscheinung jetzt zur Wissenschaft gemacht), wenn man nach dem Grunde 7/43 dieser Einrichtung, gesetzlichen Disposition fragt, – z. B. warum die Kurfürsten von der Pfalz Patrone der Kesselflicker – Recht, Patente auszustellen – Ritter, Kavallerie kommandiert – über Trompeter und Pauker – Pauken von Kupfer – die Pauken machten, machten auch Kessel – überall arbeiten zu dürfen – Reichspaukenmacher – Dies die ewige fortdauernde Geschichte – eine gesetzliche Disposition – im römischen oder deutschen Recht – Grund, Zweideutigkeit – ob einen verständigen Grund seiner äußeren Entstehung, Geltendwerdens – und innerer Vernunftgrund, Grund im Gedanken der Sache – Begriff.
    Verstehen die Frage gar nicht – werden ganz bös und verdrießlich darüber; – denn dies ist ein ganz anderer Boden, worauf man die Sache verpflanzt, – Boden des Begriffs. – Die gewöhnliche Erwiderung pflegt zu sein – man verstehe die Sache nicht – Hiervon
    β) in der Anmerkung gesprochen – verstanden, – den Sinn von positiv rechtlichen Dispositionen einsehen, ist äußerst leicht – Aber unter Verstehen versteht man
    αα) die Kenntnis alles des unendlichen Details – das für die vernünftige Einsicht sehr überflüssig; – Gelehrter, heißt es, versteht die Sache – als Gelehrter ist er in diese historischen Detail [s] eingeengt; und nur von solchem lassen sie gelten, daß er das Recht verstehe, der etwa, wie Herr Hugo auch sagt, Kollegia darüber besucht hat, Universität. – Als ob hiermit alle die Bürger, welche keine juristischen Kollegia gehört, vom Recht nichts verstünden, – solche Juristen sehen die übrigen Menschen als ihre Rechtsleibeigenen an. Gehört zum Metier – dies Recht zu vernünftigem Begreifen läßt sich kein Volk nehmen – keine Laien, hier noch weniger als in der Religion. Laien verstehen nichts von Religion – und es ist die Zeit gekommen, daß man nach der Vernunft der Sache fragt.
    ββ) man erkenne die Wichtigkeit solcher Kenntnis nicht; um sie, um ihren Boden sei es zu tun – versteht die Sache nicht, wisse nicht, worauf es ankommt: d. i. man bleibe nicht bei dem stehen, worauf sie meinen, daß es ankommt – nämlich eben auf das historische Wissen, und gute Verstandesgründe; – nicht verstehen heißt[:] sie stehen auf einem anderen Boden, – und dies sei ausschließlich der einzige – anerkennen nicht, daß es auch einen vernünftigen Boden gibt.
    γ) Diese Verkennung des vernünftigen Standpunktes – die 7/44 Unbekümmertheit darum, der Hochmut zu meinen, bei der gelehrten Kenntnis habe man schon für sich die vernünftige Erkenntnis – rächt sich dann auch; – es geht nicht, es gibt Stellen, wo es auf Gedanken ankommt; – man kann sich nicht erwehren, auch auf das Allgemeine zu kommen – da kommt die ganze Blöße zum Vorschein; – so geht es besonders bei Herrn Hugo, es ist kläglich, wie es da aussieht – Rotten boroughs – erklären, Verstand, – Weisheit der Voreltern, – worin hat diese bestanden? – von großen Städten oder bedeutenderen Flecken zu berufen –
    Damals der rechte Verstand, – aber jetzt andere Umstände – nicht mehr Zusammenhang mit diesen –

    [zu § 3 Anm., (a)]
    gang und gäbe Worte – [mit] Institut[ionen,] Pandekten umgehen [wie] Fav[orinus,] Heinecc[ius]
    Verstehen α) Wortverstand; β) Grund, Zusammenhang;
    αα) Nichtverstehen: diesen Grund nicht kennen, also nicht den Verstand der Sache haben, ββ) solche Art von Gründen, d. h. solchen Verstand nicht gelten lassen, der hier allein gebraucht wird.

    [zu § 3 Anm., (b)]
    Favor. spricht aus der Natur der Sache dagegen – Caecil[ius] rechtfertigt das Gesetz aus der Wirkung – abzuschrecken – Aus der Wirkung? hat nicht diese – soll sie nur haben – Wirkung vielmehr, daß die Strafe nicht vollzogen wird, Verbrechen, insofern es durch Strafe schreckbar, eine Scheu hätte, – um so ungescheuter.
    Gell[ius, Noctes Atticae] XX. I. Dissectum esse antiquitus neminem equidem neque legi neque audivi, quoniam saevitia poenae contemni non quitast.
    (Aber daß dessenungeachtet Schulden genug gemacht – auch nicht bezahlt worden, ergibt sich aus dem Vorhergehenden. – Mehrmal angesagt. Tertiis nundinis capite poenas dabant (mit jener Atrozität) aut trans Tiberim peregre venum ibant.) An putas, Favorine, si non illa etiam ex XII tabulis de testimoniis falsis poena abolevisset (?) et si nunc quoque ut antea qui falsum testimonium dixisse convictus esset, e saxo Tarpeio deiceretur, mentituros fuisse pro testimonio tam multos quam videmus?14) 7/45
    Auf Meineid in England selten geklagt, weil die Strafe geschärfte Todesstrafe ist.

    [zu § 3 Anm., (c)]
    Favorinus mußte doch lateinisch verstehen, die Erklärung des iumentum (Lexika sind nachzusehen) für einen Wagen mag leicht so erklärt werden, daß, weil die bloße Gestattung eines Lasttiers für einen kranken Zeugen zu inadäquat gewesen, daraus geschlossen werden könne oder müsse, daß iumentum auch einen Wagen, unbedeckten, müsse bedeutet haben –

    12) *[handschriftlich:] Engl[and] – Weisheit der Vorfahren

    13) “Du weißt sehr wohl, daß die Hilfs- und Heilmittel der Gesetze, wenn sie wirksam sein sollen, sich immer wieder umwandeln und verändern müssen, je nach den Sitten der Zeit und den Arten der Staatsverfassung sowie nach den Erfordernissen und Umständen der Gegenwart und den Mängeln, denen abgeholfen werden muß, und daß sie nicht in einem Zustand verharren dürfen, ohne durch die Stürme der Ereignisse und des Zufalls so der Veränderung unterworfen zu sein wie die Gestalt und das Aussehen des Himmels und der Meere. Was konnte heilsamer sein als jener Gesetzesvorschlag des Stolo … , was nützlicher als der Gemeinbeschluß des Voconius … , was hielt man für so notwendig wie das Licinische Gesetz, … ? Und doch sind sie alle in Vergessenheit geraten und in den Schatten gestellt durch die außerordentliche Wohlhabenheit des Staates … ”
    14) “Daß in alten Zeiten niemand zerstückelt worden sei, davon habe ich jedenfalls weder etwas gelesen noch gehört, – zumal es ja auch nicht angeht, sich geringschätzig über die Härte der Strafen zu äußern.
    (… Am dritten Markttag büßten sie mit ihrem Leben oder wurden jenseits des Tiber in die Fremde verkauft.) Oder glaubst du, Favorinus, wenn nicht auch die Strafe für falsches Zeugnis aus den Zwölf Tafeln getilgt worden wäre und heute noch wie einst ein der Falschaussage Überführter vom Tarpejischen Felsen gestürzt würde, daß es dann so viele gäbe, die im Zeugenstand zu lügen bereit sind, wie wir es erleben?”

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