52

Die Besitzergreifung macht die Materie der Sache zu meinem Eigentum, da die Materie für sich nicht ihr eigen ist.

Die Materie leistet mir Widerstand (und sie ist nur dies, mir Widerstand zu leisten), d. i. sie zeigt mir ihr abstraktes Fürsichsein nur als abstraktem Geiste, nämlich als sinnlichem (verkehrterweise hält das sinnliche Vorstellen das sinnliche Sein des Geistes für das Konkrete und das Vernünftige für das Abstrakte), aber in Beziehung auf den Willen und Eigentum hat dies Fürsichsein der Materie keine Wahrheit. Das Besitzergreifen als äußerliches Tun, wodurch das allgemeine Zueignungsrecht der Naturdinge verwirklicht wird, tritt in die Bedingungen der physischen Stärke, der List, der Geschicklichkeit, der Vermittlung überhaupt, wodurch man körperlicherweise etwas habhaft wird. Nach der qualitativen Verschiedenheit der Naturdinge hat deren Bemächtigung und Besitznahme einen unendlich vielfachen Sinn und eine ebenso unendliche Beschränkung und Zufälligkeit. Ohnehin ist die Gattung und das Elementarische als solches nicht Gegenstand der persönlichen Einzelheit; um dies zu werden und ergriffen werden zu können, muß es erst vereinzelt werden (ein Atemzug der Luft, ein Schluck Wassers). An der Unmöglichkeit, eine äußerliche Gattung als solche und das Elementarische in Besitz nehmen zu können, ist nicht die äußerliche physische Unmöglichkeit als das letzte zu betrachten, sondern daß die Person als Wille sich als Einzelheit bestimmt und als Person zugleich unmittelbare Einzelheit ist, hiermit sich auch als solche zum Äußerlichen als zu Einzelheiten verhält (§ 13 Anm., § 43). – Die Bemächtigung und das äußerliche Besitzen wird daher auch auf unendliche Weise mehr oder weniger unbestimmt und unvollkommen. Immer aber ist die Materie nicht ohne wesentliche Form, und nur durch diese ist sie etwas. Je mehr ich mir diese Form aneigne, desto mehr komme ich auch in den wirklichen Besitz der Sache. Das Verzehren von Nahrungsmitteln ist eine Durchdringung und Veränderung ihrer qualitativen Natur, durch die sie vor dem Verzehren das sind, was sie sind. Die Ausbildung meines organischen Körpers zu Geschicklichkeiten sowie die Bildung meines Geistes ist gleichfalls eine mehr oder weniger vollkommene Besitznahme und Durchdringung; der Geist ist es, den ich mir am vollkommensten zu eigen machen kann. Aber diese Wirklichkeit der Besitzergreifung ist verschieden von dem Eigentum als solchem, welches durch den freien Willen vollendet ist. Gegen ihn hat die Sache nicht ein Eigentümliches für sich zurückgehalten, wenn schon im Besitze, als einem äußerlichen Verhältnis, noch eine Äußerlichkeit zurückbleibt. Über das leere Abstraktum einer Materie ohne Eigenschaften, welches im Eigentum außer mir und der Sache eigen bleiben soll, muß der Gedanke Meister werden.

Occupancy makes the matter of the thing my property, since
matter in itself does not belong to itself
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Kommentare

2 Antworten zu „52“

  1. Avatar von Eduard Gans
    Eduard Gans

    Fichte hat die Frage aufgeworfen, ob, wenn ich die Materie formiere, dieselbe auch mein sei*) . Es muß, nach ihm, wenn ich aus Gold einen Becher verfertigt habe, einem anderen freistehen, das Gold zu nehmen, wenn er nur dadurch meine Arbeit nicht verletzt. So trennbar dies auch in der Vorstellung ist, so ist in der Tat dieser Unterschied eine leere Spitzfindigkeit; denn wenn ich ein Feld in Besitz nehme und beackere, so ist nicht nur die Furche mein Eigentum, sondern das Weitere, die Erde, die dazu gehört. Ich will nämlich diese Materie, das Ganze in Besitz nehmen: sie bleibt daher nicht herrenlos, nicht ihr eigen. Denn wenn die Materie auch außerhalb der Form bleibt, die ich dem Gegenstande gegeben habe, so ist die Form eben ein Zeichen, daß die Sache mein sein soll; sie bleibt daher nicht außer meinem Willen, nicht außerhalb dessen, was ich gewollt habe. Es ist daher nichts da, was von einem anderen in Besitz zu nehmen wäre.

    *) Grundlage des Naturrechts, 1796 (§ 19 A)

  2. Avatar von Hegel
    Hegel

    [zu § 52]
    Form und Materie kann getrennt sein – Materie Silber – Form meine Arbeit – Wenn Materie schon Eigentum, bleibt Eigentum – Durch Form in Besitz nehmen, anderer schon auf andere Weise Eigentümer.
    Form überhaupt Weise, wie sie für mich ist – sie kann es auf vielerlei Weise sein und dem einen diese, dem andern eine andre Weise angehören.

    [zu § 52 Anm.]
    α) Materie ist nichts gegen den Willen
    β) Es bleibt an dem, das ich in Besitz nehme, etwas übrig, das ich nicht in Besitz genommen habe – aber nicht als Materie – denn Besitzergreifen ist äußerliches Tun –

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