69

Indem der Erwerber eines solchen Produkts an dem Exemplar als einzelnem den vollen Gebrauch und Wert desselben besitzt, so ist er vollkommener und freier Eigentümer desselben als eines einzelnen, obgleich der Verfasser der Schrift oder der Erfinder der technischen Vorrichtung Eigentümer der allgemeinen Art und Weise bleibt, dergleichen Produkte und Sachen zu vervielfältigen, als welche allgemeine Art und Weise er nicht unmittelbar veräußert hat, sondern sich dieselbe als eigentümliche Äußerung vorbehalten kann.

Das Substantielle des Rechts des Schriftstellers und Erfinders ist zunächst nicht darin zu suchen, daß er bei der Entäußerung des einzelnen Exemplars es willkürlich zur Bedingung macht, daß die damit in den Besitz des anderen kommende Möglichkeit, solche Produkte nunmehr als Sachen gleichfalls hervorzubringen, nicht Eigentum des anderen werde, sondern Eigentum des Erfinders bleibe. Die erste Frage ist, ob eine solche Trennung des Eigentums der Sache von der mit ihr gegebenen Möglichkeit, sie gleichfalls zu produzieren, im Begriffe zulässig ist und das volle, freie Eigentum (§ 62) nicht aufhebt, – worauf es erst in die Willkür des ersten geistigen Produzenten kommt, diese Möglichkeit für sich zu behalten oder als einen Wert zu veräußern oder für sich keinen Wert darauf zu legen und mit der einzelnen Sache auch sie preiszugeben. Diese Möglichkeit hat nämlich das Eigene, an der Sache die Seite zu sein, wonach diese nicht nur eine Besitzung, sondern ein Vermögen ist (s. unten § 170 ff.), so daß dies in der besonderen Art und Weise des äußeren Gebrauchs liegt, der von der Sache gemacht wird und von dem Gebrauche, zu welchem die Sache unmittelbar bestimmt ist, verschieden und trennbar ist (er ist nicht, wie man es heißt, eine solche accessio naturalis wie die foetura). [handschriftliche Notiz § 69 (a)] Da nun der Unterschied in das seiner Natur nach Teilbare, in den äußerlichen Gebrauch fällt, so ist die Zurückbehaltung des einen Teils bei Veräußerung des anderen Teils des Gebrauchs nicht der Vorbehalt einer Herrenschaft ohne utile. – Die bloß negative, aber allererste Beförderung der Wissenschaften und Künste ist, diejenigen, die darin arbeiten, gegen Diebstahl zu sichern und ihnen den Schutz ihres Eigentums angedeihen zu lassen; wie die [handschriftliche Notiz § 69 (b)] allererste und wichtigste Beförderung des Handels und der Industrie war, sie gegen die Räuberei auf den Landstraßen sicherzustellen. – Indem übrigens das Geistesprodukt die Bestimmung hat, von anderen Individuen aufgefaßt und ihrer Vorstellung, Gedächtnis, Denken usf. zu eigen gemacht zu werden [, so hat] ihre Äußerung, wodurch sie das Gelernte (denn Lernen heißt nicht nur, mit dem Gedächtnis die Worte auswendig lernen – die Gedanken anderer können nur durch Denken aufgefaßt werden, und dies Nachdenken ist auch Lernen) gleichfalls zu einer veräußerbaren Sache machen, immer leicht irgendeine eigentümliche Form, so daß sie das daraus erwachsende Vermögen als ihr Eigentum betrachten und für sich das Recht solcher Produktion daraus behaupten können. Die Fortpflanzung der Wissenschaften überhaupt und das bestimmte Lehrgeschäft insbesondere ist, seiner Bestimmung und Pflicht nach, am bestimmtesten bei positiven Wissenschaften, der Lehre einer Kirche, der Jurisprudenz usf., die Repetition festgesetzter, überhaupt schon geäußerter und von außen aufgenommener Gedanken, somit auch in Schriften, welche dies Lehrgeschäft und die Fortpflanzung und Verbreitung der Wissenschaften zum Zweck haben. Inwiefern nun die in der wiederholenden Äußerung sich ergebende Form den vorhandenen wissenschaftlichen Schatz und insbesondere die Gedanken solcher anderer, die noch im äußerlichen Eigentum ihrer1 Geistesprodukte sind, in ein spezielles geistiges Eigentum des reproduzierenden Individuums verwandle und ihm hiermit das Recht, sie auch zu seinem äußerlichen Eigentum zu machen, gebe oder inwiefern nicht, – inwiefern solche Wiederholung in einem schriftstellerischen Werke ein Plagiat werde, läßt sich nicht durch eine genaue Bestimmung [handschriftliche Notiz § 69 (c)] angeben und hiermit nicht rechtlich und gesetzlich festsetzen. Das Plagiat müßte daher eine Sache der Ehre sein und von dieser zurückgehalten werden. – Gesetze gegen den Nachdruck erfüllen daher ihren Zweck, das Eigentum der Schriftsteller und der Verleger rechtlich zu sichern, zwar in dem bestimmten, aber sehr beschränkten Umfange. Die Leichtigkeit, absichtlich an der Form etwas zu ändern oder ein Modifikatiönchen an einer großen Wissenschaft, an einer umfassenden Theorie, welche das Werk eines anderen ist, zu erfinden, oder schon die Unmöglichkeit, im Vortrage des Aufgefaßten bei den Worten des Urhebers zu bleiben, führen für sich außer den besonderen Zwecken, für welche eine solche Wiederholung nötig wird, die unendliche Vielfachheit von Veränderungen herbei, die dem fremden Eigentum den mehr oder weniger oberflächlichen Stempel des seinigen aufdrücken; wie die hundert und aberhundert Kompendien, Auszüge, Sammlungen usf., Rechenbücher, Geometrien, Erbauungsschriften usf. zeigen, wie jeder Einfall einer kritischen Zeitschrift, Musenalmanachs, Konversationslexikons usf. sogleich ebenfalls unter demselben oder einem veränderten Titel wiederholt, aber als etwas Eigentümliches behauptet werden kann, – wodurch denn leicht dem Schriftsteller oder erfindenden Unternehmer der Gewinn, den ihm sein Werk oder Einfall versprach, zunichte gemacht oder gegenseitig heruntergebracht oder allein ruiniert wird. – Was aber die Wirkung der Ehre gegen das Plagiat betrifft, so ist dabei dies auffallend, daß der Ausdruck Plagiat oder gar gelehrter Diebstahl nicht mehr gehört wird – es sei entweder, daß die Ehre ihre Wirkung getan, das Plagiat zu verdrängen, oder daß es aufgehört hat, gegen die Ehre zu sein, und das Gefühl hierüber verschwunden ist, oder daß ein Einfällchen und Veränderung einer äußeren Form sich als Originalität und selbstdenkendes Produzieren so hoch anschlägt, um den Gedanken an ein Plagiat gar nicht in sich aufkommen zu lassen.

Since the owner of such a product, in owning a copy of it, is in
possession of the entire use and value of that copy
qua a single thing,
he has complete and free ownership of that copy
qua a single thing,
even if the author of the book or the inventor of the machine
remains the owner of the
universal ways and means of multiplying
such books and machines, &c.
Qua universal ways and means of
expression, he has not necessarily alienated them, but may reserve
them to himself as means of expression which belong to him.

  1. [handschriftlich:] d. i. jener ↩︎

Kommentare

Eine Antwort zu „69“

  1. Avatar von Hegel
    Hegel

    [zu § 69]
    Es ist zweierlei Bestimmung, – Benutzung, – was ist die direkte Bestimmung des Verkaufs eines Exemplars? Verkauft nur das, was und insofern es Gedanken vorstellt – diesen Wert, – nicht den andern Wert, der die Vervielfältigung in sich schließt – dieser Wert ein weiteres Vermögen –
    Es gehört mein (nicht stillschweigender, sondern) ausdrücklicher Wille dazu, – wenn auch diese Seite veräußert wird –
    Solche Produktion überhaupt in Beziehung auf den Andern –
    In Besitz nehmen ist meine Arbeit, Geschicklichkeit – mache dies meinige äußerlich – (wesentlich) in bezug auf den Andern, oder es gesellt sich unmittelbar dazu –
    Wenn solches, welches Zeichen von Vorstellungen ist, produziert wird, ist es schlechterdings in Beziehung auf [den] Andern –
    Gebrauch – stellt vor meinen Willen, etwas, eine Sache, als Eigentum zu haben; – Besitzergreifung wird zur Vorstellung. Zuletzt (schriftstellerische Produktion) [werden] die Vorstellungen selbst zur Sache. Weise eines Daseins, Besitzes, der sich schlechthin auf andere bezieht – Mein soll bleiben das Äußerliche, Wert – zum Tausche – als Vermögen.

    [zu § 69 Anm., (a)]
    Art und Weise des Gebrauchs – eine Art von Gebrauch zediert – eine andere Art nicht – Erbpacht, Lehen – auch eine Art von Gebrauch – eine andere, nämlich es zu verkaufen, nicht – aber dies letztere ist nicht eine Art von Gebrauch – sondern ist Eigentum des Werts der Sache –
    Gesetze gegen Nachdruck – α) Schutz der Schriftsteller und Verleger – ihre Kommissionäre gemeinschaftlich gegen Nachdruck – β) der Verleger gegen Nachdrucker wie gegen das Publikum. Gemeinsames Eigentum der Nation – jeder kann es nachdrucken – Privilegium – Versorgung, Sicherung der Verlagshandlungen –

    [zu § 69 Anm., (b)]
    Der allergrößte Teil der deutschen Literatur ist Fabrikwesen, bare Industrie geworden.

    [zu § 69 Anm., (c)]
    Musenalmanach, Geometrie ist kein besonderer Einfall, – also ist es jedem erlaubt, solchen Einfall zu exploitieren.
    Gelehrte Zeitungen – Morgen-, Abendblätter. Alle Götter und Göttinnen – Musen, Minerva, Hermes – Einfall.

Schreibe einen Kommentar