Da der Geist nur als das wirklich ist, als was er sich weiß, und der Staat, als Geist eines Volkes, zugleich das alle seine Verhältnisse durchdringende Gesetz, die Sitte und das Bewußtsein seiner Individuen ist, so hängt die Verfassung eines bestimmten Volkes überhaupt von der Weise und Bildung des Selbstbewußtseins desselben ab; in diesem liegt seine subjektive Freiheit und damit die Wirklichkeit der Verfassung.
274
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2 Antworten zu „274“
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§ 274. »Da der Geist nur als das wirklich ist, als was er sich weiß, und der Staat als Geist eines Volkes zugleich das alle seine Verhältnisse durchdringende Gesetz, die Sitte und das Bewußtsein seiner Individuen ist, so hängt die Verfassung eines bestimmten Volkes überhaupt von der Weise und Bildung des Selbstbewußtseins desselben ab; in diesem liegt seine subjektive Freiheit und damit die Wirklichkeit der Verfassung … Jedes Volk hat deswegen die Verfassung, die ihm angemessen ist und für dasselbe gehört.«
Aus Hegels Räsonnement folgt nur, daß der Staat, worin »Weise und Bildung des Selbstbewußtseins« und »Verfassung« sich widersprechen, kein wahrer Staat ist. Daß die Verfassung, welche das Produkt eines vergangnen Bewußtseins war, zur drückenden Fessel für ein fortgeschrittnes werden kann etc. etc., sind wohl Trivialitäten. Es würde vielmehr nur die Forderung einer Verfassung folgern, die in sich selbst die Bestimmung und das Prinzip hat, mit dem Bewußtsein fortzuschreiten; fortzuschreiten mit dem wirklichen Menschen, was erst möglich ist, sobald der »Mensch« zum Prinzip der Verfassung geworden ist. Hegel hier Sophist.
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Der Staat muß in seiner Verfassung alle Verhältnisse durchdringen. Napoleon hat z. B. den Spaniern eine Verfassung a priori geben wollen, was aber schlecht genug ging. Denn eine Verfassung ist kein bloß Gemachtes: sie ist die Arbeit von Jahrhunderten, die Idee und das Bewußtsein des Vernünftigen, inwieweit es in einem Volk entwickelt ist. Keine Verfassung wird daher bloß von Subjekten geschaffen. Was Napoleon den Spaniern gab, war vernünftiger, als was sie früher hatten, und doch stießen sie es zurück als ein ihnen Fremdes, da sie noch nicht bis dahinauf gebildet waren. Das Volk muß zu seiner Verfassung das Gefühl seines Rechts und seines Zustandes haben, sonst kann sie zwar äußerlich vorhanden sein, aber sie hat keine Bedeutung und keinen Wert. Freilich kann oft in Einzelnen sich das Bedürfnis und die Sehnsucht nach einer besseren Verfassung vorfinden, aber daß die ganze Masse von einer solchen Vorstellung durchdrungen werde, ist etwas ganz anderes und folgt erst später nach. Das Prinzip der Moralität, der Innerlichkeit des Sokrates ist in seinen Tagen notwendig erzeugt [worden], aber dazu, daß es zum allgemeinen Selbstbewußtsein geworden ist, gehörte Zeit.
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